Winterlaufserie Rheinzabern – Zehner

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Eigentlich… ja, eigentlich hatte ich mich für die Winterlaufserie in Rheinzabern ganz bewusst entschieden. Sowas strukturiert den Aufbau in Richtung der Marathonvorbereitung für das späte Frühjahr. Ein Zehner im Dezember, ein Fünfzehner im Januar, ein Zwanziger im Februar. Standortbestimmungen, Tempodauerläufe, Wettkampffeeling für aktuelle Erfahrung mit Wettkampfatmosphäre einerseits und Motivation andererseits. Mit dem Herbstlauf in Ötigheim gibt’s dann noch eine Erweiterung: Fünfer, sechs Wochen, Zehner, vier Wochen, Fünfzehner, vier Wochen, Zwanziger.

Die letzten paar Wochen waren aber, wie heute morgen gepostet, echt schwierig, was die Motivation anging. Vielleicht sind sechs Wochen nach dem Herbstlauf auch einfach zu lang. 15 Mal 600 Meter im Zehner- oder besser im Fünfer-Renntempo? Tempofixierung mit sechs Mal 1000 Meter im Zehnerrenntempo? Tolle Vorbereitungselemente für einen Zehner, wenn man sie macht. Ich hatte keine Lust, keine Motivation, keine Energie. Ich wollte nicht, ich machte sie nicht. Ich hatte schon überlegt, den Zehner wegen glatter Straßen, Kälte und keine Lust sausen zu lassen. Ich-ich-ich… wie mein Laufpartner Michael F. heute auf seinem Shirt stehen hatte: „Das Mimimi stark in Dir ist!“

Dann die Wende: Ich lese ein letztes Mal die Teilnehmerliste, am Vorabend des Wettkampfs. Da stehen Merle Brunnée drin, und Sabrina Mockenhaupt-Gregor… Sabrina Mockenhaupt-Gregor? W40? Ahhhhhhh… mit Mocki auf dem Podium stehen, hinter ihr auf die Plätze zu laufen, wenn das mal kein Antrieb ist… ich war völlig aus dem Häuschen, nervös, vorfreudig, begeistert, ängstlich: Schaffe ich das überhaupt, in Rheinzabern, wo die schnellen Leute laufen, bei Anwesenheit einer vielfachen deutschen Meisterin auf das Altersklassenpodium? Bin ich zu schlecht? Ich muss es mindestens versuchen!

Tja, Wechselbad der Gefühle und am Ende stand ich doch wieder mit richtiger Wettkampfstimmung, leichtem Druck, großer Nervosität und mächtiger Vorfreude an der Startlinie. Nach kurzer Inspektion der Zielgeraden und der Versicherung des Veranstalters hatte ich mich dafür entschieden, nicht auf Trailschuhen (Altra Lone Peak) zu laufen, auch nicht auf meinen Marathon-erprobten leichten Lieblingsschuhen (Altra Escalante Racer), sondern auf Carbon… Altra Vanish Carbon! Direkt am Anfang variierte meine Stimmung zwischen „Ist das schei… mistig kalt!“ und „Das ist zu schnell!“ und „Viel zu langsam, du strengst dich ja gar nicht an.“ Als Grundrauschen war’s noch dazu wohl dem Next Gen Stryd zu kalt, auf dem ersten Kilometer detachte er sich dreimal von Uhr, bevor er dann zuverlässig funktionierte. Ich checkte dann bei Kilometer drei mal die bis dahin absolvierte „Runde“: ca. 30-50 Meter weniger auf der Uhr angezeigt, als die Kilometermarkierung, durchschnittliche Pace bis hierhin: 3:59/km. Yeah. Weg mit all den Zweifeln, das läuft! Wenn nur die Hände nicht so absurd kalt wären, trotz Handschuhen!

Das wurde dann besser, bei Kilometer sechs. Ich hing zwischen ein paar keuchenden Männern in einer Gruppe aus vier Frauen – eine recht jung, eine wuschelig lockige von der LG Region Karlsruhe, eine weitere – und ich. Regelmäßig die kalte Luft tief einsaugend, die meiste Zeit sehr sicher, dass die weichen, sich schnell abreibenden, aber anschmiegsamen Sohlen meiner Altra Vanish Carbon das fies heftige Drehmoment durch den mit Carbon-Platte verlängerten Hebel zuverlässig auf den weitgehend trockenen, kalten Asphalt brachten, weiterhin voll auf Kurs für ca. 40 Minuten auf zehn Kilometer. An Platzierung, an Sabrina Mockenhaupt-Gregor, an Podium dachte ich da nicht mehr. Ich war im Flow. Es lief, wie von allein, nicht zu schwer, aber auch eigentlich fluffig-leicht. Runner’s High, das pure Glück in der Leichtigkeit eines schnellen Laufes, der sich gar nicht mehr so schnell anfühlt.

Auf der Wendepunktstrecke, am Ziel vorbei, Richtung Jockgrim und dann wieder zurück, noch immer genau auf dem Strich knapp unter 4:00/km, fragte ich mich: „Musst’de dich nochmal strecken, um unter 40 zu bleiben? Aber selbst wenn, lohnt. Unter 40 is’n Ding!“ Dann sah ich Sophia Kaiser auf der anderen Fahrbahnseite, die schon wieder Richtung Rheinzabern unterwegs war, freute mich – dann droppte schlagartig die lockige LG-Region-Läuferin vor mir raus. Eben war sie noch mit zuverlässigen 4:00/km unterwegs, wie ein Uhrwerk, plötzlich langsamer – ich lief vorbei: „Das war zu leicht…“, wende mich um: Sie ging nur noch! Oh schade für sie, aber mein Tempogefühl trügte nicht, ich überpacte nicht aus Übermut! Dann war ich voll im Tunnel, irgendjemand brüllte mir Anfeuerung zu, keine Ahnung, wer, wie im Flug vergingen die letzten 1500 Meter – und dann runter, durch die Radwegunterführung und hoch zum Ziel… 39:42 steht über dem Ziel! Bruno vom Oberwald parkrun ist da, feuert mich an, 39:49 und die Sekunden ticken.

Und dann war ich im Ziel! Emma Simpson-Dore war da, war ein Stück schneller gewesen, ich gratulierte ihr, erinnerte mich, sie auch auf der Wendepunktstrecke im Gegenverkehr gesehen zu haben. Holte Tee… 39:55. Neununddreißigfünfundfünfzig, Platz 1 W40 sagte mein Mann! Mocki war nicht da, erkältet, hatte er gelesen. „Egal, hat sie mich aus der Ferne motiviert!“

Etwas später sagte ich dann noch: „Die Motiv-Säure ist wieder dissoziiert… es gibt wieder Motivat-Ion!“ Dummer Witz, freilich, aber hey: Wenn man gerade gelaufen ist, verzeihen sie einem sogar MEINE Sprüche. Dann gab’s erstmal Kaffee und was zu futtern, Rindswürstchen wie immer in Rheinzabern, treffen und grüßen mit vielen Leuten, Siegerehrung.

Nun sitze ich hier und freue mich. Mag sein, dass die letzten paar Wochen schwierig waren in Motivation und Wetter. Aber ich kann’s noch. Das Läuferleben ist schön!