Auf Wunsch…

Seit geraumer Weile führe ich nicht nur über mein Training, meine Krankheiten und einiges mehr Buch, sondern auch über meine Wettkämpfe. Neben der Wettkampfseite der Highway Tales gibt es auch noch meine Wettkampfdatei. Da ich diese nur selten pflegen muss, nämlich immer nur dann, wenn ich einen Wettkampf gelaufen bin, habe ich sie separat geführt. Natürlich wäre es cool, Wettkämpfe aus dem Trainingstagebuch zu extrahieren und auszuwerten. Das würde aber ein paar zusätzliche Felder bedingen, die für das alltägliche Training sinnlos sind und grundlos Platz verbrauchen. Daher die separate Datei.

So sieht die Dateneingabe aus. Was grau hinterlegt ist, kann nicht geändert werden (ich habe die Zellen gesperrt und das Blatt geschützt). Ich gebe die Wettkampfdistanz ein, die Zeit, in der ich sie absolviert habe, den dabei überwundenen Anstieg in Höhenmetern und den mittleren Puls über den Wettkampf. Dazu noch ein paar Daten zur Platzierung, das Datum und der Name des Wettkampfes. Daraus werden die Pace in Zeit, die Pace in Minuten pro Kilometer mein Formschätzer PRAPP berechnet. Außerdem gibt es noch ein Feld, in dem für als „aktuell“ definierte Wettkämpfe die Pace steht und für andere der Fehlercode „#NV“. Das Datum, nach dem ein Wettkampf als aktuell gilt, kann ich einstellen.

Die 10-km-Äquivalenz-Pace ist schon ein abgeleiteter Wert. Dabei benutze ich eine Best-Fit-Kurve an meine Personal Bests, um die Leistung auf eine 10-km-Pace zu „normieren“. Mit diesem Wert kann ich dann eine Zeitleiste erstellen, in der alle meine Wettkämpfe über die Zeit hinweg mit einem „neutralisierten“ Tempo betrachtet werden, so dass Marathon und Vier-Kilometer-Lauf (näherungsweise) vergleichbar werden, in dem man sie auf 10 km umrechnet.

Klingt komisch, ich weiß. Aber es funktioniert. Dafür benutze ich die Formel nach Steffny und Riegel. Eine andere Erklärung zum Thema findet man hier. Was behauptet diese Formel nun? Ganz einfach – sie geht davon aus, dass man mit der Streckenlänge langsamer wird. So weit, so Binse. Das Modell sagt nun, dass dieses langsamer Werden als Ermüdungskoeffizient dargestellt werden kann. In Worten: Die bestmöglichen Wettkampfzeiten verhalten sich wie die Wettkampfdistanzen potenziert mit dem Ermüdungskoeffizienten. Also zum Beispiel

Zeit(Strecke1) / Zeit(Strecke2) = (Strecke1 / Strecke2)Ermüdung

Der Clou daran ist, dass beim Betrachten von Weltbestzeiten (auch und insbesondere Altersklassen-Weltbestzeiten, beide Geschlechter) für die Autoren des Modells der Schluss nahe lag, dass dieser Ermüdungskoeffizient konstant bei ungefähr 1,07 liegt. Das wollte ich für mich selbst genauer wissen – denn vielleicht habe ich ja ein Talent für die Langstrecke – oder eines für die Kurzstrecke. Ich habe die Formel etwas griffiger für mich in „Pace“, also das Läufertempo umgerechnet. Dafür teilt man einfach das obige durch Strecke1 / Strecke2.

Pace(Strecke1) / Pace(Strecke2) = (Strecke1 / Strecke2)Ermüdung-1

Der Exponent sollte also 0,07 sein, wenn Steffny, Riegel (und Greif war glaub‘ ich auch mit von der Partie) recht haben sollten. Ich rechnete den ganzen Kram also nochmal um, um ihn an meine persönlichen Bestzeiten anzupassen, und nahm als Referenzwettkampfstrecke den „Einer“, also den LC1000 nach der Laufcampus-Methode. Wer will, kann als Referenz den Fünfer, den Zehner oder die „Magic Mile“ nehmen, es bleibt sich gleich. Im Endeffekt steht dann (bei mir) da:

Pace(Strecke) = 1RT * (Strecke / 1 km)Ermüdung-1

Diese Formel kann ich auf alle meine Wettkampfpaces anwenden und bekomme ein Ein-Kilometer-Renntempo (1RT) und einen Exponenten Ermüdung-1 als Fitergebnisse. Das geht einerseits numerisch, wenn ich es logarithmiere, kann ich aber sogar lineare Regression mit analytischer Lösung drauf anwenden – das hat den Vorteil, dass ich beim Eintragen eines neuen Personal Best nicht manuell den numerischen Fit anwerfen muss, sondern meine Steffny-Riegel-Kurve automatisch aktualisiert werden kann. Und so sieht das dann aus:

Im obigen Diagramm steht jeder blaue Punkt für eine Wettkampfleistung von mir, jeder grün hinterlegte Punkt für eine meiner Wettkampfleistungen seit dem 01.10.2023 und jede rot umrandete, blaue Raute für eine persönliche Bestleistung. Marathon-, Fünfer- und Fünfzehner-PB sind also aktuell. Die gelbe Kurve ist die Steffny-Riegel-Funktion angepasst an meine persönlichen Bestleistungen (rotgeränderte Rauten), also meine ganz persönliche Ermüdungskurve. Sie suggeriert ein 1RT von 3:22, also dass mein schnellster Kilometer in 3:22 gelaufen wäre. Das kommt in etwa hin, wenn ich gut drauf bin – 3:17 habe ich schonmal geschafft, meistens dümpele ich irgendwo um die 3:25, wenn ich normal drauf bin. Der Exponent ist 0,0685, also sogar etwas flacher als bei der Kurve, die die Sportwissenschaftler und Trainer von den Weltbestleistungen abgeleitet haben. Das liegt natürlich auch am grandiosen Marathon dieses Jahr, vor den 3:06:06 in Kandel lag der Exponent noch eher im Bereich von 0,075, ich hatte also einen stärkeren Ermüdungskoeffizienten als das Modell.

Mit dem 1RT setze ich auch regelmäßig über einen „LC1000“ meine Wettkampftempi neu, ich experimentiere gerade mit einer Neubestimmung in jeder vierten Woche. Mit der Formel 1RT mal Distanz in Kilometern hoch Ermüdungskoeffizient bestimmte ich dann 5RT, 10RT, HMRT und MRT, und damit meine Intervall- und Wiederholungstempi und meine Wettkampfprognosen. Da ich aber dem Frieden noch nicht traue, gehe ich immer noch eher konservativ von einem Ermüdungskoeffizenten von 0,08 (bzw. in der Formulierung von Steffny und Riegel 1,08) aus, um meine Wettkampfprognosen in leichtem Understatement zu halten, damit der Druck von selbst auf selbst nicht zu hoch wird. Mit der gelben Kurve rechne ich dann auch das Zeitleistendiagramm auf 10-km-Pace um, da nutze ich aber das Ergebnis des Fits.

Der momentane Wert von 0,0685 bzw. 1,0685 für den Ermüdungskoeffizienten weist mich als eher langstreckenaffin aus.

Ich hoffe, Martin, der sich eine Erklärung hierzu auf Strava gewünscht hat, kann mit dieser Erklärung etwas anfangen.

7 Kommentare zu „Auf Wunsch…

  1. Sehr Interessant, Talianna. Das 10K Äquivalent zu errechnen ist wirklich smart, also alles auf einen Nenner zu bringen. So wie ich dann z.B. deinen Lauf in Zeile 7 interpretiere, wäre z.B. dort noch Potential nach oben gewesen, das in Zeile 5 beim Optimum liegt.

    Ich habe jetzt mal meinen Ermüdungsexponenten errechnet anhand meiner Bestzeiten. Beim Vergleich von 5K auf 10K liegt dieser bei 1,07. Beim Vergleich von 10K auf 21K bei 1,04. Beim Vergleich 21K auf 42K dann auffallend bei 1,22. So wie ich das sehe müsste der doch gleich bleiben, oder? Auch wenn ich z.B. 10K mit den 42K vergleiche, kommt eine 1,11 raus, also weit über den 1,07. Ich interpretiere das momentan also extremen Abfall bei Langstrecken, oder? Liebe Grüße, Martin

    1. … also im Prinzip müsste ich bei einem 1,07er Exponenten auf den Marathon eine 2:50 laufen können, das ist schon krass. Wenn ich aber die klassischen Hochrechnungen nehme nach Greif oder Steffny, dann müsste ich gemäß a0K und 21K Zeiten auf etwa eine 2:57 kommen. Wobei Greif das kritischer sieht bzw. das Trainingspensum mit einbezieht bei seiner Prognose. So oder so, bei mir hört jegliche Prognose bei 21K definitiv auf, die 42 sind völlig unkalkulierbar, während die Prognosen bei anderen Läufer*Innen haargenau passt. Ich bin immer wieder verblüfft, wie viele Läufer*Innen die Sub 3 in der letzten Zeit mühelos geschafft haben und nicht mal ansatzweise nach Greif trainiert haben.

      1. Joah, auf der ganz langen Strecke ist tatsächlich entscheidend, dass man den für sich passenden Plan hat. Ich glaube nicht, dass Greif für jeden das richtige ist, aber Endbeschleunigung ist das Ding, das bei mir von 3:18 auf 3:06 geführt hat. Aber Du siehst, bei mir ist die Kurve von 4 bis 15 Kilometer auch deutlich flacher, ab 15 wieder steiler. Das war dann die weiter unten beschriebene Parabel, inzwischen geht es mit der Ermüdungsexponentenformel bei mir ganz gut. Aber der Vierer, der Fünfer und der Marathon liegen über der Kurve (langsamer), die mittleren Langdistanzen von 10 bis 21,1 km sind tendenziell eher drunter, wenn auch nicht so krass, wie das bei Dir für den Marathon gilt.

        Wichtig ist auch zu betrachten: In einer Marathon-Vorbereitung kann viel mehr schief gehen, weil sie länger geht, als die Vorbereitung für eine kürzere Strecke. Außerdem versucht man das seltener, so dass sich zufällige Effekte (Krankheiten, Wetteraspekte, Schicksalsschläge) weit weniger herausmitteln als bei Unterdistanzen, bei denen man a) häufiger probiert und b) sowieso schon aufgrund der kürzeren Aufbauzeit weniger anfällig für Störungen in der Vorbereitung ist. Mein Zehner-PB ist ein „Best of 11“, mein Marathon-PB ein „Best of 5“.

    2. Hallo Martin,

      der obige Ausschnitt ist nur zur Demonstration. Ich habe die Zehner bei den Zeilen weggeschnitten, beim Screenshot machen, und runtergescrollt, um die (eingefrorene) Erläuterungs-Titelzeile sichtbar zu machen. In der Datei sind inzwischen 63 Wettkämpfe erfasst – in den Zeilen 4 bis 67. In dieser Liste werden ALLE Wettkämpfe erfasst, aus denen wird dann in einer separaten Liste für bestimmte Distanzen das Personal Best bestimmt. Diesen Screenshot hatte ich weggelassen. Aus der Liste, die ich als Ausschnitt im Beitrag habe, werden also über die Funktion MINWENNS die schnellsten Zeiten für jeweils eine Wettkampfdistanz extrahiert – und das sind die Personal Bests. Personal Bests bestimme ich allerdings nur für die meisten, nicht für alle Distanzen. Über die 5,5 km meines ersten Wettkampfs – eines B2Run übrigens – führe ich keine Bestzeitenzeile. In der Zeile 67, die hier durch das Abschneiden als Zeile 7 erscheint, steht die diesjährige Badische Meile – weit vom PB entfernt (1:33 langsamer), in der scheinbaren Zeile 5, ohne Abschneiden 65, steht der diesjährige Rißnertlauf, mein PB auf 15 km (wenn ich auch nur 14 Sekunden besser war als letztes Jahr).

      Ich rechne nicht den Ermüdungsexponenten von Distanz zu Distanz aus, sondern mache einen Best-Fit der Ermüdungskoeffizienten-Formel an alle meine (mit der MINWENNS-Funktion aus der Wettkampfliste extrahierten) Bestzeiten (bzw. fast alle, ich habe mir ein Tool geschaffen, mit dem ich einzelne Distanzen, die zwar mit Bestzeiten erfasst werden, aus dem Fit heraushalten kann – weil sie vielleicht spezielle Bedingungen beinhalten, wie Berglauf). Sofern das Modell ganz gut passt, kommt dann eine für die gesamte Spanne der Distanzen optimiertes Parameterset des Modells heraus.

      So, wie das bei Dir aussieht – also mit einem deutlich steileren Anstieg der Pace beim Marathon im Verhältnis zu den Unterdistanzen – sah es bei mir auch eine Weile aus. 2019 lag der Marathon noch bei 3:18, die anderen Bestzeiten waren nicht weit vom aktuellen Stand weg. Da ich allerdings bis zum Mannheim-Marathon 2022 ebenfalls mit einer deutlichen Underperformance auf meiner längsten Strecke unterwegs war, hatte ich bis dahin noch eine Art „Parabel“ drin, die ich aber numerisch durch Minimierung der Summe der quadratischen Abweichungen anfitten musste – das geht mit dem numerischen Minimierer von Excel, aber man muss es manuell anstoßen. Diese Funktion trug der „Krümmung nach oben“ Rechnung, die meine Bestzeiten im Langstreckenbereich machten – und bei Dir noch immer machen, wie Du es beschreibst.

      Ich gucke mal, dass ich die Bestzeiten-Liste, die mit dem bedingten Minimum aus der Gesamtliste extrahiert wird, nochmal als Screenshot hier herein nehme.

      Aber nun gucke ich erstmal den weiteren Kommentar an, der wohl während meines Tippens hier reinkam.

      Viele Grüße

      Talianna

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