Der Zweifel, er begleitet mich. Tue ich das Richtige? Tue ich genug?
Das umfasst im Kleinen unsere Haushaltsführung und meine Lauferei, im Mittleren solche Dinge wie die Arbeiten am mit einer weiteren Partei gemeinsam bewohnten Haus und Grundstück sowie die Arbeit, ebenfalls im (oberen) Mittleren die Dinge in der Gemeinde, in Lauftreffs, im politischen Engagement und im ganz Großen (das aber in alles hinein wirkt) die Dinge, die ich gegen die menschgemachten Veränderungen des Planeten tue bzw. tuen sollte.
Woah, was eine große Klammer. Aber es ist so – ich stelle das, was ich tue, in Frage, aber ich tue sicher nicht alles, was ich in der individuellen Entscheidung „jetzt“ tun könnte. Im Ganzen jedoch, in der Summe dessen, was ich alles auf all diesen Ebenen tue, ist mein Potential begrenzt. Am Ende des Tages schienen fünf, sechs Dinge dringend und danach hatte ich nicht mehr die Kraft, nicht mehr die Gedanken, um über die anderen überhaupt nachzudenken, geschweige denn sie zu tun. Ein recht großer Pool wird stets verschoben, bleibt vielleicht auf der Strecke oder an jemand anderem hängen.
Schaffe ich es, den Rinnstein vor dem Haus mal wieder zu reinigen, damit der Nachbar, der deutlich mehr an Garten und Haus macht als wir, es nicht tun muss? Schaffe ich es, von weniger Fleisch auf noch weniger oder gar keins mehr runter zu kommen? Schaffe ich es, endlich mal das Innenlager meines Rennrads runterzukühlen, um es auszuschlagen und die neue Schaltung einzubauen? Kriege ich es hin, einen großen Wurf zu machen, im Sinne von „bei bestimmten Prozessen auf der Arbeit grundsätzliche Effizienzsteigerungen zu erreichen, um mehr Zeit für andere, auch wichtige, eigentliche Aufgaben unserer Behörde für alle zu schaffen?“ Staube ich endlich mal die Kuscheltiere aus meiner Kindheit, die im Wohnzimmer über dem Sofa auf dem Regal sitzen, wieder ab?
Ja, der Bogen ist ist weit, den ich hier spanne, denn der Zweifel, ob ich genüge, und der Zweifel, was jetzt wichtiger, was grundsätzlich wichtiger oder nötiger ist, wird von all dem geatmet. Ich verstehe, dass Minimalisten, die sich „zuhause“ um wenig kümmern müssen, die viel Arbeit investiert haben, ein Leben mit wenig regelmäßiger Wartung von Zeug, das eigentlich nur rumsteht und darauf wartet, gewartet zu werden, mehr Zeit für die großen Fragen haben. Dafür muss man aber erstmal die Arbeit investieren, diesen Ballast zu beseitigen – bzw. muss sich erstmal mit dem Gedanken anfreunden, dass Dinge Ballast wären. Mit Socke, Streifchen, Timmy, Tommy, Tigi (alles Tiger), Tigis Tigerente, Leo und all den Kuscheltieren, die ich aus meiner Kindheit noch habe, die auf dem Regal sitzen und gerne mal wieder Staub los werden würden, kann ich das nicht. Wenn ich versuche, mich zu fragen, ob die Truppe abzustauben oder sie einem Kindergarten zu spenden richtiger oder wichtiger ist, bleibe ich oft damit hängen, dass Tränen und Widerwillen beim Gedanken an das Abgeben der Tierchen in mir aufsteigen, aber für’s Absaugen der Gruppe und das Staubwischen des Regals unter ihnen die Zeit zu finden, ist auch nicht so einfach.
Klar, das sind die kleinen Dinge, an denen ich es jetzt erkläre. Die Großen, da wird es grundsätzlicher, da kommt mehr zusammen und so weit wollte ich textlich heute nicht mehr reisen. Schließlich frage ich mich immer noch, ob ich vor dem verspäteten Samstags-Frühstück, also gegen zwölf oder halb eins, noch ein oder zwei kleine Aufgäbchen erledigt bekomme.
Also komme ich dann doch zu den zwei Punkten, die mich auf diesen riesigen, weiten, sehr grundsätzlichen Bogen gebracht haben: Einerseits habe ich endlich Zeit gehabt, mal ein paar Dinge anzugehen. Ich hatte fast acht Tage an Überzeit angesammelt und diese Woche fünf davon abgefeiert. In der freien Zeit habe ich die Prioritäten etwas anders gesetzt, als ich es dachte. Das will ich gar nicht in Frage stellen, das sollte okay sein, obwohl ich mich natürlich die ganze Zeit – Thema Zweifel – frage, ob ich die richtigen Dinge nochmal aufgeschoben und die richtigen Dinge jetzt endlich mal gemacht habe. Aber dieser selbstbestimmtere Rhythmus, diese Zeit, auch mal dumm zum Fenster raus zu starren und die Gedanken treiben zu lassen, hat ermöglicht, die Fragen, die ich hier aufgeworfen habe, erstmal wirklich aufzuwerfen und darüber nachzudenken. Und festzustellen, dass ich keine Lösung habe, aber das Problem bewundere. Andererseits habe ich mich damit befasst, dass eines meiner Ziele, eines der Programme, das mir zur Zeit beim Entscheidungen treffen hilft, in einer gewissen Weise gestrickt ist – es geht um meinen Trainingsplan – und andere Leute mit anderen Arten (Philosophien) gerade gute Ergebnisse erreicht haben. Da frage ich mich, ob ich auf dem richtigen Weg bin.
Viele von Euch werden nun sagen: Nicht so viel nachdenken, einfach mal machen. Ich könnte Euch entgegenhalten, dass ich nicht die Person dafür bin. Ich denke nach. Das bin ich. Es hat mich da hin gebracht, wo ich jetzt bin, dass ich nachdenke, dass ich Dinge hin und her wende und dass ich auch mal die große, ganze Theorie und Praxis, den riesig-großen ganzen Zusammenhang hinterfrage. Nicht, dass das immer oder auch nur oft zu einem tollen, großen Ergebnis führen würde, aber ich bin Wissenschaftlerin, nicht nur qua studium, sondern qua person. Aber ich WILL Euch das hier gar nicht entgegenhalten, denn ich HABE auch einfach mal probiert. Ich habe meinen Tempodauerlauf nach dem „sturen“ Schinderplan von Peter Greif durch einen Tempowechsellauf mit kilometerweisen Beschleunigungen auf’s Marathonrenntempo ersetzt, und es für gut befunden. Hier also: Keine Entscheidung, sondern Synthese durch kleine Experimentierschritte.
Und jetzt gehe ich meine Kuscheltiere abstauben. Der Dreck im Rinnstein kann auch bis zum Nachmittag oder vielleicht auch noch ein, zwei Wochenenden warten.