Standard-Verfahren

Dies ist keine „Stau-Anatomie“ im eigentlichen Sinne, passt aber gut dazu, weswegen ich diesen Beitrag in die Kategorie reingesetzt habe.

Was tun etwa 20% der LKW-Fahrer, wenn es auf der dreistreifigen Autobahn stockt?

Genau, links raus. Ich kann sie verstehen. Die stehen unter enormem Druck. Dennoch ist dieses Verhalten toxisch. Denn: warum stockt es eigentlich? Da gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Die Autobahn verengt sich auf zwei Streifen. In nahezu allen Fällen auf meinen Strecken geht das mit einem LKW-Überholverbot kurz vor der Verengung einher. Was passiert also mit dem LKW, der ausgeschert ist und über 5km Stau vielleicht drei bis fünf LKW-Längen gewinnt? Er muss am Ende in die Reihe der eng zueinander aufgeschlossenen, rechts gebliebenen LKW einscheren. Das erzeugt meistens Probleme – denn aus 50cm Lücke die mehr als 10m zu machen, die ein großer LKW zum Einscheren braucht, das ist bei Stop-and-Go bei selbst in „Go“-Phasen nur wenigen Stundenkilometern langwierig. Es ergibt sich eine Düne.
    Nur so als Anmerkung, um den schwarzen Peter nicht rein bei den LKW zu lassen: PKW machen das ganz genauso – sowohl im oben genannten Sinne des Beitrages als auch kurz vor der Verengung, wo’s nach Einscheren aller ausgescherten LKW auf der rechen Spur wieder läuft – die PKW ziehen rechts rüber zwischen die wieder rollenden LKW, weil ihnen das Einfädeln zu langsam oder zu komplex ist. Die ziehen dann nach erfolgter Verengung wieder raus. Ergebnis ist die Nachstockung, die oftmals durch massive Nachstockung das Vermischen von linker und mittlerer Spur wieder sabotiert.
  • Ihr erinnert Euch noch, dass ich eine zweite Möglichkeit ansprach? Gut – ich brauchte das Aufpoppen des Aufzählungszeichens nach dem Return drücken. Möglichkeit zwei für die Stockung auf der dreistreifigen Autobahn, bei der viele LKW erstmal ausscheren, ist ein Unfall. Mit LKW auf der mittleren Spur wird die Sache mit der Rettungsgasse komplizierter – erstens sind die länger und brauchen mehr Rangier-Strecke, um auf voller Länge möglichst weit rechts auf der mittleren Spur zu stehen. In der Regel bilden auf der Mittelspur stop-and-go-ende LKW nämlich KEINEN Ansatz zur Rettungsgasse. Außerdem sind LKW breiter als PKW, sie müssen also noch dazu weiter nach rechts als PKW beim bilden der Rettungsgasse.

Schimpfe ich hier auf LKW? Ich finde nicht. PKW verhalten sich oft wesentlich irrationaler als LKW, bei einem großen, breiten und etwas behäbigen LKW fällt’s nur mehr auf.

Technisch gesehen wäre es für alle am besten, wenn man in der Stockung erstmal die Spur hält, Rettungsgasse bildet, den Reißverschluss bei der Verengung abwartet und dann durchzieht. Auch danach könnte man einfach mal die Spur halten. Ich glaube, das würde viele Staus entschärfen. Leider ist es tatsächlich so, dass egoistische Fahren sich (in Autolängen) lohnt, wenn auch nur marginal in Fahrzeitverkürzung. Vermutlich wird dieses „einfach mal bis zum Reißverschluss die Spur halten“ sich nie durchsetzen, außer wir geben das Steuer an eine verkehrsflussoptimierende KI ab.

Du Reißverschluss-Weisheitszahn, Du elender!

Noch eine Staubegegnung, auch wieder eine vom Dienstag dieser Woche. Ich habe einen der Weisheitszähne des Reißverschlusses in Reinkultur erlebt, und das hat mich so geärgert, dass ich sein amtliches Kennzeichen aufgeschrieben habe – aber ich werde es dennoch nicht hier veröffentlichen. Was ist also passiert?

Ich fuhr im Megastau am Dienstag auf der A8, war durch so ca. 30% der Verzögerung auf meiner Strecke durch. Ich näherte mich der Verengung bei Pforzheim Ost an, langsam entwickelte sich der Kampf um die beste Stellung zum Einfädeln zwischen mittlerer und linker Spur. Ich war auf der mittleren, der Fahrer schräg vor mir auf der linken Spur suchte sich die potentielle Lücke vor mir aus. Ich zog diese also auf und hielt mich schön auf Lücke zum schräg-linken Vordermann und dem schräg-linken Hintermann. Und genau dieser Hintermann entpuppte sich als reinrassiger Weisheitszahn des Reißverschlusses. Er drängte immer wieder neben mich, halb vor mich, während der Vordermann ganz brav seine Lücke suchte – und weder für mich noch für ihn Platz war, um eine Lücke für den Drängler zu finden, der hinter meinem Heck von meinem direkten Hintermann SEINE Lücke aufgezogen bekam. Der direkte Hintermann des Dränglers suchte sein Glück weiter hinten, so dass ein einwandfreier Reißverschluss möglich gewesen wäre.

Der Drängler zog das Ganze tatsächlich bis zum Äußersten durch und musste dann wegen der in seine Spur hineinwachsenden Leitplanke bremsen und die für ihn aufgezogene und aufgehaltene Lücke HINTER mir nehmen. Danach fuhr er anständig. Aber so, genau so wie der das gemacht hat, tötet man das Reißverschlussverfahren. Genau so zerstört man potentiell funktionierenden Reißverschluss und bremst alle aus!

Woah, wie mich das noch immer ärgert!

Die Verengungs-Aufwerfung

Vorkommen: Auf Autobahnen oder mehrstreifigen anderen Straßen, kurz vor der Verengung auf einen Fahrstreifen weniger. Gerne auch ohne Verengung, nur mit einsetzendem LKW-Überholverbot.

Symptome: Es stockt, ein Drittel der LKW scheren aus – das Ende des dritten Fahrstreifens ist da meist schon angesagt, das LKW-Überholverbotsschild in Sicht. Die PKW auf dem linken bzw. den zwei linken Fahrstreifen stocken ebenfalls. Ein oder mehrere LKW auf der mittleren bzw. linken Spur blinken rechts, direkt vor einem LKW-Überholverbotsschild, aber es ergibt sich keine Lücke – entweder lässt niemand den Blinkenden rein oder er stockt rechts so stark, dass keine Lücke aufziehbar ist. Direkt hinter dem „verzweifelt“ nach rechts wollenden LKW läuft’s für die PKW wieder.

Unterstellte Ursachen: Opportunismus der unter massivem Druck stehenden LKW-Fahrer. Es stockt, sie sind ohnehin spät dran oder haben unrealistische Fahrzeitvorgaben. Also schert man nach links aus und denkt sich: „Wird mich schon einer reinlassen, wenn dann die Spur sich verengt.“ Das ist natürlich unrealistisch, aber die PKW-Fahrer haben ja schließlich nicht diesen Druck – zumindest unterstellt der Brummi-Fahrer das, weil er einfach nur den eigenen (sicher krasseren) Druck spürt. Aber wenn’s schon 600m vor der Verengung stockt, wie realistisch ist es dann, dass weiter vorne mal so auf die Schnelle ’ne Lücke da ist?

Nervfaktor: Rein von der individuellen Situation her: Geht so. Schließlich hat man direkt nach dem verursachenden Rechtsblinker, der nicht reingelassen wird oder werden kann, ja wieder freie Fahrt, kann ein bisschen schimpfen und kommt voran. Generell: Unglaublich nervig, weil es ein Symptom für die Krankheit des Fracht-Fahr-Gewerbes ist, das mit zunehmend unrealistischen Vorgaben und enormem Druck auf die Fahrer für viele problematische Situationen auf der Autobahn verantwortlich ist, die mit realistischen, dem starken Verkehr Rechnung tragenden Vorgaben an die Fahrer wohl weit seltener auftreten würden.

Siehe auch Die Düne