Diesen Satz, diese Frage hatte ich in meinem Beitrag formuliert, der sich mehr oder minder an einem Fundstück aufhängte – einer Tasse vom Weihnachtsmarkt der Stadt, in der ich aufgewachsen bin.
Ich wurde darauf hingewiesen, dass ich die Frage gar nicht beantwortet habe. Das ist wahr. Ich bin in das Fundstück und die Vergangenheit abgeglitten. Man kann die Frage so einfach wie unzureichend beantworten, flapsig:
Zuhause ist, wo das Smartphone sich automatisch mit dem WLAN verbindet.
Klingt nett, ist aber eine unzureichende Definition. Davon gibt’s einen Haufen. Also was ist Zuhause eigentlich? Gerade „frisch ausgezogene“ junge Erwachsene sprechen ja gerne von „Zuhause“, wenn sie zu ihren Eltern fahren. Wie ich im vorherigen Beitrag schrieb, war das für mich bald nur noch eine Worthülse, die den Inhalt des Wortes „Zuhause“, meinen ganz persönlichen Inhalt von „Zuhause“, nicht mehr enthielt.
Zuhause ist also ganz offenkundig nicht „Herkunft“ für mich. Zuhause ist auch nicht einfach nur der Ort, an dem ich gerade üblicherweise schlafe. Zuhause verbindet für mich Sicherheit und Wohlgefühl. Vieles spielt hinein:
- Dort, wo ich mich stundenlang in die Badewanne lege, mit Teelichtern, und weiß, dass wer mich stört, das auch darf.
- Es klingt ein bisschen komisch, aber auch der Ort, an dem es mir egal ist, wie ich aussehe, an dem mein kunstvoll gepflegtes Selbstbild, mein Ego-Image, keine Rolle spielt. Eine Komponente davon wird vom Begriff „bra-free zone“ erfasst, aber es ist natürlich mehr als das.
- Der Ort, an dem ich ohne mit der Wimper zu zucken meine Bettdecke aus dem Bett auf’s Sofa hole.
Meine Studentenbude war, am Ende, als ich in den letzten Zügen der Promotion war und drauf und dran, zu meinem damaligen Freund, jetzigen Mann zu ziehen, nicht mehr Zuhause. Es gab nicht mehr dieses Vorgefühl der Erleichterung, wenn ich dort um die Ecke kam. Auch unsere jetzige Wohnung hat eine Weile gebraucht, Zuhause zu werden – zeitweise, um Umzug begriffen, ist Zuhause eine Erinnerung an das, was die vorherige Bleibe hoffentlich mal war und die künftige hoffentlich mal ist. Zuhause ist, wo ich sein will, wenn ich krank bin, oder deprimiert.
Zuhause ist, wo Dinge offen herumliegen, die mir anderswo und eigentlich überall peinlich wären, wo ich diese Peinlichkeit aber achselzuckend abtun kann. Zuhause ist, wo ich all den Ballast bunkere, den ich mit mir herumschleppe und nicht weggeben will – physisch, mental, emotional.
Dieser Ort, dieses Zuhause, kann nie sehr groß sein. Dauerbewohner, die einen gewissen Grad der Nicht-Vertrautheit für mich überschreiten, gibt es da nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob vollständig jede Ecke der Wohnung, in der mein Mann und ich wohnen, vollständig das Gefühl von „Zuhause“ bedient. Manchmal ist mein Zuhause nicht einmal ganz Zuhause, wenn auf einer Party viele Leute dort sind – sondern erst wieder, wenn der vertraute Bodensatz der alt gewordenen Party noch da ist – oder wenn mein Mann und ich, gegebenenfalls noch mein bester Freund und Nennbruder im Chaos nach der Party ans Aufräumen gehen.
All das sind nur Komponenten, doch das Gefühl „Zuhause“ ist mehr als die Summe seiner Teile – und es braucht oft nicht einmal eine Komponente zu fehlen, um das „Zuhause“-Gefühl verschwinden zu lassen. Dennoch ist diese Fragilität von Zuhause nicht beängstigend. Im Gegenteil: Sie macht das Zuhause zu etwas ganz Besonderem, zu einer Resonanz zwischen mir und Zuhause. Es braucht, dass sich die Frequenzen einstellen, die Resonanzen ausbilden können. Aber wenn’s da ist, ist es das Schönste auf der Welt.