Kompensation

Sport ist für mich eine Leidenschaft – geworden. Vor allem aber erfüllt Sport für mich eine andere Aufgabe, zumindest derzeit. Es geht dabei um Kompensation von Stress. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte ein Tag wie gestern auf der Arbeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Kopfschmerzen geführt. Ich habe die Ansätze gestern deutlich gespürt.

Was gestern los war? Nun… das ist schwer zu schreiben, ohne dass ich konkreter werde, als ich eigentlich darf. Daher entschuldige ich mich hiermit für das Unkonkrete und erkläre es wie folgt: Ich bearbeite seit viel zu langer Zeit zwei (ein wenig) komplexe Verfahren, die leider durch eine Vielzahl an Beteiligten, die aus meiner Sicht teilweise unvernünftig agieren, von „komplex“ zu „unnötig und frustrierend“ verkompliziert werden. Gestern landeten von beiden neue Schritte auf meinem Schreibtisch, dazu war das Timing blöd und eine Sitzung kam auch noch dazwischen. Ich kam also übel verspannt, mit Sitzungskeksen und Kaffee auch noch über den Tag ungut ernährt und frustriert aus dem Büro. Früher war das ein 100%-Ausfall-Urteil für den Folgetag.

Aber es war Dienstag. Ich traf mich also regulär mit meinem Mann nach der Arbeit beim Fitnessstudio in Au am Rhein. Von der Haltestelle in Durmersheim stürmte ich fast vier Kilometer weit in flottem bis schnellem Tempo zum Studio, legte an den meisten Maschinen die obere Grenze des Gewichts auf, das ich normal bewege, und machte überall das Maximum an Wiederholungen, die ich normalerweise mache. An ein, zwei Maschinen war’s auch mehr Gewicht oder waren es auch mehr Wiederholungen als normal auf meinem Plan. Der Frust, die Wut, der Ärger sind kein besonders guter Treibstoff, aber ein ganz passabler Turbolader. Somit powerte ich mich richtig aus, es war richtig anstrengend – mehr als sonst. Als ich dann noch kurz an der Theke bei meinem Mann und der jungen Frau, die Dienstagsabends dort die Theke betreut, auf das Freiwerden der Abduktoren-Maschine wartete, meiner letzten Übung, war schon klar: Der Frust war in Zorn verwandelt worden und der Zorn mit dem Krafttraining verraucht. Auf dem Heimweg – ich zu Fuß, mein Mann auf dem Rad – war’s dann schon wieder ein langsamer Aufbau guter Laune, auch wenn die Themen nochmal aufkamen und ich merkte, mental ist das Ganze noch nicht ganz ausgestanden.

Die Nacht war dann auch nicht ganz so gut wie erhofft, aber die Verspannung, die ich gestern auf der Arbeit schon kommen gespürt hatte und die sich schon nach „Kopfschmerz-Totalausfall“ anfühlte, war weg. Auch jetzt bin ich ein bisschen müde, weil ich unruhig geschlafen habe, auch nicht ganz so locker, wie ich das gerne wäre – aber weit entfernt von einem Kopfschmerz-Anfall. Sport funktioniert also als Kompensation – vorbeugend, um einerseits kontinuierlich ein bisschen Dampf abzulassen, aber auch die Muskeln so zu trainieren, dass sie stark genug sind, um nicht mehr so sehr zu Verspannungen zu neigen. Sport funktioniert aber auch – wie gestern – als Überdruckventil.

…und das ist doch mal was!

Prophezeiung

Nachdem ich einer meiner besten Freundinnen am Freitag von meinem Sturz erzählt hatte, gab sie eine Prophezeiung ab. Sie war diesen Winter schon einmal gestürzt und hat danach von ihrem Physiotherapeuten die Ansage bekommen, so richtig zeige sich erst nach ein bis zwei Tagen, wie schlimm es sei. Ich gebe sehr viel auf ihre Ratschläge und Kommentare, denn sie ist zehn Jahre älter als ich, hat zwei Töchter, die manchmal etwas speziell sind und hat zudem auch in Sachen Krankheit schon einiges durchgemacht. Lebenserfahrung pur und dazu kennt sie mich sehr gut. Doch dieses Mal habe ich mir gesagt: „Ich treibe Sport, ich trainiere meine Rumpfmuskeln und ich laufe, ich krieg‘ das hin. Ich liege nicht mit Verspannung rum, von dem Sturz. Nein!“

Nun. Wie soll ich sagen? Die kurze Antwort ist: Doch. Sie hatte recht. Ich lag mit Verspannung herum. Nachdem ich den ganzen Freitag über wohl noch auf dem Adrenalin des Sturzes irgendwie den Tag überstanden habe, eine Strahlenschutzunterweisung auf der Arbeit für das ganze Institut durchgezogen habe und abends dann auch noch auf der Weihnachtsfeier war, musste ich eingestehen: Ich hatte den ganzen Tag, immer, wenn es etwas ruhiger wurde, mein Herz heftiger pochen gespürt als normal. Immer mal hatte es am Knie wehgetan.

Aber erst am Samstagmorgen wurde so richtig klar, dass es noch nicht ausgestanden war. Klar, die Wunde am Knie nässte noch, aber ich hatte auch Spannungskopfschmerzen. So richtig krass – und Laufen, um sie wegzukriegen, war leider nicht drin. Dafür tat die Abschürfung am Knie noch zu sehr weh, bei Bewegung. Also lag ich den ganzen Samstag mit brutalen Kopfschmerzen aus Verspannung heraus im Bett. Heute geht es mir wieder besser und auch die Abschürfung am Knie ist kleiner geworden. Die Blutergüsse am Knie – nicht so groß, aber halt eben doch da – sind mittlerweile nicht mehr rot oder blau, sondern schwarz, werden sich wohl bald verflüchtigen – und die Abschürfung heilt auch zu, zumal ich nun aus dem alten Verbandskasten des Autos meines Mannes, der wegen einiger abgelaufener Komponenten ausgemistet und dann vom Auto ins Badezimmer verbracht wurde, das entsprechende Verbandsmaterial benutzt habe.

Heute geht’s mit der Familie meinen Geburtstag im Restaurant vorfeiern und ich freue mich schon drauf – sicher, ich werde den Sturz beim Gang zum Buffett immer wieder etwas spüren, aber mindestens in Sachen Verspannung und nässender Abschürfung bin ich über den Berg.