Pride und Demut

Ich weiß nicht, ob es den Eindruck macht, dass ich ein Geheimnis draus machen würde. Eigentlich ist das nicht meine Absicht. Aber ich fühle mich normal, selbst wenn es um Themen geht, die… naja, mir meine Unvollständigkeit in mancher Hinsicht vor Augen führen.

Wenn es zum Beispiel um’s Kinderkriegen geht, oder um die Periode. Man mag mir sagen, dass das Erstere mir nicht möglich ist, solle ich bedauern, das Fehlen der Letzteren solle mich freuen. Aber es hilft nichts, das gehört zusammen, und da ich eine männliche Pubertät durchlebt habe, so falsch sich das auch anfühlte, ist beides außer Reichweite. Ich habe vielen Gedanken zu diesem Thema schon vor Jahren, als die AfD erfolgreicher wurde und als Donald Trump mit (neben vielem anderen auch) trans-feindlicher Agenda US-Präsident wurde, in einem Post Ausdruck verliehen. Das ist natürlich noch nicht alles, ganz ohne das Trans-Thema fülle ich (weiterhin ohne das Buch zu kennen, das ich in dem Post zitiere, und mittlerweile auch mit einem gewissen Widerwillen gegen den Autor) in einer Meditation über mich diverse Rollen teils oder ganz aus.

Nun lese ich in den Messages einer Freundin, dass es mit dem Selbstbestimmungsgesetz vorangeht und das freut mich. Mein Weg war anstrengend, ich bin ihn neben der Promotion gegangen, und das war hart. Wenn man in anderthalb Monaten medizinische Gutachten zusammensammelt, um eine OP bewilligt zu bekommen, und fast vier Monate nach Einreichen beim medizinischen Dienst der Krankenkassen nochmal zum Vermessen der Dinge, die man eigentlich loswerden will, zum Arzt geschickt wird, da das Gutachten ja „ein halbes Jahr alt“ sei, dann schlaucht das. Wenn der bürokratische Prozess daneben leichter wird, ist das ein Fortschritt. Die Hürden sind weiterhin hoch genug, und auch wenn das eine unbeliebte Meinung ist: Das ist auch gut so. Geschlechtsidentität ändern, selbst wenn man es unbedingt braucht, um zu überleben, ist ein hartes Ding. Zum Glück zeigen Zahlen aus Ländern, in denen der bürokratische Prozess des Änderns der Geschlechtseinträge einfacher sind, dass sich auch dort nicht mehr Leute auf diese Achterbahn bewegen, es nur für die, die es brauchen, außen leichter ist. Innen ist es, so überlebensnotwendig es auch sein mag, immer sauschwer.

Ich beende mal den impliziten Klammertext: Hier ist die Freude, der „Pride“-Moment. Yay für das Selbstbestimmungsgesetz!

Aber so einfach ist es natürlich nicht. Nicht nur die oft beschworenen, an vielen Stellen der „Pride“-Gemeinde verhassten „TERFs“, sondern auch andere Stellen wägen Schutzräume für Transpersonen und Schutzräume für Frauen gegeneinander ab. Und ich kann das auch verstehen! Der Welt-Leichtathletik-Verband hat diese Woche einerseits die „Lex Semenya“, also den Bann von zu hohen Testosteron-Werten bei einer bestimmten, als weiblich anerkannten Form von Intersexuellen auf der Mittelstrecke auf alle Disziplinen ausgeweitet. Testosteron wirkt ja tatsächlich leistungssteigernd und kurbelt das Muskelwachstum an. Es ist also verständlich, dass man für eine gewisse Zeit vor und auf jeden Fall zur Zeit des Wettkampfs im Elite-Bereich bestimmte Testosteron-Levels unterschritten haben muss, um im „Schutzraum“ für Frauen antreten zu dürfen. Auch körperliches Geschlecht ist ein Spektrum, und so schmerzhaft das ist, muss zum Erhalten eines Schutzraums die Grenze irgendwo im Spektrum gezogen werden. Im Zuge dieser Entscheidung wurde auch festgestellt, dass man mangels Elite-Athleten mit transsexuellem Hintergrund (der Welt-Leichtathletik-Verband schreibt „transgender“) keine Daten habe, ob es reiche, dieselben auf Testosteron-Werten basierenden Ausschlusskriterien auch für Transsexuelle auszusprechen, oder ob man die männliche Pubertät der wesentliche Faktor sei. Zur Klarstellung: Die Athletinnen wie z.B. Caster Semenya haben aufgrund des auch körperlich nicht immer ganz eindeutigen Geschlechts Drüsen, die Testosteron produzieren und – so genau habe ich das nicht verstanden – innen liegenden Hoden ähneln oder solche sind. Sowas haben Post-Op-Transsexuelle nicht. Daher hatte ich immer gedacht: „Hey, das betrifft mich alles nicht…“ Und nun bannt der Welt-Leichtathletik-Verband – genau wie der Welt-Schwimm-Verband – Transfrauen generell von Elite-Wettkämpfen. Man wisse halt nicht, ob’s an der männlichen Pubertät liegt oder an den Hormonen.

Ich kann das verstehen. Der Schutzraum für Athletinnen und deren Leistung betrifft VIEL mehr Leute. Seine Grenze sauber zu formulieren, und fair zu bleiben, ist nicht einfach, und wenn da eine Minderheit runterfällt, bis man mehr Daten hat, nimmt man das in Kauf. Schließlich haben die auch eine Kommission aufgesetzt, um zu prüfen, ob es mit den Hormon-Grenzwerten getan ist. Aber bis das geklärt ist, sind Transfrauen bei Elite-Wettkämpfen in der Leichtathletik raus. Ist halt ein bisschen blöd, wenn man selbst zu dieser Minderheit gehört…

Aber was der Verband schreibt, ist ja auch richtig: Der Schutzraum ist wichtig und auf Elite-Ebene gibt es derzeit keine Transfrauen. Mich schon gleich gar nicht, mit Meisterschaften habe ich nichts zu tun. Ich bin schnell, freilich, aber ich habe keine hohen Testosteron-Spiegel. Als ich vor der großen OP das letzte Mal sowas hatte, boah, die Aggression! Ich würd’s spüren und messen kann man es auch. Aber ich bin nicht so schnell. Zudem trete ich nur bei stadionfernen Events an, also bei Volksläufen, für die man keine Verbandszugehörigkeit braucht, bin Hobbyläuferin, keine Amateurin. Der deutsche Verband empfiehlt, bei solchen „stadionfernen“ Veranstaltungen die Inklusion oberstes Gebot sein zu lassen, während bei stadionnahen, Eliteveranstaltungen, die dann auch zu Meisterschaften führen und irgendwie eine Registrierung beim Verband oder einem Verein im Verband erfordern, wo also Amateure und Profis antreten, natürlich die Regeln für Elite-Leute gelten.

Es betrifft mich also nicht. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass irgendwo irgendwer durch mein mit hartem Training systematisch erarbeitetes Tempo neidisch wird und dann wird es ein Thema, ob’s in meinem Falle auch auf die Ebene „stadionfern“ runter gebrochen wird. Seid gewiss, ich bin drauf gefasst. Aber so lange die Regeln erlauben, dass ich dort antrete, wo ich glaube, nur mein systematisches Training als Vorteil zu haben, werde ich das tun. Ich laufe für persönliche Bestzeiten, für die Überwindung meiner Grenzen, nicht für Platzierungen. Die machen Spaß, sind aber nicht meine Motivation. Hier also Demut, aber nicht zu viel.

Am Ende des Tages sind wir, wer wir sind. So lange die Regeln sind, wie sie sind, brauchen wir nicht vorauseilend gehorsam uns zurücknehmen. Aber wenn die Regeln da sind, wenn sie auf Fakten (oder auf Vorsicht wegen Unkenntnis und einer Abwägung der Konsequenzen) basieren, dann ist es an uns, zu helfen, Daten zu liefern. Wohl denen, die nicht laufen, schwimmen, radeln, anderen Sport tun, um andere auszustechen, sondern die das tun, um über sich hinaus zu wachsen, um ihrer selbst willen.

Zweifel

Der Zweifel, er begleitet mich. Tue ich das Richtige? Tue ich genug?

Das umfasst im Kleinen unsere Haushaltsführung und meine Lauferei, im Mittleren solche Dinge wie die Arbeiten am mit einer weiteren Partei gemeinsam bewohnten Haus und Grundstück sowie die Arbeit, ebenfalls im (oberen) Mittleren die Dinge in der Gemeinde, in Lauftreffs, im politischen Engagement und im ganz Großen (das aber in alles hinein wirkt) die Dinge, die ich gegen die menschgemachten Veränderungen des Planeten tue bzw. tuen sollte.

Woah, was eine große Klammer. Aber es ist so – ich stelle das, was ich tue, in Frage, aber ich tue sicher nicht alles, was ich in der individuellen Entscheidung „jetzt“ tun könnte. Im Ganzen jedoch, in der Summe dessen, was ich alles auf all diesen Ebenen tue, ist mein Potential begrenzt. Am Ende des Tages schienen fünf, sechs Dinge dringend und danach hatte ich nicht mehr die Kraft, nicht mehr die Gedanken, um über die anderen überhaupt nachzudenken, geschweige denn sie zu tun. Ein recht großer Pool wird stets verschoben, bleibt vielleicht auf der Strecke oder an jemand anderem hängen.

Schaffe ich es, den Rinnstein vor dem Haus mal wieder zu reinigen, damit der Nachbar, der deutlich mehr an Garten und Haus macht als wir, es nicht tun muss? Schaffe ich es, von weniger Fleisch auf noch weniger oder gar keins mehr runter zu kommen? Schaffe ich es, endlich mal das Innenlager meines Rennrads runterzukühlen, um es auszuschlagen und die neue Schaltung einzubauen? Kriege ich es hin, einen großen Wurf zu machen, im Sinne von „bei bestimmten Prozessen auf der Arbeit grundsätzliche Effizienzsteigerungen zu erreichen, um mehr Zeit für andere, auch wichtige, eigentliche Aufgaben unserer Behörde für alle zu schaffen?“ Staube ich endlich mal die Kuscheltiere aus meiner Kindheit, die im Wohnzimmer über dem Sofa auf dem Regal sitzen, wieder ab?

Ja, der Bogen ist ist weit, den ich hier spanne, denn der Zweifel, ob ich genüge, und der Zweifel, was jetzt wichtiger, was grundsätzlich wichtiger oder nötiger ist, wird von all dem geatmet. Ich verstehe, dass Minimalisten, die sich „zuhause“ um wenig kümmern müssen, die viel Arbeit investiert haben, ein Leben mit wenig regelmäßiger Wartung von Zeug, das eigentlich nur rumsteht und darauf wartet, gewartet zu werden, mehr Zeit für die großen Fragen haben. Dafür muss man aber erstmal die Arbeit investieren, diesen Ballast zu beseitigen – bzw. muss sich erstmal mit dem Gedanken anfreunden, dass Dinge Ballast wären. Mit Socke, Streifchen, Timmy, Tommy, Tigi (alles Tiger), Tigis Tigerente, Leo und all den Kuscheltieren, die ich aus meiner Kindheit noch habe, die auf dem Regal sitzen und gerne mal wieder Staub los werden würden, kann ich das nicht. Wenn ich versuche, mich zu fragen, ob die Truppe abzustauben oder sie einem Kindergarten zu spenden richtiger oder wichtiger ist, bleibe ich oft damit hängen, dass Tränen und Widerwillen beim Gedanken an das Abgeben der Tierchen in mir aufsteigen, aber für’s Absaugen der Gruppe und das Staubwischen des Regals unter ihnen die Zeit zu finden, ist auch nicht so einfach.

Klar, das sind die kleinen Dinge, an denen ich es jetzt erkläre. Die Großen, da wird es grundsätzlicher, da kommt mehr zusammen und so weit wollte ich textlich heute nicht mehr reisen. Schließlich frage ich mich immer noch, ob ich vor dem verspäteten Samstags-Frühstück, also gegen zwölf oder halb eins, noch ein oder zwei kleine Aufgäbchen erledigt bekomme.

Also komme ich dann doch zu den zwei Punkten, die mich auf diesen riesigen, weiten, sehr grundsätzlichen Bogen gebracht haben: Einerseits habe ich endlich Zeit gehabt, mal ein paar Dinge anzugehen. Ich hatte fast acht Tage an Überzeit angesammelt und diese Woche fünf davon abgefeiert. In der freien Zeit habe ich die Prioritäten etwas anders gesetzt, als ich es dachte. Das will ich gar nicht in Frage stellen, das sollte okay sein, obwohl ich mich natürlich die ganze Zeit – Thema Zweifel – frage, ob ich die richtigen Dinge nochmal aufgeschoben und die richtigen Dinge jetzt endlich mal gemacht habe. Aber dieser selbstbestimmtere Rhythmus, diese Zeit, auch mal dumm zum Fenster raus zu starren und die Gedanken treiben zu lassen, hat ermöglicht, die Fragen, die ich hier aufgeworfen habe, erstmal wirklich aufzuwerfen und darüber nachzudenken. Und festzustellen, dass ich keine Lösung habe, aber das Problem bewundere. Andererseits habe ich mich damit befasst, dass eines meiner Ziele, eines der Programme, das mir zur Zeit beim Entscheidungen treffen hilft, in einer gewissen Weise gestrickt ist – es geht um meinen Trainingsplan – und andere Leute mit anderen Arten (Philosophien) gerade gute Ergebnisse erreicht haben. Da frage ich mich, ob ich auf dem richtigen Weg bin.

Viele von Euch werden nun sagen: Nicht so viel nachdenken, einfach mal machen. Ich könnte Euch entgegenhalten, dass ich nicht die Person dafür bin. Ich denke nach. Das bin ich. Es hat mich da hin gebracht, wo ich jetzt bin, dass ich nachdenke, dass ich Dinge hin und her wende und dass ich auch mal die große, ganze Theorie und Praxis, den riesig-großen ganzen Zusammenhang hinterfrage. Nicht, dass das immer oder auch nur oft zu einem tollen, großen Ergebnis führen würde, aber ich bin Wissenschaftlerin, nicht nur qua studium, sondern qua person. Aber ich WILL Euch das hier gar nicht entgegenhalten, denn ich HABE auch einfach mal probiert. Ich habe meinen Tempodauerlauf nach dem „sturen“ Schinderplan von Peter Greif durch einen Tempowechsellauf mit kilometerweisen Beschleunigungen auf’s Marathonrenntempo ersetzt, und es für gut befunden. Hier also: Keine Entscheidung, sondern Synthese durch kleine Experimentierschritte.

Und jetzt gehe ich meine Kuscheltiere abstauben. Der Dreck im Rinnstein kann auch bis zum Nachmittag oder vielleicht auch noch ein, zwei Wochenenden warten.

[KuK] Ist das noch…

…eine Gefährderansprache oder schon was anderes?

Gestern Abend auf der Heimfahrt von Lauftreffs und Training in Karlsruhe radelte ich die Ettlinger Straße in Karlsruhe runter Richtung Hauptbahnhof. Zwei andere Radfahrerinnen waren mir bewusst, plötzlich war da in der Gruppe auf dem Radweg ein viertes Rad neben mir und den beiden anderen Radlerinnen. Licht hatte das Rad nicht, zumindest nicht hinten, und irgendwie war mir nicht klar, wo der Radler herkam.

Dann überholte uns langsam ein Polizeifahrzeug, verlangsamte, und hielt den neu in die Gruppe dazu gekommenen an. Im Vorbeifahren hörte ich was von „kein Licht“ und „über Rot“. Nach kurzem Check von § 29 PolG gewinne ich den Eindruck, dass das nicht mehr einfach eine Gefährderansprache war, denn ordnungswidrig handelte dieser Mensch ja schon: Fuhr wohl über Rot und fuhr mitten in der Nacht mindestens ohne Rücklicht – ob er’n Frontlicht hatte, habe ich nicht gesehen.

Jedenfalls finde ich es gut, wenn die Polizei sowas anspricht. Ich finde nämlich, dass es allen Radlern schadet, wenn sich einzelne wie Berserker aufführen, rote Ampeln als Vorschläge und Licht bei Nacht als fakultativ ansehen. Ich lese oft, dass Radler angesprochen werden, warum sie keine Warnweste tragen oder keinen Helm – das ist aber alles kleine Pflicht. Rote Ampeln einzuhalten oder Beleuchtung auf nächtlicher Straße aber schon! Am Ende des Tages reagieren Autofahrer, die solche Radler erlebt haben, auf alle Radler, als wären die solche Berserker.

Und das ist gefährlich auch für mich.

[KuK] Läuft!

Ich fokussiere mein Ziel nun… zweieinhalb Monate sind’s noch bis zum Regensburg-Marathon, der Countdown hat begonnen:

Die nicht unbeträchtliche Menge an Training, die mich da hin gebracht hat, dass ich nun in den Countdown einsteige, hat auch dafür gesorgt, dass ich meinen Rückstand auf das Jahres-Kilometer-Ziel beim Laufen nun aufgeholt habe.

Nur beim Schwimmen läuft’s noch nicht, da ich lieber im Freibad schwimme als im Hallenbad, und das hat halt noch so richtig keine Saison. Beim Yoga habe ich auch ein bisschen Rückstand, aber das kommt kommende Woche, da habe ich etwas mehr Zeit als in der stressigen vergangenen Woche. Das wird mir gut tun!

Nächste Woche gibt es auch den Testwettkampf, am Sonntag trete ich beim Rißnertlauf beim TuS Rüppurr über 15 Kilometer an. Ich bin gespannt, wie das nach der kommenden Woche ohne Arbeit und mit weniger Radfahren werden wird.

Heatmaps – aber binär: Nerdspiel wandrer.earth

Die Überschrift ist etwas kryptisch, nicht?

Vor knapp drei Jahren habe ich mich bei Strava angemeldet. Einer der Gründe dafür war, dass ich das Konzept der Heatmaps cool fand, das Strava anbietet. Auf diesen Heatmaps wird abgebildet, wo ich mich bewegt habe – zumindest, sofern es in einer GPS-getrackten Aktivität stattfand, die ich auch für Strava freigegeben habe. Das sieht dann so aus:

Meine Idee war mehr oder minder, Fähnchen dort in die Karte zu stechen, wo ich schonmal gelaufen oder Fahrrad gefahren bin. Das fand ich auch ziemlich cool, und die in Bensersiel im Urlaub gelaufenen Strecken, die Strecke des Mannheim-Marathon, eine Radstrecke von einem Bahnhof an der S4 der AVG von Karlsruhe nach Heilbronn zum Campingplatz, wo mein Vater wohnt, auf der Heatmap zu sehen, das war sehr befriedigend. Dann tauchten ja auch noch die Strecken des Trainingslagers in Apulien, des Lauftrainerkurses in Euskirchen und auch die Strecken bei Freunden nahe Buxtehude und nahe Bonn auf, dazu der Lauf mit einem Laufkumpel hoch auf den Hasselbrack in Hamburg.

Aber irgendwie bin ich noch mehr ein Zahlen- als ein Kartenmensch. Versteht mich nicht falsch – Karten sind toll. Ich liebe Karten, Geographie, auch meinen Geschichtsatlas fand ich ein großartigeres, anschaulicheres Werk zum Verstehen von Geschichte als so manches andere Buch. Aber am Ende des Tages sind Zahlen dann noch mehr meins. Dazu fiel mir immer wieder bei einigen meiner Strava-Bekannten auf, dass ein Plugin namens Wandrer.Earth „neue Kilometer“ in die Aktivitäten reinschrieb… das interessierte mich.

Wenn ich es richtig verstanden habe, fing wandrer.earth als ein Tool von Leuten an, die in Atlanta öffentlich zugängliche Obstbäume abernteten, um Obdachlosenküchen mit Obst zu versorgen. Für diese Aufgabe war es natürlich wichtig, Obstbäume zu kartieren, um nicht dauernd neu zu suchen – aber auch zu wissen, wo man schon gesucht, aber keine Bäume gefunden hatte. Also koppelten findige Leute ihre Strava-Aktivitäten mit openstreetmap. Sowohl Strava als auch openstreetmap sind nicht nur für Atlanta, nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt verfügbar. Geboren war ein Tool, in dem man sehen kann, welche Strecken man schon mindestens einmal besucht hat. Eine Heatmap, nur binär – aus (nie besucht), an (mindestens einmal besucht). Sortierung nach zu Fuß oder per Rad, ein bisschen Statistik, Scoring für neue Kilometer und für Anbrechen sowie nahezu vervollständigen von einzelnen Stadtvierteln oder Gemeinden, voilà, wandrer.earth. Man sieht, wo man schon überall war, man kriegt Punkte dafür, man kann vergleichen, wie stark andere diese Bereiche erkundet haben. Und so fand ich meine „etwas andere, da binäre“ Heatmap:

Die häufig befahrenen oder belaufenen Strecken wie meine Arbeitsweg-Varianten, Lauftreff-Strecken und das Bietigheimer Stadion treten nicht so deutlich hervor, man sieht halt, wo ich schonmal war. Diese Vervollständigungen sind auch und gerade deswegen so befriedigend, weil man einerseits ja gerne häufig besuchte Gemeinden oder Stadtviertel sehr vollständig haben will und andererseits auch Orte kennenlernt, die man sonst nicht besucht hätte – selbst wenn’s da hässlich ist oder nicht weiter geht, Punkte gibt’s! So habe ich auch wegen wandrer.earth das eine oder andere Eckchen von Karlsruhe und auch meiner Heimatgemeinde Bietigheim besucht, das mir sonst verborgen geblieben wäre – neue, praktische Abkürzungen, selten gesehene Schönheit und Hässlichkeit inclusive.

Das ist dann noch viel näher am „war ich schon mindestens einmal, Fähnchen in die Karte gesteckt“ dran, als es die normalen Heatmaps sind. Zwei Tools, zwei verschiedene Aussagen über mein Wegenutzungsverhalten zu Fuß und auf dem Rad. Ergänzt sich gut für mich.

Sport-Fazit Februar: Back on Track

Wie bereits beschrieben, hatte ich Anfang Dezember ein Motivationsproblem, mit einem kurzen Aufblitzen von Freude an Wettkampf, als ich dachte, dass Sabrina Mockenhaupt in Rheinzabern laufen würde, dann ging’s mir undefinierbar nicht gut, Ende Dezember und Anfang Januar. So richtig traute ich dem sich wieder etablierenden Frieden im Laufe des Januars noch nicht, aber spätestens mit dem Zwanziger in Rheinzabern am 12.02. wurde es besser. Nun bin ich wieder im Rhythmus und starte in Kürze in den Countdown zum Regensburg-Marathon.

Was lief also im Februar?

Unterstützendes

Laufen allein kann man schon machen, aber es läuft besser, wenn man sich um Rumpf, Beweglichkeit, die Faszien mit kümmert. Dafür habe ich vier Bausteine: Eigengewichts-Krafttraining, (fast ausschließlich Yin-)Yoga, Dehnübungen und mein Balance-Board, das gelegentlich zum Stehen am Steh-Schreibtisch benutzt wird – und manchmal auch, um Kniebeugen darauf zu machen. Im Februar blieb meine „sanfte“ Kräftigung und Dehnung nahezu konstant wie im Januar begonnen, beim Eigengewichts-Krafttraining ging es aber gewaltig nach oben. Das liegt einerseits daran, dass mich sehr motiviert, dass ich inzwischen Klimmzüge machen kann, zum anderen aber auch an der Erkenntnis, dass ich mit mehr Rücken-, Bauch- und schrägen Bauchmuskeln weniger Kopfweh habe und schneller laufe.

Im Gegensatz zur Zeit vor meiner Corona-Infektion (die war im Juli 22) fällt auf, dass ich mehr Übungen an weniger Trainingstagen mache. Das „Mengenmaß“ stellt übrigens sogenannte „Squat Equivalents“ dar, ich habe jeder Übung ein gewisses Äquivalent in Kniebeugen zugeordnet. Insbesondere die recht schweren Liegestützen und die sehr fordernden Klimmzüge tragen deutlich bei!

Laufen und Radfahren

Das Laufen wie auch das Radfahren gruppiere ich inzwischen nach Anlass, nach Trainingsform und nach verwendetem Sportgerät – im Wesentlichen also Schuhe und Räder.

Der weitaus größte Anteil des Laufens fand zu Anlässen des Outdoor-Trainings oder des Trainings auf der Tartanbahn statt – was auch der Tatsache geschuldet ist, dass Laufen für mich neben Leidenschaft auch ein Wettkampfsport ist. Radfahren dagegen ist insbesondere im Winter vor allem Verkehrsmittel – zum Pendeln zur Arbeit, für Einkäufe und auch für Fahrten z.B. zum Essen Gehen. Somit sieht die Zusammensetzung der Laufkilometer nach Anlass (links, weiß hinterlegt) völlig anders aus als die Zusammensetzung der Radkilometer nach Anlass (rechts, grün hinterlegt).

Entsprechend ist auch die Verteilung der Trainingsformen beim Laufen eine andere, eine leistungs- und wettkampforientiertere als beim Radfahren. Lange Läufe und Tempotraining spielen beim weiß hinterlegten Laufdiagramm wesentliche Rollen, während sich das Pendeln weitgehend im Grundlagen- oder Regenerationsbereich bewegt.

Der mächtige Einfluss des unterschiedlichen Fokus‘ zeigt sich auch bei der Wahl des Sportgeräts. Zeugen 69 Kilometer auf Tartan-Spikes, 38 Kilometer auf Carbon-Schuhen (davon 20 im Wettkampf), die zunehmende Fokussierung auf den härteren, direkteren Escalante Racer sowie Experimente mit dem Puma Liberate Nitro von ambitioniertem Training, so ist beim Radfahren mein Alltagsrad Trek 520, Codename „Red Flash“ das einzige Rad, das Auslauf kriegte – es hat Schutzbleche und ist robust. Eine gewisse Rolle spielt auch, dass das grüne Rennrad Focus Izalco Race gerade im Moment in Wartung ist, um eine elektronische Schaltung zu bekommen – herausfordernd hierbei ist vor allem die Verlegung der Kabel im Rahmen (u.a. verbunden mit dem Wechseln des Innenlagers – Pressfit in Carbonrahmen, das macht mir zur Zeit richtig Arbeit). Auf MTB-Fahren habe ich bei Kälte noch weniger Lust als sonst.

Überblick

Generell gesehen dominieren weiterhin Radfahren und Laufen meine Sport-Aktivitäten im Winter, und somit bringen die Übersichtsdiagramme hier nicht viel Neues:

Trotz des recht ambitionierten Lauftrainings bleibt der dominante Trainingsbereich derzeit die Grundlagenausdauer, und genau so soll es auch sein. Insgesamt stiegen die Zeiten und auch Strecken beim Sport im Februar gegenüber dem Januar wieder deutlich an:

Ich war auch weniger krank, und vor allem am Laufen hatte ich wieder viel mehr Spaß, die Motivation ging durch die Decke.

Plan und Form

Mit meinem Trainingsplan, der auf den Regensburg-Marathon hinzielt und den ich im Oktober begonnen habe, geht es nun allmählich in die heiße Phase. Vorbereitung III beginnt im März, der härtere Teil von Vorbereitung II füllte den Februar, mit einem erfolgreichen Testwettkampf in Rheinzabern:

Im Februar habe ich – im Gegensatz zur etwas kränklichen zweiten Dezemberhälfte und dem immer noch kränklichen Januar – mein Programm stets erfüllt, bin Intervalle, lange Läufe und so weiter gelaufen. Im hellgrünen Bereich sieht man, dass die letzten vier Wochen dann mit allen Trainings durchgeführt (blau) und allen Trainings erfolgreich (grün) zu Buche schlugen. Das hat sich natürlich ausgewirkt:

Sowohl gemessen in meinen Schätzern, die zusätzliche Herzschläge pro Referenzstrecke nutzen, als auch im etwas unabhängiger aussagekräftigen abgeleiteten Leistungswert der physikalischen Arbeit pro zusätzlichem Herzschlag ging’s ab. Wenn alles glatt geht und ich diese Tendenzen noch zwei Monate aufrecht erhalten kann, dann sieht es ziemlich gut aus für einen zufriedenstellenden Marathon in Regensburg.

Über Ziele

Trainieren heißt auch, Ziele zu haben und etwas zu tun, um diese zu erreichen. Das gilt für Sport genauso wie für andere Dinge. Ich habe festgestellt, dass Sport, bei mir das Laufen, mich vieles über sinnvolle und weniger sinnvolle Ziele gelehrt hat, auch darüber, wie man sie erreichen kann. Es gibt natürlich auch andere Systeme, die sich mit Zielsetzung und dem Management der Erreichung dieser Ziele befassen.

Ein Klassiker aus der Ausbildung für Führungskräfte ist die SMART-Methode. Ein Ziel soll folgende Kriterien erfüllen:

  • S wie spezifisch:
    Das Ziel soll spezifisch sein – also konkret und klar formuliert, so dass ich zu jeder Zeit, also auch in den Phasen, in denen ich selbst zweifle, ersehen kann, wo ich hin will und ob ich das Ziel erreicht habe.
  • M wie messbar:
    Am besten sind natürlich Ziele, bei denen man die Erreichung in Prozent angeben kann, die also quantitativ messbar sind. Allgemein sollte aber eine Messgröße – wie abstrakt sie auch sein mag – existieren, um die Erreichung des Ziels zu verifizieren.
  • A wie attraktiv:
    Lasst mich einen meiner liebsten Filme zitieren…
    „Wie bringt man eine Crew dazu, ein U-Boot zu verlassen?“ – „Wie bringt man eine Crew dazu, ein Atom-U-Boot…“ – „Sie muss da raus WOLLEN!“
    Wenn das Ziel nicht attraktiv ist, werde ich nicht motiviert sein. Ob nun der wünschenswerte, der attraktive Effekt die Vermeidung von schlechten Dingen bei Nicht-Erreichen oder die Belohnung für’s Erreichen ist, ist erstmal egal. Attraktiv wird das Ziel, weil es mir persönlich einen wünschenswerten Vorteil gegenüber der Nicht-Erreichung gibt.
  • R wie realistisch:
    Ich sage manchmal, ich scheitere oft an meinen Ansprüchen. Genau das Gegenteil ist ein gesundes Ziel. Ziele sind nur dann gute Ziele, wenn man sie auch erreichen kann – am besten, wenn man Kontrolle über ihre Erreichung hat. Natürlich ist es attraktiv, messbar und spezifisch, einen Weltrekord zu erzielen oder viel Geld zu gewinnen, aber realistisch ist es nicht (also zumindest für mich).
  • T wie terminiert:
    Es muss klar sein, wann das Ziel zu erreichen ist. Wenn das Ziel nicht mit einer Deadline versehen ist, wird es manchmal schwierig, die Erreichung hinreichend strebsam zu verfolgen. Allerdings muss man an dieser Stelle vorsichtig sein – auch die Terminierung muss realistisch sein, und zwar im Kontext aller anderen Ziele, die man erreichen möchte und muss.

Ich habe dieses Konzept schon oft erzählt bekommen, da ich Führungskräfteseminare mitmachen durfte/musste. Seltsamerweise erscheint es „logisch“, dass Personen, die in der Wissenschaft einen Doktortitel erworben haben, Führungskräfte sein sollen, können und wollen, weswegen sie auf solche Seminare geschickt werden. Das ist ein spannendes Thema für sich, da der Doktortitel (sofern es kein „h.c.“-Doktor ist) vor allem etwas über die Befähigung zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten aussagt, nicht aber über die Führung eines Teams – weder über den Willen noch über die Befähigung hierzu. Aber lassen wir uns nicht auf Abwege bringen.

Hmm… einen Abweg habe ich noch! Ich verspreche, ich verfolge ihn nur kurz. Das obige „SMART“e Ziel ist nur dann ein SMARTes Ziel, wenn es ALLE Kriterien erfüllt. Viele Ziele, die einem im Arbeitskontext vorgespielt werden, sind nur SMT. Realismus und Attraktivität (bzw. Sinnhaftigkeit) der Ziele stehen oft in Frage, insbesondere im Kontext der konkreten Terminierung. Dieses Haushalten – und damit verlasse ich diesen Abweg – wird einem beim Sport sehr deutlich vor Augen geführt, denn wenn man sich für etwas, das nix bringt und wohl auch nicht gut geht, die ganze Zeit quält, kommt nix bei raus – außer vielleicht eine Verletzung und eine Menge Frust.

Somit sind wir zurück beim Sport, der mir etwas über Zieldefinition, Streben nach der Zielerreichung und Zielqualität beigebracht hat. Darum geht es auch in dem Büchlein Mentaltraining im Ausdauersport von Constantin Doll, neben einigen anderen Aspekten. Trainingsplanung atmet sehr viel von Zieldefinition und Zielerreichung – hier beziehe ich mich auch ein bisschen auf Peter Greifs Buch „Greif – for running life“. Im (Lauf-)Sport haben wir eine recht komfortable Situation: Zeit, Strecke, Geschwindigkeit lassen sich hervorragend messen. Auch die Reihenfolge des Zieleinlaufs lässt sich hervorragend messen, aber dazu komme ich gleich noch. Das „M“ bei den SMARTen Zielen ist also kein Problem. Somit wird’s halbwegs einfach, auch das „S“, das Spezifisch-Sein, mit abzufrühstücken. Die Kunst liegt nun in „ART“, und irgendwie gefällt mir dieses Wortspiel schon jetzt sehr gut.

Was ist attraktiv im Laufsport? Genau das, was Ihr jetzt denkt, ist die Denke der meisten Leute: Oben auf einem Treppchen stehen, gewinnen! Attraktiv ist das auf jeden Fall! Ich merke es immer wieder, wie sehr die Attraktivität eines Sieges (insgesamt, in der Geschlechtsgruppe, in der Altersklasse) die Wahrnehmung von Laufergebnissen beeinflusst. Verdammt, es ist hammercool, oben auf einem Treppchen zu stehen, hab‘ ich bisher zweimal bei Läufen insgesamt (bei den Frauen) geschafft – 2019 beim Campus Run der Uni Stuttgart und 2022 bei der Bergdorfmeile. Attraktiv ist das – aber das ist nur das „A“ in der Kunst.

Realismus und Terminiertheit setzen einen wesentlich engeren Rahmen, der Siege oder Platzierungen als valide Ziele von vorne herein disqualifiziert. Denn realistisch betrachtet, ist bei einem konkreten Wettkampf (terminiert) oder bei irgendeinem Wettkampf (nicht terminiert) meine Platzierung nicht nur von meiner Leistung abhängig, sondern von der An- oder Abwesenheit anderer, stärkerer oder schwächerer Läuferinnen und Läufer abhängig. Siegen, Vorweglaufen, das kann ich situativ zur Motivation benutzen. Ich kann auch situativ sagen: Ich möchte eine bestimmte Arbeit schneller hinbekommen als die Konkurrenz. Aber was die Konkurrenz beim Laufen oder auf der Arbeit oder sonstwo tut, kann ich nicht kontrollieren. Ich habe keinerlei Handhabe über Terminiertheit und Realismus eines Sieges. Zu sagen, mein Ziel ist es, „schneller als XY“ zu sein, sofern XY nicht ich selbst zu einem bestimmten, weniger gut trainierten Zeitpunkt ist, erlaubt keinerlei Kontrolle über die Erreichbarkeit des Zieles.

So, das hätten wir also. Ein Sieg ist kein „SMART“es Ziel. Ein Ziel, das nicht „SMAR“ ist, wird kein Stück besser, bloß weil es terminiert ist, auch außerhalb des Laufens. Daher bin ich inzwischen der Meinung, wir sollten uns auf das konzentrieren, was wünschenswert und durch uns selbst kontrollierbar ist. Natürlich dürfen wir die zweite Bedeutung das „A“, die ich oben großzügig übergangen habe, nicht aus den Augen verlieren. Ein Ziel, das nicht auch ambitioniert ist, ist es nicht wert, ein Ziel zu sein.

Am Ende des Tages liegen wir also für ein SMARTes Ziel bei etwas, das wir selbst kontrollieren können, das einen Mehrwert bringt, das wir messen und beziffern und klar verstehen können und das wir zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen WOLLEN und auch KÖNNEN. Ganz typische Ziele sind nun also…

  • Auf einem bestimmten Wettkampf oder in einem bestimmten Zeitraum auf einer bestimmten Strecke eine bestimmte Zeit zu unterbieten. Es ist nicht nur valide, was ich diese Saison getan habe
    „Regensburg-Marathon 2023 am 21.05.2023 in 3:05 laufen.“
    Das ist EINE Variante eines validen Sport-Ziels. Die andere Variante habe ich auch schon ein paar Mal genutzt, so zum Beispiel:
    „Im Jahr 2019 auf der Halbmarathon-Distanz die 90 Minuten unterbieten.“
    „Bevor ich 50 werde auf der Marathon-Distanz die drei Stunden unterbieten.“
    Das sind valide Ziele, sofern sie realistisch sind – anhand meiner Vorleistungen denke ich, dass das letztere realistisch ist, das erstere habe ich bereits im Mai 2019 erreicht gehabt, und somit war es wohl realistisch.
  • Ein bisschen komplizierter, aber nicht minder SMART wird’s bei etwas anders gestrickten Zielen. Ich setze mir zum Beispiel jedes Jahr das Ziel, im Jahresdurchschnitt 20 Kilometer pro Tag zu radeln und 10 Kilometer pro Tag zu laufen. Messbar ist das auf jeden Fall, spezifisch auch, realistisch ist es nur, wenn ich nicht krank werde – Abhilfe schafft an dieser Stelle, dass ich Kranktage herausrechne und das Ziel als „10 Kilometer Laufen pro Tag, den ich nicht krank bin, im Jahresschnitt“ umformuliere – und am Ende des Jahres rechne ich ab, terminiert isses also. Aber attraktiv? Für mich schon. Ich stehe auf Zahlen. Für andere vielleicht nicht. SMART liegt also im Auge des Betrachters. Ähnlich verhält es sich beim Streak-Running, das wiederum ist für mich nicht attraktiv genug.
  • Richtig spannend wird es bei anders gearteten Zielen im Sport. Ich habe das Laufen ursprünglich angefangen, um weniger krank (durch wetterfühlige Kopfschmerzen) zu sein. Das ist spezifisch, es ist auf jeden Fall attraktiv, realistisch ist es bei meiner Art von Kopfschmerzen auch. Die Terminierbarkeit ist ein Problem, und messbar… tja, an dieser Stelle kommt Kreativität ins Spiel. Ich kopple mein Trainings- mit meinem Schmerztagebuch. Läuft! Mindestens SMAR ist das Ziel, aber die Terminiertheit ist eher so’n sliding window.

Kommen wir zu einem „verzögerten Lemma“, nämlich zu SMARTen Zielen und Peter Greif. Da kann ich Euch eine ganz spezifische Begründung geben, warum ich die Marathon-Zielzeit in Peter Greifs Countdown als überaus smartes Ziel ansehe, warum ich die Messbarkeit und den Realismus hier gut abgebildet finde: Bei Greif ist das Marathonrenntempo, gerne als MRT abgekürzt, die Seele des Plans. Tempodauerlauf, Endbeschleunigung und die Intervalle in den letzten zwei Wochen vor dem Marathon laufe ich alle im MRT. Der ganze Plan zur Erreichung des Ziels atmet eine Eigenschaft des Ziels, ich habe das Gefühl für das Ziel bis auf in der Tempotreppe JEDES Mal in den Beinen, im Kopf, auf der Uhr, wenn ich Tempo mache. Messbar und spezifisch sind hier sehr deutlich realisiert, und wenn ich mich dem Plan unterwerfe, wird der Realismus des Ziels recht schnell aufgezeigt, in die eine oder andere Richtung.

Die Sache mit „Platzierungen sind keine guten Ziele, Zielzeiten schon“, die Sache mit der Kontrollierbarkeit habe ich aus Mentaltraining im Ausdauersport. Tja, und nun die Übertragung ins andere Leben… viele Ziele, die von Führungskräften gesetzt werden, lassen die Attraktivität für diejenigen, die sie erreichen sollen, deutlich vermissen. Man glaubt oft, die Attraktivität für den, der dafür ackert, durch Druck, durch enge Terminiertheit kompensieren zu können, und tötet dann auch noch den Realismus. Oft wird auch recht vage formuliert. Aus dem Ausdauersport habe ich gelernt, solche Ziele, die es an Konkretisierung, an Attraktivität (weil sie willkürlich sind und keinen Mehrwert an sich haben) oder an Realismus mangeln lassen, zu identifizieren.

Die Defizite bei Zielen im Berufsleben betreffen oft eher SAR (Spezifischsein, Attraktivität und Realismus, wobei mir prompt Search And Rescue) einfällt, im Sport hadern wir dann doch eher mit der Kunst (Attraktivität, Realismus und Terminiertheit zu verbinden). Und ich frage mich gerade, ob ich die ganzen Klammern, die ich mit diesem Text aufgemacht habe, nun wieder zu bekommen habe.

Körpergefühl

Laufen ist ein schöner Sport. Man schnürt die Schuhe und läuft. Man atmet im Rhythmus, das Herz schlägt im Rhythmus, die Füße setzen Schritte im Rhythmus.

Natürlich sollte man nicht laufen, wenn man einen Infekt hat. Das Immunsystem wird belastet und in ganz ungünstigen Fälle könnte man sogar den Infekt verschleppen oder auf‘s Herz schlagen lassen – oder beides.

Manchmal ist es aber auch nicht so eindeutig. So ist das bei mir gerade. Ich habe keinen Infekt, zumindest habe ich kein Halskratzen, die Nase läuft nicht, Fieber habe ich nicht. Der Trainingsplan möchte 32 Kilometer von mir, die Sonne scheint. Zusammen mit zwei anderen hätte ich eigentlich meine letzten 24 Kilometer der Festive 100 zu laufen, einer von den Rapha Festive 600 inspirierte Lauf-Herausforderung auf Strava.

Aber ich tu‘s nicht. Sicher, ich bin auch faul, gerade, doch normal hält mich das nicht ab. Es ist so ein Zwischending. Irgendetwas stimmt nicht ganz, nicht dass ich krank wäre, aber es fühlt sich an, als wäre es nicht gut, jetzt zu laufen. Es gab schon Momente, da bin ich mit so einem ähnlichen Gefühl gelaufen. Selten war es dann gut. Meistens war einfach überhaupt nichts, einmal war‘s nicht so prall und hielt ein paar Tage, dann kam eine ganz krasse Formsteigerung. Ein paar Mal bin ich so gelaufen und wurde danach krank.

Inzwischen laufe ich dann meistens nicht. Der Gewinn, nicht krank zu werden, ist groß. Wenn es denn so wäre. Der Verlust, mal zwei, drei Trainingsläufe aus einem schlechten Körpergefühl heraus ausfallen zu lassen, hält sich in Grenzen. Auf dem Sofa schlafen, statt in der Sonne zu laufen, ist teils komisch, aber wenn man sich das Körpergefühl vor Augen führt, wird‘s einfach gemütlich.

Körpergefühl. Gute Sache. Ich rolle mich mal wieder auf dem Sofa zusammen, mein Mann hat mir meinen Schneeleo gebracht, und dann… gebe ich unter der Kuscheldecke meinem Körpergefühl nach. Ich muss nicht immer laufen.

Tour de Fachberater

Eine harte Woche steht kurz vor dem Abschluss. Ich hatte eine ganze Woche Fortbildung, diese fand zwar nicht allzu weit von daheim, nicht allzu viel weiter von daheim als das Büro statt, aber satte zehn Kilometer mehr sind satte zehn Kilometer mehr Anfahrt – von 40-50 Kilometern an Bürotagen komme ich da dann auf 60-70 Kilometer je Fortbildungstag. Da es eine Präsenzveranstaltung ist, ich im normalen Arbeitsalltag aber ein bis zwei Tage Homeoffice mache, ist’s nochmal ein bisschen mehr Radfahren mehr als normal.

Dazu kommt, dass ich nach meinem Riesenproblem mit der spät erkannten Borreliose im dritten Quartal letzten Jahres und wegen meiner chronisch entzündlichen Darmerkrankung meine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert habe – die Fortbildung aber eine „Vollzeit-Äquivalent-Veranstaltung“ ist. Achteinhalb Stunden Fortbildung (freilich mit Pausen, in denen aber auch Gespräche mit Kursleitung, Vortragenden und anderen Teilnehmern zum Thema der Fortbildung stattfinden), drei Stunden Radfahren am Tag, während ich sonst sechseinhalb Stunden Arbeit, eine halbe bis ganze Stunde mehr oder minder arbeitsfreie Mittagspause und zwei Stunden Pendel-Radfahrt habe.

Das merkt man. Es ist schon ein ganz schönes Brett, fünf Tage in der Woche elf bis zwölf Stunden unterwegs zu sein, davon drei auf dem Fahrrad und über acht mit Aufmerksamkeit auf ein spannendes Thema. Der Kurs ist nämlich die Ausbildung zum Fachberater im Strahlenschutz, also das Lernen der Hilfsmittel, die man hat (und braucht), wenn man den Katastrophenschutz im Falle eines kerntechnischen oder Strahlenschutznotfalls berät. Ich hoffe, das Wissen nie in der Praxis anwenden zu müssen, und bin da eigentlich auch recht zuversichtlich, aber im Zweifel ist es besser, ganz genau zu wissen, was man zu tun hat – und es auch immer mal wieder zu üben. Ich habe in diesem Bereich nun schon mehrere Schulungen genießen dürfen, teils zu neuen, elektronisch gestützten Hilfsmitteln für den Fachberater, nun zu der Papier-Version, die auch funktioniert, wenn man keine elektronischen, vorverarbeiteten Informationen höherer Stellen erhält.

Und so bin ich glücklich über diese anstrengende Woche, die zwar eigentlich nur aus Schlafen, Radfahren, Lernen und Üben, Essen und wieder Schlafen (Trinken natürlich immer zwischendurch) bestand. Auf Dauer könnte ich das nicht, aber so war es interessant, lehrreich, anstrengend und auch schön – sowohl der Kurs als auch der erhöhte Radfahranteil an meiner Woche.

[KuK] Bubble-Effect

Gestern bin ich – wie das halt so zweimal im Vierteljahr vorkommt – von der Arbeit im Homeoffice zur Nebentätigkeit in ca. 30 Kilometern Entfernung geradelt, habe dort 90 Minuten Vortrag gehalten und bei Kaffee eine halbe Stunde Fragen beantwortet und mein Fahrrad aus dem Büro des Kursleiters, wo ich’s unterstellen durfte, wieder rausgeholt. Dann bin ich heimgefahren und habe im Homeoffice noch eine Stunde gearbeitet. Etwas mehr als 6:10 Arbeit, etwas mehr als 2:00 Nebentätigkeit, knappe 70 Kilometer auf dem Rad. Fühlte sich (von einer etwas flotteren Rad-Hinfahrt, weil ich spät dran war) für mich ganz normal an. Ungefähr 47 Kilometer mit dem Rad fahre ich ja auch, wenn ich Hin- und Rückweg zum Büro (ca. 23 km eine Strecke) mit dem Rad mache.

In meinem Umfeld gibt es mindestens zwei weitere Frauen, die über 20 bzw. knapp 30 Kilometer zu ihren jeweiligen Arbeitsstätten pendeln (jeweils einfacher Weg) und das – in einem Fall mit Kindern – mit einem bzw. zwei Tagen Telearbeit in der Woche. Das fühlt sich inzwischen ganz normal an.

Gestern habe ich eine solche Aktivität (die als Aufhänger zitierte) auf Strava entsprechend kommentiert. Benannt war sie ja nur mdRnCNuz (mit dem Rad nach Campus Nord und zurück), auf eine Frage hin spezifizierte ich, was ich eigentlich getan hatte. Ein Bekannter von mir, den ich auf einem Sport-Kurs [sic!] kennen gelernt habe, meinte daraufhin: „Du bist doch verrückt.“

Das erinnerte mich daran, dass über 20 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit, nichtmal über 10 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit, eben nicht normal sind. Nur ganz wenige Leute tun das. In meinem Umfeld aber überproportional viele. Mein Mann meint schon: „Ich mache ja nicht so viel…“, wenn wir eine Gruppe aufmachen, in der die beiden genannten Frauen und ich sind. Er fährt über 10 Kilometer mdRzA und wieder über 10 Kilometer mdRnH, jeden Tag. Das ist für ihn normal.

Für die Mehrzahl der Menschen ist es das aber nicht, im Gegenteil. Für die meisten Menschen ist das undenkbar viel, ob nun mit Pedelec oder „Bio-Fahrrad“. In der Bubble vergisst man das allzu leicht.