Es scheint fast schon, als würde eine Serie draus. Mein Mann und ich haben etwas angeschaut, das sich anfühlt, als würde man etwas lange, lange Verpacktes auspacken und es hätte sich etwas Neues, Wundervolles gebildet.
Es geht um die Serie „Star Trek: Picard“. Nachdem ich bisher noch nicht dazu gekommen bin, Discovery anzugucken, konnte ich meinem Captain, dem Captain der „Next Generation“ die Gefolgschaft wirklich nicht verweigern. Ein nicht unwesentlicher Teil meiner medialen Sozialisation war „Star Trek: The Next Generation“. Captain Picard lieferte den moralischen Kompass in all den schweren Fragen, die sich mir, in deren Kopf und Herz inkompatible Richtungen angelegt waren, in meiner Jugend stellten. Folgen wie „The Measure of a Man“ (zu Deutsch: „Wem gehört Data?“) und „Darmok“, aber auch so viele andere brachten mir vor allem den Captain und Data als Figuren so nahe, dass sie Symbole in meinem Leben geworden sind. So machte ich Brent Spiner bei einer Autogrammstunde ganz unverhofft und unbeabsichtigt ein Lebensgeständnis, wo ich doch eigentlich – auf Englisch und vorher einstudiert – etwas völlig anderes sagen wollte.
Wie soll ich sagen: In „Picard“ kommt all das wieder hoch. Commander Maddox aus „The Measure of a Man“ spielt eine Rolle, aber auch die gebrochene Borg-Biographie dreier Protagonisten aus dem Star-Trek-Universum: Picard selbst („The Best of Both Worlds I+II“, „First Contact“), Dritter von Fünf aka Hugh („I, Borg“, „Descent I+II“) und Seven of Nine (ganz Voyager). Seltsam intensiv erinnerte mich die Begegnung auf Nepenthe in der gleichnamigen „Picard“-Folge an jene Szenen im Nexus in „Star Trek: Generations“, in denen ein getriebener Picard zur Ruhe gesetzte andere, die insgesamt aktiver waren, vorstürmten, „wo Engel furchtsam weichen“, wieder in sein Boot holte. Aber auch die neuen Figuren beeindruckten mich zutiefst – optisch, schauspielerisch und vom Konzept der Rolle her.
Und so war überall immer wieder der Anklang an Star Trek: The Next Generation zu spüren, nur dass das spröde, sterile, das der Serie Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger anhaftete, in Picard auch der zugleich etwas dreckigeren, aber perfekt inszenierten und dazu von einer treibenden Story getriebenen Welt gewichen, wie sie erst später in Deep Space Nine so richtig Einzug hielt.
Und nach nun zehn Folgen kann ich ganz klar sagen: Man sagte mir, auch „Star Trek: Picard“ habe seine Schwächen. Das sind aber keine, die ich bemerken würde. Für mich war’s die richtige Mischung aus wohlig warme, alte, gewohnte Decke und packender neuer Story, aus den bekannten Gesichtern in neuer Aufmachung (herausragend: Jeri Ryan als eine so viel tollere, weil nicht mehr steril-borg-zwanghaft-sexy Ex-Drohne) und ebenso attraktiven wie interessanten Gestalten (vor allem Peyton List als Narissa – anbetungswürdig schön und zugleich zum Frieren böse sowie Santiago Cabrera als Cristóbal Rios in einer Han-Solo-Rolle, aber was sieht dieser Mann besser aus als Harrison Ford selbst zu seinen besten Zeiten!).
Ich hoff‘ so, dass die zweite Staffel daran anknüpfen kann! Ich bin auch so froh, dass ich mir verkniffen habe, es gleich mit Veröffentlichung zu sehen – denn zwischen den Folgen eine Woche zu warten, das wäre mir schwer gefallen. Das wäre außerdem sowas von Neunziger gewesen!
Verflixt, nun wird’s Discovery, wenn ich es endlich nachhole, noch schwerer bei mir haben!