Digga-Creole

Ich scheine alt zu werden.

In der Serie „The Expanse“ (und der Buchvorlage, die ich aber nicht gelesen habe) sprechen die auf Raumschiffen, Asteroiden und Raumstationen lebenden Menschen eine ganz eigene Sprache. Diese hat sich natürlich aus den Sprachen der verschiedenen Menschen entwickelt, die an der Besiedelung des Asteroidengürtel, in der Serie nur als „der Gürtel“ bzw. „the Belt“ referenziert, beteiligt waren. Sie zeichnet sich durch eine weitgehend englische Grammatik sowie Lehnwörter aus verschiedenen Sprachen aus, oft vereinfacht und verfremdet. Gelegentlich werden wichtige Worte auch betont, indem sie quasi doppelt benutzt werden – wie zum Beispiel „Ereluf“, das aus „Air“ und „Luft“ entstanden zu sein scheint und für Luft steht. Klar: Im Weltraum ist Luft nicht das, was uns umgibt, sondern eine knappe, zu schützende Ressource von absoluter Lebensnotwendigkeit. So ganz nebenbei hat die Sprache Konnotationen angenommen, die den speziellen Bedingungen Rechnung tragen – zum Beispiel hat man auf einem Schiff abseits größerer Gravitationszentren („Gravity Well“, daher der Begriff „Welwalla“, Person einer Schwerkraftsenke, meist abfällig im Sinne von „Verräter“ oder „Feind“ gebraucht) nur dann „Schwerkraft“, also eine Fallbeschleunigung, wenn man beschleunigt oder verzögert. Exzessiv vom Charakter Camina Drummer benutzt, ist „Felota“ (verfremdet „floating“, also treibend) also ein Fluch. Vereinfachend bezeichnen sich die Menschen des Gürtels gerne als „Belta“, in der Mehrzahl dann „Belta“ oder betont „Beltalowda“, Leute des Gürtels. Diese Gruppenbezeichnung lässt sich auch auf andere Gruppen anwenden, z.B. sind die Bewohner der inneren Planeten Mars und Erde die „Inneren“ oder „Inyalowda“, in diesem Falle unabhängig davon, ob sie gerade im Weltraum unterwegs sind – Beltalowda und Inyalowda sind also gewissermaßen Ethnien, die auch Zugehörigkeit zu einer Nation implizieren.

…und nun hatte ich vor einigen Wochen zusammen mit meinem Kopeng nach dem Schwimmen eine Begegnung der dritten Art. Wir kamen gerade aus dem Hallenbad und schlossen unsere Räder auf, um zu mir nach Hause zu fahren und „The Expanse“ anzuschauen. Auf der Absperrung vor dem Radständer saßen zwei junge Männer im Teenager-Alter, zu deren Sprache ich einen ähnlichen Zugang wie zum Belta Creole habe:

Nahezu jeder Satz begann oder endete mit der Anrede „Digga“, die Grammatik klang für mich stellenweise schräg, und wie beim Belta Creole schienen auch zur Ausdrucksweise gehörende Gesten eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen. Auch das ein oder andere Lehnwort war dabei, mit dem ich nichts mehr anfangen konnte. Da kam mir eine Assoziation…

…und ich musste mich echt, echt bemühen, diese nicht zu meiner und meines Kopeng Belustigung direkt herauszuposaunen, denn nur, weil jemand durch die Entwicklung seines Lebens, durch die Umgebung und das soziale Ökosystem, in dem er oder sie aufgewachsen ist, anders ist oder anders spricht als ich, sollte ich diese Person weder verurteilen noch lächerlich machen. Aber so ganz konnte ich mir dann doch nicht verkneifen, die Sprache der beiden jungen Herren im Nachgang als „Digga Creole“ zu bezeichnen.

Die richtige Antwort darauf wäre vermutlich, mich als „Pampa“ zu bezeichnen, das mehr oder minder dem informellen „Alda“ entspricht, auch wenn es sich bevorzugt an männliche, ältere Gegenüber derselben Fraktion richtet, aber nicht zwingend den die Gemeinsamkeit betonenden Unterton eines „Beratna“ (oder einer „Sesata“, Bruder bzw. Schwester) hat. Es wird nicht ganz einfach werden, wenn ich mal wieder so ein Gespräch mitbekomme, sich nicht mit einem „Oye, Diggalowda“ Gehör zu verschaffen, um ein Argument einzubringen…

Aber ich sollte es wohl lassen. Denn ich bin vermutlich das Äquivalent einer „Inneren“, einer Angehörigen der „Inyalowda“, in diesem Falle. Denn Sprache entwickelt sich am Umfeld, und das ist nur für die schlimm, die sich abgehängt fühlen – auch wenn gewisse Rückstellkräfte für den Erhalt der Verständigungsfähigkeit sicher nicht ganz unbedeutend sein dürften.

5 Kommentare zu „Digga-Creole

    1. Ich trauere ja immer noch dem kongenialen Duo Camina Drummer und Klaes Ashford nach. Die beiden zusammen hätten die Welt aus den Angeln heben können, wenn Camina nicht diesen einen blöden Fehler gemacht hätte…

        1. Ich persönlich habe als Lieblingsfiguren Miller, Camina Drummer, Bobby Draper und Chrisjen Avasarala identifiziert. Das ist natürlich nur mein Geschmack. Interessant daran ist sicher, dass keine davon zu den Besatzungsmitgliedern der Rocinante gehört… aber so ist das nunmal. Vermutlich hätte es Ashford auch auf meine Liste geschafft, wenn die Zusammenarbeit mit Drummer länger angehalten hätte. Den gestiefelten Kater find ich einen genialen Antagonisten, den hasse ich leidenschaftlich.

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