Beruhigt!

Ich hatte für meine heutige Heimfahrt von Hamburg mit dem ICE 77 keine Sitzplatz-Reservierung mehr bekommen und fieberte so, ob ich einen Sitz bekäme … einmal wurde ich noch im Hamburger Hauptbahnhof (für den ich mir selbst das Kürzel HHHbf. etabliert habe) von meinem Sitz vertrieben, denn jemand anders hätte den reserviert. Schließlich kam ich in einem Vierersitz mit Tisch bei einer dreiköpfigen Familie zu sitzen: Mama, Papa, Teenager-Tochter. Die junge Dame gehörte zu jener Kategorie charmant-egozentrischer Jugendlicher, die man in den frühen Teenager-Jahren durchaus öfter vorfindet – es war zumindest für mich als Fremde eine nette Runde, aber die Eltern hatten durchaus gelegentlich regelnd einzugreifen.

In Frankfurt füllte sich der Zug immer mehr, spätestens in Mannheim war kein Durchkommen mehr. Die junge Dame indes war vor Mannheim indessen auf Toilette und zum abgeben ihrer Bionade-Flasche verschwunden und noch nicht zurück. Da meine Reisebekanntschaften – also die Familie – in Baden-Baden ebenfalls raus müssen, wurden die Eltern schon etwas nervös. Der Vater war auch einmal am Suchen, brach nach kurzem Check, ob seine Tochter wieder am Platz sei, nochmal auf. Als ich gerade am Ausgang stand, um in Karlsruhe auszusteigen, eilte die Kleine an mir vorbei, zurück zu Mama. Vater und Mutter dürften sich über Handy verständigt haben. Ich bin sehr beruhigt, dass die Familie sich bereits einen Halt vor dem Aussteigen wiedergefunden hat!

Metropolitan

Beim Bahnreisen erlebt man die tollsten Dinge. Ich habe ja dieses Mal drei Zugfahrten, dreimal ICE: Karlsruhe nach Berlin, dann Berlin nach Duisburg mit anschließendem S-Bahn-Transfer nach Oberhausen und schließlich, noch in der Zukunft liegend, von Köln nach Karlsruhe mit vorherigem Transfer von Oberhausen nach Köln.

Die ICE-Fahrt von Berlin nach Duisburg allerdings fand mit einem ICE statt, den ich total skurril fand. Ich betrat meinen Wagen und fragte mich: Huch? Was ist denn nun los? Bin ich in der ersten Klasse gelandet? Nein, war ich nicht! Ich habe den ICE 1040 erwischt, der mit zu ICEs umfunktionierten Zügen des Metropolitan betrieben wird. Ein wundervoller Zug: Holztische, Holzverkleidung am Fenster und Kunstledersitze, ein wunderschöner Zug! Ein paar Eindrücke habe ich auch als Bilder festgehalten, aber ich wollte es nicht übertreiben. Jedenfalls war es eine wundervolle Reise mit einem Zug, der ein bisschen wirkt wie aus der Zeit gefallen.

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Was allerdings auch der Fall ist: So schön der Zug für die Passagiere ist, so eng und gedrängt ist er für das Personal. Das erzählte die Schaffnerin den vier Reisenden meiner Sitzgruppe, als wir sie fragten, was das denn für ein Zug sei – sie war schon darauf vorbereitet, denn offenbar stellten viele, auch erfahrene Bahnreisende stets dieselbe Frage, als sie ihre Fahrkarten vorzeigten.

Zudem ist das Ganze ein seltenes Vergnügen, denn nur zwei der Garnituren, die als Metropolitan Anfang der Nuller-Jahre eingesetzt wurden, verkehren als IC bzw. ICE auf verschiedenen Strecken der deutschen Bahn.

Wie die Bahn scheiterte …

… mich davon zu überzeugen, dass Bahnfahren doch nicht so toll wäre.

Vorweg: Ich habe keine ideologische Präferenz für’s Bahnfahren. Züge sind tolle Technik, aber begeistern kann ich mich für Flugzeuge, Schiffe, U-Boote – nicht so sehr für Waggons und Loks. Aber die Bahn hat als Transportmittel gegenüber den wichtigsten Konkurrenten im Personentransport entscheidende Vorteile.

  • Im Gegensatz zum Auto kann man jederzeit auf Toilette, meist auch die Augen zumachen, am Handy chatten, auf dem Laptop schreiben oder arbeiten, sich nett unterhalten …
  • Im Gegensatz zum Flugzeug kann man sich hinsetzen und gut ist. Beim Fliegen hat man den Weg zum Flughafen, das Einchecken, die Wartezeit am Gate … insgesamt ist man vielleicht schneller als mit der Bahn, aber die Reisezeit ist weder flexibel wie mit dem Auto noch ungestört wie mit der Bahn.

Die Bahn ist also für Fernreisen ein Verkehrsmittel, das ich dem Fliegen jederzeit vorziehen würde, wenn es nicht gerade eine Zeitersparnis von 50% oder mehr ergibt. Nur die Flexibilität lässt mich oft zum Auto greifen.

Heute allerdings, für einen geschäftlichen Termin von gerade mal gut zwei Stunden in München, strapazierte die Bahn die Lanze, die ich für sie breche, sehr stark. Morgens hatte ich extra einen längeren Umsteigezeitraum in Stuttgart eingeplant – 5 Minuten waren mit zu wenig, da ich Sorge hatte, dass mein IC von Karlsruhe nach Stuttgart Verspätung haben würde. Er hatte nur sehr wenig Verspätung, dafür war der EuroCity, in den ich in Stuttgart knapp hätte umsteigen wollen, satte 15 Minuten zu spät. Der ICE, den ich stattdessen gewählt hatte, brachte es auf zehn Minuten Verspätung. Alles noch im Rahmen, nicht toll, aber im Rahmen.

Auf der Heimfahrt aber kam es knüppeldick: Nachdem ich keinerlei Zeitreserve für meinen EC nach Hause hatte, hetzte ich von der U-Bahn in den Münchner Hauptbahnhof, nur um vor der Anzeige zu erstarren. „Das ist jetzt nicht denen ihr Ernst!“, entfuhr es mir in zugegeben süddeutschem Akzent. Siebzig [sic!] Minuten Verspätung. SIEBZIG! Mehr als eine volle Stunde. Alles klar, ich tappte also zum Infostand und ließ mir eine Alternative geben. Der Mitarbeiter dort meinte, mein geplanter EC werde sicher noch mehr Verspätung akkumulieren, ich solle mit anderthalb Stunden rechnen – und dann doch lieber den direkten IC von München nach Stuttgart nehmen. Ich saß also eine Stunde am Münchner Hauptbahnhof herum. Vor lauter Hetzen auf der einen und aus dem Konzept gebracht Sein auf der anderen Seite ging mir völlig ab, meine Bekannten und Freunde in München drauf zu triggern, ob man nicht vielleicht einen Kaffee gemeinsam trinken könne. Dann erreichte ich den IC, der die Alternative zu meinem EC darstellte. Der kam aufgrund technischer Schwierigkeiten erstmal zehn Minuten verspätet los – und dann ging es in Burgau erstmal gar nicht mehr weiter. Bomben-Alarm – vermutlich ein Blindgänger – in Neu-Ulm, Strecke gesperrt, Progonose: 45 Minuten weitere Verzögerung.

Ich verbrachte die Zeit mit netten Gesprächen – danke an die Ingenieurs-Studentin der TUM, den Schüler, dessen Halt in Plochingen überfahren wurde und den Abgänger der DHBW, mit denen ich tolle Gespräche führte! Bis Bruchsal war der Zug mehr als sechzig Minuten verspätet – und ich war ja ohnehin sechzig Minuten zu spät losgekommen, so dass sich meine Gesamtverspätung auf über zwei Stunden summierte.

Dennoch: Gespräche wie die in einer verspäteten Bahn findet man selten. Man lernt interessante Menschen kennen, unterhält sich nett, und vielleicht werden sogar Kontakte draus. Ich breche meine Lanze für die Bahn. Auch wenn heute alles schiefging, war nur schiefgehen kann. Aber am Ende des Tages war ich dann doch glücklich zurück. Nicht um 17:31, sondern deutlich nach 19:00. Aber ich werde auch für weitere Reisen nach München wieder die Bahn nehmen. Zwei Mal vier Stunden Autofahrt sind verschwendete Zeit. In zwei Mal vier Stunden Bahnfahrt kann man reden, denken, arbeiten … und so weiter. Und DAS ist doch mal was wert!

2018-03-02 19.01.05

Packen …

Der Moment, in dem man feststellt, was man alles mit den Menschen machen möchte, die man besuchen möchte – und was man dafür alles braucht. Es ist genau dieser Moment, in dem der Traum vom minimalistischen Reisen zerplatzt.

Allerdings haben wir zum Glück die Wahl zwischen meinem kleinen Auto und dem etwas größeren meines Mannes. Reichlich voll wird’s trotzdem, aber wir kriegen es da deutlich entspannter hin. Gepäck-Tetris will ja doch keiner spielen, am Ende verschwinden die lückenlosen Reihen ja doch mal, so wie im Spiel … und dann hat man den Salat. Oder eben genau nicht mehr.