Ich hatte während meines Urlaubs zwei sehr unterschiedliche Fahrerfahrungen auf Autobahnen mit zwei Fahrstreifen je Richtung. Eine davon war die niederländische A7 über den Abschlussdeich und anschließend über Groningen nach Leer. Die andere war die deutsche A1 von Bremen nach Münster.
Das mag nun für all die Deutschen ein wenig ernüchternd sein, die gerne die Niederländer als wenig gute Fahrer darstellen – denn nach meiner Erfahrung auf einer niederländischen, flachen Autobahn mit zwei Spuren und einer gleichartigen deutschen, jeweils unter der Woche bei LKW- und PKW-Verkehr, außerhalb der Stoßzeit, wirft auf den Verkehr in Deutschland kein so gutes Licht. Aber der Reihe nach:
Auf der niederländischen A7 von Amsterdam nach Leer waren reichlich LKW verschiedenster Nationalität unterwegs, dazu eine Menge PKW, die meisten davon niederländische. An vielen Stellen gab es keine zusätzliche Begrenzung zu den in den Niederlanden 130km/h Tempolimit auf Autobahnen. Wenn man hinter einem LKW auf der rechten Spur fuhr, wurden alle etwas langsamer, ausgeschert wurde nur, wenn die Lücke groß genug war und man sich in den 110-130km/h schnellen Verkehr links einordnen konnte. Bis auf die in Nationalstraße N7 überführten, mit Ampeln geregelten Durchführungen durch Groningen und noch eine andere Stadt lief es super-entspannt, die Geschwindigkeit schwankte zwischen 90 und 130km/h, allerdings ohne starke, schnelle Veränderungen des Tempos. Das war der Donnerstagnachmittag und Abend meines Urlaubs.
Am Montagnachmittag meines Urlaubs fuhren wir von Nähe Hamburg in die Nähe von Mönchengladbach. Da war der Verkehr nicht größer – eine Autobahn, eben, weitgehend gerade, LKWs aus aller Herren Länder, PKW vorwiegend deutsche, Richtgeschwindigkeit 130km/h, aber über weite Strecken keine Begrenzung. Die Bedingungen waren nicht so anders, oder? Aber: die Richtgeschwindigkeit wurde weitgehend nicht beachtet, es gab lange, lange Strecken, auf denen man von der rechten Spur bei ca. 95km/h nicht nach links kam, weil dort 150km/h oder mehr gefahren wurden und teils sehr aggressive Hinweise kamen, man solle sich unter Bremsen auf rechte Spur verdrücken, selbst wenn man 140km/h fuhr und auf der rechten Spur kein Platz für einen war. Hinter LKW dann ein anderes Bild: ein schneller Linksfahrer nach dem anderen musste am LKW quasi vollbremsen, ein Rechtsfahrer nach dem anderen zog nach Abbremsen auf die 85km/h des LKW nur ca. 10-20m hinter dem LKW raus, die ganze Kolonne fuhr – egal, ob vorher schnell oder langsam, egal, ob vorher links oder rechts, mit 85-90km/h am LKW vorbei.
In der Bilanz war die mittlere Geschwindigkeit auf der niederländischen A7 ungefähr 110km/h, die mittlere Geschwindigkeit für den baustellenfreien Abschnitt der A1 in Deutschland ca. 105km/h. Der Spritverbrauch lag bei der bequemen Fahrt durch Friesland 0,3l/100km niedriger als bei der Fahrt durch’s westliche Niedersachsen. Der Verkehr war etwa gleich, der Stresslevel meinerselbst auf der A1 erheblich höher – meinen Mann sollte man gar nicht fragen, der war bei der Ankunft in Hamburg entspannt, bei der Ankunft in Mönchengladbach völlig fertig.
An dieser Stelle muss ich natürlich die Frage stellen: Ist meine Erfahrung hier die Regel? War es ein Ausreißer in der vergleichenden Stichprobe?
Im Endeffekt, ganz im Wissen, dass ich sicher keine repräsentative Studie gemacht habe und dass ich meinen subjektiven Eindruck zugrundelege, stelle ich mir jedoch hier die Frage: Machen die Niederländer mit ihrem festen Tempolimit 130km/h auf Autobahnen etwas besser als wir Deutschen mit einer Richtgeschwindigkeit, die keinen interessiert? Haben die Niederländer weniger die – insgesamt verkehrsflussschädliche – Einstellung von „freier Fahrt für freie Bürger“?
Dass es keine objektive Sache ist, weiß ich. Aber für mich untermauert es meine Unterstützung für ein Tempolimit, ein echtes, fixes, überall gültiges Tempolimit von 130km/h oder maximal 10km/h mehr, lieber noch 10km/h weniger auf deutschen Straßen.