Gestern morgen habe ich festgestellt, dass ich in mancherlei Hinsicht ganz schön hohe Ansprüche an mich selbst stelle. Es mag sein, dass das nicht in jedem Bereich der Fall ist, aber in einigen durchaus.
Die Erkenntnis gestern morgen kam aus dem Bereich des Fahrradfahrens. Seit ersten Dezember 2019, also seit nicht einmal zwei Monaten, fahre ich überhaupt wieder Fahrrad, nach 20 Jahren Pause. In der vergangenen Woche habe ich zweimal geschafft, mit dem Fahrrad zur Arbeit und wieder nach Hause zu fahren. Im Moment hemmen mich allerdings noch einige Dinge: mit dem Licht am Fahrrad bin ich noch nicht ganz zufrieden, da die Halogen-Lampe von CatEye sehr viel Strom frisst und daher leider die wiederaufladbaren Batterien, die wir hineingebaut haben, insbesondere in der Kälte recht schnell die Flügel strecken. Im Moment wird es spät genug hell und früh genug dunkel, dass Beleuchtung zwecks Gesehenwerdens wie auch Wahrnehmung der Straße nicht verhandelbar ist. Dann ist da noch die Kälte, gegen die ich ganz gut ausgerüstet bin, aber eben auch Regen, Sturm und Graupel, die einerseits wirklich widerliche Bedingungen auf dem Rad darstellen, aber auch, insbesondere der starke Wind, meine Unsicherheit befeuern, so dass meine noch vorhandene Unsicherheit und dies sich mit dem Straßenverkehr unselig paaren. Auch dazu kommt, dass nach meinem leider nicht von vollem Erfolg gekrönten Einstellversuch meiner Schaltung der Termin beim Radservice erst am 11.02. sein wird, somit meine Schaltung noch nicht optimal funktioniert.
Dass ich heute morgen mit leichten Kopfschmerzen, die vom Laufen gut weggehen, bei der Haltung auf dem Fahrrad aber nicht unbedingt so gut bekämpft werden, meine geplante Radfahrt zur Arbeit sein ließ, fühlte sich dennoch wie eine persönliche Niederlage, ein Versagen an. An dieser Stelle zog ich mich leicht zurück und fragte mich: „Talianna, wie blöd bist du eigentlich? Du fährst seit zwei Monaten wieder Rad, es gibt viele Dinge, die noch nicht richtig funktionieren, aber du machst dir so einen Kopf um ein einziges Mal nicht fahren, wo Fahren geplant war?“
Das hat auch gewirkt. Ich habe mir vorgenommen, es wieder und weiterhin etwas gelassener zu sehen. Die ursprüngliche Ansage war: „Im Sommer, wenn sich das alles eingespielt hat, es wärmer und heller ist, fahre ich dreimal die Woche mit dem Rad zur Arbeit und wieder zurück.“ Im Januar bereits zweimal mit dem Rad zur Arbeit und zurück zu fahren, war dann doch ein ganzes Stück „Übererfüllen“, und prompt habe ich von mir selbst erwartet, dass ich es konsequent durchziehe. Vielleicht liegt das auch daran, dass mein Mann sehr konsequent und bei nahezu jedem Wetter seit vielen Monaten mit dem Rad zur Arbeit fährt. Ich muss mir dann aber vor Augen führen, dass sein Arbeitsweg etwa halb so lang ist wie meiner, er das Radfahren nicht 20 Jahre lang aufgegeben hatte und seine Ausrüstung bereits eingespielter und eingestellter ist als meine. Außerdem ist das ja kein Wettstreit – im Gegenteil, seine Erfahrungen haben mir geholfen, überhaupt so ausgestattet zu sein, dass die beiden Fahrten zur Arbeit angenehm und kein Fiasko wurden: Helm, Handschuhe, Schloss, bei all diesen Dingen hat er mich beraten.
Allerdings habe ich auch gleich einen Punkt, der mich hemmt, beseitigt: Ich habe heute morgen neue Fahrradbeleuchtung bestellt. Diese wird a) weniger Strom verbrauchen, da sie voll mit LEDs funktioniert, b) ist per USB wiederaufladbar, erfordert also nicht ständig einen Batterie-Wechsel unter Verwendung eines Schraubenziehers und c) ist sie auch heller als die bisherige. Nun frage ich mich: Hätte der Besitz der geeigneten Beleuchtung heute morgen gereicht, um die im zweiten Absatz dieses Beitrags genannten Gründe gegen das zur Arbeit fahren heute morgen unter die Hemmschwelle zu schieben? Keine Ahnung. Spätestens mit der Einstellung oder gegebenenfalls dem Austausch der Schaltung und damit der Verfügbarkeit aller drei Ritzel und somit aller 24 Gänge meines Rads schmelzen die Ausreden… die GRÜNDE weiter dahin. Dann wird auch der Zeitfaktor ein anderer, denn wenn ich durch die Verfügbarkeit der zum großen Kettenblatt Ritzel (Korrektur! Danke, Manuel!) gehörenden, „großen“ Gänge noch etwas schneller als 20-25 km/h in der Ebene fahren kann, wird auch der Zeitvorteil der S-Bahn auf dem Arbeitsweg noch etwas kleiner oder fällt gar ganz aus.
Und dann klappt die Sache mit dem Radfahren zur Arbeit sicherlich häufiger. Heller und wärmer wird’s in den nächsten Monaten ja wohl auch, trockener natürlich nur bedingt. Die längeren Tage machen dann auch die Waldwege ohne Beleuchtung, aber auch ohne Autos attraktiver, oder eher: Schalten die Licht-Frage, die ein Nachteil der Wald- und Feldwege ist, auch ohne Beleuchtung des Rads aus. Ohne Ampeln, Autoquerverkehr und sichthemmende Eckhäuser an Rechts-vor-Links-Kreuzungen kann ich auch deutlich konsequenter und damit schneller durchfahren. Da ist dann eventuell die längere Wald- und Wiesenstrecke sogar deutlich schneller als die kürzere Route durch die Stadt – schöner ist sie sowieso!
Ich freue mich darauf!