Ein entscheidendes Merkmal von dem, was man als Autobahn bezeichnet, sind mehrere Richtungsfahrbahnen, auch „Spuren“ genannt. Das hat diverse Vorzüge für den Benutzer der Autobahn: Das Verkehrsaufkommen verteilt sich auf mehrere Spuren, so dass in der Theorie doppelt oder dreimal so viele Autos bei gleicher Geschwindigkeit und gleichem Abstand durchgesetzt werden können, als das bei nur einer Spur der Fall wäre. Dazu ist es möglich, ein wenig nach Geschwindigkeit zu differenzieren – die Schnellen links, die Langsamen rechts. So kommen alle mehr ihren Möglichkeiten entsprechend voran. Zudem kann man, wenn eine Spur blockiert ist, auf die andere Ausweichen und eine blockierte Spur – oder auch zwei, bei drei- oder mehrspurigen Autobahnen – ist noch keine Vollsperrung mit den üblichen unangenehmen Konsequenzen.
Außerdem kann man nach seinen Vorstellungen die Spur wechseln.
Ja, genau das kann man. Und tut es auch. Nach Kräften. Nun stellt sich eine Frage, die ich vermutlich schon ein paar Mal aufgeworfen habe: Wann ist ein Spurwechsel sinnvoll? Wann sollte man ihn besser unterlassen? Wem bringt ein Spurwechsel was, und was sagt das über seine Sinnhaftigkeit aus?
Und genau hier wird es schwierig. Natürlich transportiere ich hier auch subjektive Ansicht – ich habe meine Aussagen hier nicht bei Verkehrswissenschaftlern auf Korrektheit gegen-gecheckt. Also … eine Variante des Spurwechsels ist natürlich der forcierte Spurwechsel – man muss den gewählten Fahrstreifen wechseln, weil dieser nicht mehr fortgeführt wird. Das tritt bekanntlich an Beschleunigungs- oder Einfädelstreifen auf, am Ende von drei- oder mehrspurigen Abschnitten, die auf eine oder mehrere Spuren weniger als zuvor verengt werden. Und hier fängt es schon an – die gewünschte Methode hier ist der sogenannte Reißverschluss. Mit dessen „Weisheitszähnen“ habe ich mich schon früher mal beschäftigt, und das gilt weiterhin: Der Eindruck entsteht, dass jeder auf der Spur, welche den Verkehr der endenden Spur aufnehmen soll, drei oder mehr Fahrzeuge reinlassen muss. Hält man genug Abstand, schert der erste 600-400m vor dem Ende der Spur ein, und hinter ihm rückt alles auf. 400-200m vor dem Ende der Spur ist’s ein weiterer. Und auf den letzten 200m sind es weitere ein bis drei. Und dann sind bereits alle Abstände zugefahren, alles stockt.
Aber eigentlich wollte ich mich dem Spurwechsel ohne „Not“, also ohne endende Spur zuwenden. Natürlich gibt es sehr viele Situationen, in welchen ein Wechsel des Fahrstreifens angezeigt ist. Zum Beispiel, wenn man in einem langen Zwischenraum zwischen zwei LKW mit etwas weniger als der Durchschnittsgeschwindigkeit des mittleren oder linken Fahrstreifens unterwegs ist – und der LKW vor einem zusehends näher rückt. Dem Gefühl nach gibt’s hier drei Modi: Die Zielspur ist völlig leer oder weist lange Lücken zwischen den Fahrzeugen auf – es gibt kein Problem. Die Zielspur ist sehr dicht befahren, die Abstände sind kurz – und durch die unterschiedliche Geschwindigkeit erscheinen sie noch kürzer – hier wird’s schwierig, weil man kurz vor dem LKW beschleunigen und damit den Abstand zum LKW weiter verkürzen muss – und hoffen, dass der Fahrer hinter der anvisierten Lücke diese offen lässt. Das ist leider nicht immer gegeben, und dann hängt man hinter dem LKW, fährt erheblich langsamer als der Verkehr links von einem und hat kaum eine Chance, rüberzuziehen. Außer, man tut es mit Gewalt und bringt den Hintermann der genutzten Lücke zum Bremsen und wahrscheinlich auch Lichthupe geben. Leider … leider, leider sind sich Hintermann der Lücke und Ausscherer oft nicht ganz einig, wann es gerechtfertigt ist, die Lücke offen zu lassen und rüber zu ziehen. Ich unterstelle, dass sehr oft beide Fahrer die Situation SEHR unterschiedlich einschätzen – und dass die unterschiedliche Einschätzung auch bestehen bleibt, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, wenn man die beiden Fahrer austauscht. Und dann noch die dritte Möglichkeit: Der Hintermann der gewünschten Lücke hängt irgendwo zwischen kurz hinter und und kurz vor dem toten Winkel herum und will partout nicht vorbei fahren, und zurückfallen erst recht nicht. Auch hier ist die Sache oft subjektiv: Ich glaube, der Hintermann ärgert sich oft mit den Worten: „Warum fährt der/die eigentlich nicht raus, ich hab doch extra gebremst!“ Hier haben wir – und das halte ich für gegeben – eine sehr unterschiedliche Einschätzung von Abstand vorliegen, je nach dem, ob man nach vorne oder nach hinten schaut.
So. Das wird wieder eine Menge. Denn nun komme ich zu den wirklich ärgerlichen Dingen. Lückenspringen, zum Beispiel. Das findet zumeist im Stau statt, und stellt die Eigenschaft einiger Autofahrer dar, die Abstände anderer zu nutzen, um zu überholen. Es gibt ja die Menschen, die ihre Kupplung schonen – also nicht dauernd anfahren möchten, demnach einen gewissen Abstand im Stau halten und sich bemühen, konstant zu rollen, statt immer wieder anzufahren. Ich mache das zum Beispiel – und all zu oft werden diese Lücken gefüllt, nur um dann weiter zu springen. Meine Erfahrung sagt, dass ich gegen Ende des Staus selten mehr als drei, vier Autos hinter den Lückenspringern vom Beginn des Staus weiterfahre. Der Erfolg ist minimal – aber das mag auch in meinem gehässigen Blick des Betrachters liegen. Der Schaden für die Hinterleute ist aber signifikant – oft muss rasch gebremst werden, da beim Lückenspringen auch gerne mal „geschnitten“ wird, also nicht mal die elementarsten Abstandsregeln eingehalten werden. Und dann steht wieder alles für einen Moment – im besten Fall. Im schlimmsten Fall entsteht ein Auffahrunfall. Das Lückenspringen ist also in hohem Maße egoistisch – und oftmals nicht einmal besonders lohnend.
Schneiden ist auch außerhalb des Staus sehr fies. Und der Tendenz nach – zumindest meinem Eindruck – wechselt man bei langsamem, zäh fließendem oder sich stauenden Verkehr zwar im Moment auf den schnelleren Fahrstreifen – nur damit sich der Verkehr dort verlangsamt und die Lücke, aus der man zuvor kam, nicht nutzbar wieder an einem vorbeizieht.
Und noch so ein Spaß: Der Eindruck ist, dass zu Beginn eines Staus immer sehr viel Fahrstreifenwechsel die Situation noch verschärft – und an Kuppen oder Senken – also bei signifikanter Veränderung der Steigung, sehr viele Fahrstreifenwechsel auch wieder zu Stockungen führen.
All das ist sehr ärgerlich, zumindest wenn mein subjektiver Eindruck stimmen sollte. Mich würde es sehr freuen, wenn der eine oder andere hin und wieder mal dreimal überlegen würde, ob er den Fahrstreifen wechselt, sofern dort nicht eine wirklich große Lücke ist. Vielleicht – nur vielleicht und nur nach meinem subjektiven Empfinden – könnte das das Fließen des Verkehrs für alle ein wenig befördern.