Auf und Ab

Es sind diese Momente, die zusammenwirken. Diese Momente völliger Begeisterung und der Ernüchterung, die manchmal unglaublich intensiv im Kontrast nebeneinander stehen. Der Alltag ist voller Dinge, die man gerne macht und solcher, die man ungern macht oder die einem ein schlechtes Gewissen machen. Den Alltag zu bewältigen heißt, den emotionalen Kontrast abzumildern, die regelmäßigen kleinen Erfolge und Niederlagen nicht so extrem zu sehen. Bei den Erfolgen gelingt das meist zu schnell, Niederlagen sind schwieriger, da geht’s eher zu langsam.

Heute Morgen hatte ich das Extrem mal wieder. Ich wurde von einer Kollegin angesprochen, auf eine dienstliche Geschichte, die heute läuft. Ich reagierte begeistert, denn dieser Aspekt – diese Arbeitsstätte, mit der ich zu tun habe, was ich dort machen darf, dass sie in meine Zuständigkeit fällt, was die Leute dort tun – das begeistert und fasziniert mich. Es ist einfach superspannend! Dabei ist es eigentlich nur Arbeit. Keine zwanzig Schritte weiter holte ich eine Mappe aus der Post, auf der ein Post-It klebte. Jemand, der mir zuarbeitet und das gut tut, monierte ein Versäumnis, mit dem ich der Kollegin das Leben etwas schwerer gemacht hatte. Nicht beabsichtigt, nicht aus bösem Willen, einfach nur, weil ich nicht dran gedacht hatte. Dabei war ohne auch nur die Spur eines Nachdenkens einzusehen, warum an der Stelle zwei Büroklammern Wunder wirken, um besser zuordnen zu können, was zu was gehört. Mir ist natürlich klar, was wozu gehört, weil ich die Dokumente erstellt habe, um die es ging. Aber unter anderen Aspekten muss man da echt suchen, wie alles zusammengehört. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, auf weniger als 15 Meter Flur. Das ist wie das erste Mal frisch verliebt und so kann man seinen Alltag nicht bestreiten, erst recht nicht bei für alle gesundem sozialen Arbeitsleben, denn Stimmungsschwankungen wirken sich ja immer auch auf die anderen aus.

Ich bin froh, dass ich so intensiv empfinden kann, ich bin auch froh, dass ich eine Arbeit habe, in der ich mich so wohl fühle, die ich gut machen will, dass sie so etwas auslöst. Dennoch ist es nötig, diese Achterbahn etwas einzuebnen, die Kurven, Steigungen und Gefälle, mindestens mal die Loopings aus den Schienen rauszunehmen. Dieses Auf und Ab ist nämlich emotional anstrengend, sehr sogar. Nur zu sehr einebnen sollte man’s nicht. Sonst wird es stumpf.

Es gibt da einerseits die Balance aus Gutem und Schlechtem. Durch Gewöhnung wird meist ein allzu guter Durchschnitt der Ereignisse des Alltags normal, das funktioniert – nicht ganz so schnell – auch beim Ausschlag in die schlechte Richtung. Aber die Bilanz am Ende ist nicht die ganze Wahrheit. Auch die Amplitude, die Stärke und Häufigkeit der guten und schlechten Ausschläge, die sich (durch die Gewohnheit) am Ende meist zu irgendwas um die Mitte herum ausgleichen, spielt eine Rolle. Ein Alltag, der aus einer Achterbahn von Euphorie und Katastrophengefühl besteht, ist kaum auf Dauer bewältigbar. Auch hier reduziert die Gewohnheit die Amplitude, wie sie auch den Mittelwert Richtung Ausgleich verschiebt. Und das ist auch gut so, sonst würden wir alle durchdrehen, glaube ich.

7 Kommentare zu „Auf und Ab

  1. Hab’s jetzt zweimal gelesen. Vielleicht erahne ich, was Du meinst. Falls nicht, mach Dir nix draus! Ich bin ziemlich sicher, dass Du ganz genau weisst, was Du sagen wolltest. Das freut mich.

    1. Ja, das weiß ich. Letztlich habe ich an einem Beispiel realisiert, dass man nicht nur eine Balance zwischen Dingen, die nicht so toll sind und Dingen, die super sind, entwickeln muss. Zumal das meist automatisch geht – wir sind selten auf lange Sicht mit einer dauerhaften Situation völlig zufrieden und selten mit einer solchen gänzlich unglücklich. Es ist auch wichtig, nicht nach „oben“ und „unten“ dauernd emotional auszureißen.

      Und das ist glaube ich, was ich sagen wollte.

  2. Diesen Beitrag von dir würde ich ja gerne bei meinem „Alltag“-Projekt verlinken, da er so wichtiges aus dem Alltag spiegelt, zumindest ich selbst kenne diese Extreme, die du beschreibst, sehr gut und ich denke, dass wir damit nicht alleine sind. Deiner Lösung, wie es besser gehen kann, kann ich ebenfalls nur zustimmen.
    Was meinst du?
    Herzliche Grüße
    Ulli

    1. Aber klar, sehr gerne! Ich hatte eigentlich schon überlegt, ob er da rein passt, war aber von der zeitlichen Synchronisation mit Deinen Aufrufen nicht ganz sicher.

      Wie gesagt, sehr gerne!

      1. Ach schön, ich freue mich! Und mach dir keine Gedanken wegen den Zeitvorgaben, solange es nicht drei Wochen sind …
        herzlichen Dank ❤

  3. Pingback: Alltag 4 |

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