Wenn‘s doch mal passiert …

Gestern auf der Heimfahrt passierte es doch mal. Mir ist es durchaus sehr wichtig, regelgerecht, vorausschauend und fair zu fahren. Der Schulterblick gehört fest dazu, die nötige Aufmerksamkeit auch. Doch gestern Abend bemerkte ich den Anderen erst, als ich auf die mittlere Spur rüber fuhr und er – mit genug Abstand, er hatte aufgepasst und ich zumindest ein bisschen – nach ganz links auswich. Auch dort fuhr in dem Moment niemand, also war der Vorgang damit rein physisch erledigt.

Mein erster Impuls war der Gedanke: „Huch, ist der nun von rechts rüber, hat stark beschleunigt und ich habe nicht bemerkt, dass er neben mich kam?“ Aber ich kann es nicht sagen. Ich hatte schlicht kein Fahrzeug gesehen, das in meinem Weg sein hätte können, als ich hinter dem LKW weg auf die mittlere Spur wollte. Da ich den anderen Wagen nicht gesehen hatte, sagt: Irgendwo habe ich nicht aufgepasst oder durch Regen und Dunkelheit bedingte, schlechte Sicht nicht ausreichend berücksichtigt.

Mein Fehler. Der andere hat zurecht gehupt. Und passiert, ja, so richtig im Sinne eines Unfalles passiert ist zum Glück nichts.

Nochmal gut gegangen

Heute Morgen war ich am Leonberger Dreieck an einer Spurwechsel-Schere beteiligt. Ich wollte von der linken Spur auf die vormals mittlere, die dann zur rechten Spur der weiterführenden A8 werden würde – denn wegen Stau in der Baustelle zwischen Leonberg und Stuttgarter Kreuz bin in in Leonberg Ost abgefahren. Ein LKW von der vormals rechten Spur der A8, die nun zur linken Spur der zweistreifigen Abfahrt zur A81 Richtung Heilbronn und nach Leonberg Ost wurde, wollte auf der A8 bleiben und demzufolge eins nach links. Wir hatten also den selben Fahrstreifen als Ziel. Der LKW war leicht hinter mir. Beim Schulterblick könnte ich schwören, dass er noch nicht geblinkt hatte – ich aber schon. Ich habe seinen Blinker tatsächlich bei dem ganzen Manöver gar nicht aktiv gesehen. Jedenfalls hupte er mich an, als sein Bug etwa zwei Meter hinter meinem Heck auf denselben Fahrstreifen wechselte.

Wer nun schuld gehabt hätte, wenn was passiert wäre – gute Frage. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber man sieht oft genug nicht alles. Ein Glück ist nichts passiert, so dass die Frage sich nicht stellt.

Sommer, WM, oder was?

Ich habe unter der Kategorie „Stauanatomie“ schon von der „Senkenstockung“ geschrieben, einer Struktur, die sich all zu oft an Senken auf der Autobahn finden lässt. In der Senke, oft auf nach der Senke, stellen etliche PKW fest, dass das zuvor für ausreichend gehaltene Tempo der LKW bergab nunmehr, den Berg hoch, zu sinken beginnt. Und jeder will links rüber. Nicht nur, dass dann plötzlich all zu viele Fahrer auch von gut motorisierten Fahrzeugen das Runterschalten vergessen und vor lauter Linksrüberfahren langsamer werden, nein, oft ziehen sie auch noch spitz raus, in zu kleine Lücken, zu knapp vor dem Vordermann. Natürlich ist eine beengte Situation mit viel Verkehrsaufkommen einer solchen Struktur eher förderlich …

Was mich aber zugegebenerweise zunehmend nervt: Vor der WM, bevor das Wetter gut wurde, hatte man hin und wieder Senkenstockungen an der Senke bei Nöttingen in der großen Baustelle, mal in der einen, mal in der anderen Richtung. Und an der Senke bei Pforzheim entstand auch immer mal eine, vor allem seit die Baustelle zwischen Pforzheim Ost und Pforzheim West aufgebaut wurde, und da dann vor allem in Richtung Karlsruhe. Senkenstockungen kriegt man nämlich mit der Verbreiterung der Autobahn in oder kurz nach der Senke auf eine Spur mehr ganz gut in den Griff. Nun aber – und das ist der eigentlich nervige Punkt – ist die Senkenstockung bei Pforzheim Ost schon festgefügter Teil meiner Heimfahrt, genau wie die in der Senke bei Nöttingen. Nur auf der Hinfahrt bildet sich die Stockung nicht immer aus, was aber vielleicht auch daran liegt, dass es sich für viele nicht lohnt, nach der Senke bei Nöttingen Richtung Stuttgart raus zu ziehen. Warum? In der Baustelle, bergauf, Richtung Pforzheim West, ist eh auf 60 begrenzt, zu Stoßzeiten und tagsüber. So nervig das manchmal ist, es scheint die Leute vom schnellen Wechsel nach links ein bisschen abzuhalten, und das tut dem Verkehrsfluss gut.

Und ich sitze nun da und frage mich: Warum funktionierte das vor den Pfingstferien so gut, warum war da die Stockung nur manchmal ausgebildet – in den Pfingstferien ging’s auch ganz gut – und nun ist diese nervige Stauart nahezu jeden Tag da? Liegt es daran, dass die WM einen schneller vorankommen lassen will, so dass man Ungeduld ansetzt und daher Dinge tut, die einem zwar nichts bringen und die anderen sogar Zeit kosten, aus blindem Aktionismus? Oder ist es das Wetter? Oder heißt „Gewöhnung an eine Verkehrsbehinderung“ auch, dass man eher die Dinge tut, die sie begünstigen?

In der Hoffnung, endlich mal wieder in unter 75 Minuten durchzukommen trink ich dann nun mal meinen Tee aus und mach mich auf den Weg.

An die eigene Nase fassen

Ich merke immer wieder, wie ich mich über andere Verkehrsteilnehmer ärgere. Oder über andere Leute im allgemeinen. Wie ich sage, dieses oder jenes „gehe überhaupt nicht“.

Und dann ertappe ich mich dabei, selbst nicht so viel anders oder gar genau so zu handeln. Ich sehe zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen in aller Regel ein. Aber dennoch korrigiere ich mich nicht auf die 75 der LKW und fahre rechts rüber, wenn ich bei Tempolimit 80 in der Baustelle mit etwas über 90 auf dem Tacho links im Verkehr mitschwimme. Ich sehe ein, dass Abstand wichtig ist, ich ärgere mich über Drängler – und doch merke ich immer mal, dass ich nun doch dichter aufgefahren bin, als ich das bei einem anderen Fahrer hinter mir als okay akzeptieren würde. Ich ärgere mich darüber, wenn ich im Stau eine größere Lücke lasse, um Stop-And-Go in langsames Fließen zu verwandeln und vor mir dann einer von der genau gleich schnellen anderen Spur die Lücke zumacht und prompt abrupt bremst. Aber gelegentlich nutze ich auch Lücken und stelle hinterher fest, dass ich etwas schnell war, muss bremsen – und der Hintermann nimmt’s vermutlich genau so wahr wie ich, wenn ich mich über sowas ärgere.

Ich nehme es recht persönlich, wenn ich merke, dass ich die von mir selbst an andere gesetzten Standards gefühlt oder auch echt nicht erfülle. Nicht nur im Straßenverkehr, auch im Privaten und vor allem im Beruf. Mir wurde schon das ein oder andere Mal gesagt, ich scheitere an meinen eigenen Ansprüchen. Das mag sein – aber irgendwie halte ich es für eine gute Sache, auch die eigenen Fehler schwer zu nehmen. Freilich, Abhaken und beim nächsten Mal besser Machen sollte es sein. Aber die eigenen Fehler Ausblenden und bei anderen Monieren, wenn sie das machen, ist irgendwie scheinheilig.

So gesehen: Ich bin nun zwar nicht unbedingt das, was man eine praktizierende Christin nennen würde, aber in der Hinsicht gibt es zwei griffige Formulierungen, die mir beim Thema „eigene Fehler – anderer Leute Fehler“ in den Sinn kommen und aus dem Neuen Testament stammen:

Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?

Das hier ist das eine, sehr konkrete. Im Prinzip die Vorwegnahme der netten Redensart vom „an die eigene Nase fassen“. Sollte man auch im Straßenverkehr immer mal wieder machen. Und dann, sehr konkret, die Anweisung, sich in den anderen hinein zu versetzen:

Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu.

Also: Wenn’s mich nervt, dass mir jemand dicht auffährt, sollte ich es selbst auch vermeiden. Allerdings muss ich sagen, dass das eigentlich schon wieder zu schwach formuliert ist. Wenn’s jemandem egal ist, ob ihm dicht aufgefahren wird, ob er bedrängelt wird oder was auch immer, darf er nach der Formulierung ruhig auch anderen dicht auffahren. Der Abstand ist im Interesse der Sicherheit beider Parteien aber dennoch zu klein. Wahrscheinlich greift mein Vergleich zu kurz, aber letztlich sehe ich doch im Stau, dass solche Dinge wie Drängeln und Lückenspringen für einen selbst akzeptabel erscheinen und man sie auch anderen zubilligt, der Tendenz nach. Zumindest bestimmte Fahrer, die allerdings in der Regel nicht mir entsprechen.

Vernünftiger wäre wohl, die Fahrer anzuweisen, dass sie sich konform mit Regeln verhalten, die für alle gelten sollten – man versetzt sich also nicht nur in sich hinein und guckt, was man nicht haben will, wie die anderen handeln – sondern man fordert, dass wie man sich verhält gemäß Regeln verläuft, die problemlos und gut für alle gelten könnten. Und da landet man dann, denke ich, schon beim kategorischen Imperativ.

Aber mit großer Wahrscheinlichkeit stoße ich da in einen Bereich von Ethik und Philosophie vor, von dem ich nichts verstehe – oder unterstelle teils einfach, dass ich selbst und auch die Menschen um mich herum erstens besser und zweitens mir ähnlicher sind, als das in Wirklichkeit der Fall ist. Denn dann verschwimmen in meinen Augen die Grenzen zwischen dem, wie ich behandelt werden möchte und dem, was ich mir unter einer allgemeinen Gesetzgebung vorstelle.

Der Dschungel mal wieder

Heute muss ich sagen: B3, A5 und A8 präsentierten sich von ihren besten Seiten, was das Vorankommen anging. 63 Minuten prognostizierte Google Maps beim Losfahren, 63 Minuten habe ich gebraucht. Es stockte ein bisschen in den Baustellen, aber eher nicht wesentlich. Die Definition von stockendem Verkehr (30-10km/h) oder Stau (unter 10km/h) war nie dauerhaft erfüllt.

Aber ich habe doch etwas zu berichten. Und zwar von der B3, genau genommen von der Ampelkreuzung in Neumalsch. Da stand ich hinter einem LKW, der LKW war bei roter Ampel der erste in der Reihe. Und dann wurde die Ampel – durch den LKW für mich unsichtbar – wohl grün. Der LKW setzte sich langsam in Bewegung, und da erschrak ich ziemlich. Denn von mindestens zwei Autos hinter mir, nach meiner Wahrnehmung, scherte jemand aus, beschleunigte mit aufheulendem Motor auf der Linksabbiegerspur, fuhr an mir, am LKW vorbei, über die rote Linksabbiegerampel – und dann wieder auf die geradeaus führende Spur. Und ich stammelte beim Anfahren nur meinem Spiegel entgegen: „Dschungel, oder was?“

Dazu gab’s nach Pforzheim Ost noch eine nette kleine Spurwechselschere zwischen einem LKW und mir. Ich blinkte, hatte das Relais schon mindestens viermal, eher fünfmal klicken gehört, wollte etwa drei Autolängen vor einem LKW einscheren, der auf der mittleren Spur fuhr. Das Ganze geschah aus der Einsicht, dass ich nicht schnell genug beschleunigen konnte und mit 105km/h bei Tempolimit 120km/h auf der linken Spur nichts zu suchen hatte. Und was geschah? Ein LKW setzte den Blinker (als ich geschaut habe, blinkte er noch nicht – und mein Blinkerrelais klickte in der Zeit zweimal, nicht mehr) und scherte aus. Als ich gerade das Rüberziehen einleitete, war der LKW schon halb auf meiner Spur. Ein Glück fingen die Leute hinter mir noch nicht massiv an, nachzurücken, sonst wäre eventuell was passiert.

Gerade Überholen scheint mir manchmal wirklich gemeingefährlich zu sein.

Die Spurwechsel-Schere

Vorkommen: Auf je Richtung drei- oder mehrstreifigen Straßen, auch an Zusammenführungen und Einfädelspuren. Geschwindigkeit ist hierbei egal, wobei das Ganze bei hohen Geschwindigkeiten wesentlich gefährlicher ist.

Symptome: So simpel wie problematisch: Von links und von rechts möchte je ein Fahrer auf die Spur zwischen den beiden wechseln. Dort ist zwar Platz, aber nicht für beide, da beide Autos entweder auf selber Höhe der Straße fahren oder bei stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten nach Spurwechsel dasselbe Stück der Zielspur beanspruchen würden. Wenn das Ganze von einem oder beiden früh abgebrochen wird, kein Problem. Aber so bald mal beide teils auf der Zielspur sind, werden Korrekturen manchmal hektisch und gefährlich – ganz abgesehen von den fatalen Folgen, wenn es dann keine Korrektur gibt!

Unterstellte Ursachen: Zufall spielt eine Rolle. Aber es gibt zwei oder drei Kriterien, die das Problem verschärfen. Erstens: Das Verhalten des umgebenden Verkehrs. Das Problem liegt manchmal darin, dass zum Beispiel ein sehr langsamer PKW über eine längere Phase ein bis zwei LKW-Längen hinter einem LKW her fährt – nur nicht auf derselben Spur, sondern einen Fahrstreifen weiter links. Dadurch entsteht eine Stelle, an der Fahrer auf der rechten Spur, die den LKW gerne überholen, aber so lang wie möglich so weit wie möglich rechts bleiben wollen – gemäß Rechtsfahrgebot – gerne nach links Spurwechseln wollen. Zugleich wollen viele Leute nicht zu lange auf der linken Spur fahren. Zweitens: Die Struktur der Spuren – dann am Ende eines Fahrstreifens muss man links oder rechts rüber, teils ergeben sich dort aber auch scheinbar attraktive Stellen zum Spurwechsel in die andere Richtung. Drittens – und der ist ganz wichtig: Fehlender Schulterblick, egal ob beim Spurwechsel nach rechts oder links! Wenn man Spiegel-Beobachtung und Schulterblick macht, ist es recht unwahrschelnlich, dass man gleichzeitig blinkt, erst recht, dass man gleichzeitig das Spurwechselmanöver einleitet oder gar fortsetzt. Oh, genau, viertens: Nicht blinken! Woher soll man denn etwas wissen, das man nicht weiß, oder auch: Wie soll ich sehen, dass der andere einen Spurwechsel plant, wenn er es mir nicht anzeigt. Fünftens: Ich beobachte oft, dass ein Fahrer auf einer Spur weiter links im toten Winkel des weiter rechts fahrenden Vordermannes oder der Vorderfrau verharrt, wohl in der Befürchtung, derjenige könnte ausscheren. Aber in meinen Augen sollte man, wenn man schon SO nah dran ist, dann lieber vorbeifahren – egal, ob man ein, zwei oder drei Spuren weiter links fährt. Mach ich aber leider auch nicht immer.

Nervfaktor: Extrem! Als beteiligter Verkehrsteilnehmer flattere ich danach immer sehr heftig. Vor allem, wenn es schon eine Lenkradbewegung bei mir gab. Dazu ist natürlich die Unfallgefahr dabei ziemlich groß, und ein Unfall ist das nervigste überhaupt auf der Straße, selbst wenn er glimpflich ausgeht!

Anmerkung: Die Spurwechsel-Schere ist ein Spezialfall. Eine häufigere – wohl als Oberbegriff z.B. der Spurwechselschere zu sehende – Kategorie von Phänomenen betrifft eben Spurwechsel, bei welchen die Zielspur schon besetzt ist, oder wie bei der Schere, gerade besetzt wird.