Gewissheiten

Ich lese immer mal wieder ein bisschen was zum Thema „Laufen“. Hier halten sich an vielen Stellen einige „Gewissheiten“, die ich so nicht untermauert sehe. Natürlich spielt das Thema für mich deswegen eine Rolle, weil ich eine Läuferin bin – diese Tatsache gehört inzwischen fest zu meinem Selbstbild. Etliche dieser „Gewissheiten“ zum Thema laufen, die immer wieder in verschiedenen Medien wiedergekäut werden und immer wieder auf Studien zurückgeführt werden, teile ich so in dieser Form nicht.

„Marathonvorbereitung ist gesund, der Wettkampf nicht“ Dieses Mantra habe ich schon öfter vor den Latz geknallt bekommen. Wenn man das für bare Münze nimmt und zuendedenkt, dann sollte man ein Marathontraining durchziehen, aber eben den Wettkampf nicht laufen. Dass der Wettkampf an sich sehr motivierend ist, um das als gesund gelabelte Training dafür durchzuziehen, wird dabei nicht berücksichtigt. Zudem möchte ich hier nicht grundsätzlich unterschreiben, dass ein Marathon ungesund ist. Ein schlecht oder gar nicht vorbereitet gelaufener oder zumindest versuchter Marathon ist sicher ungesund. Dass der Wettkampf – egal auf welcher Strecke – eine größere Belastung als das Training darstellt, kann und will ich gar nicht bestreiten. Dennoch glaube ich, dass bei entsprechender Vorbereitung auch die volle Distanz mit dem „Dampf“ des Wettkampfgefühls dahinter nicht in dem Sinne ungesund ist – nur halt danach eine ordentliche Erholung erfordert. Was nicht genutzt wird, verkümmert, in dieser Hinsicht ist auch die Leistung abzurufen, auf die man sich vorbereitet hat, Teil des Bewegungs-Gesamtpakets.

„(Zu) viel laufen ist ungesund“ Ein hartnäckiges Mantra, das von einer immer mal wieder zitierten Studie gestützt werden soll. Darin heißt es, das zwei bis drei Stunden laufen in der Woche gesünder seien als sich nicht zu bewegen – ja, auf jeden Fall – aber auch, dass mehr zu machen ungesund sei. Außerdem wird davor gewarnt, so schnell zu laufen, dass man sich dabei nicht mehr unterhalten kann. Tatsächlich gibt es Empfehlungen der WHO, die 30 Minuten sportliche Aktivität am Tag zusätzlich zu dem Gehen im Rahmen z.B. der Arbeit und des Arbeitsweges für minimal nötig ansehen. Schon das sind dreieinhalb Stunden in der Woche. Ich liege derzeit in Bereichen von sechs bis zehn Stunden laufen pro Woche, dazu kommen noch ein- bis zweimal Fitnessstudio. Für mich hat das eine Stabilisierung des Remissions-Zustands meiner Colitis ulcerosa bewirkt, eine effektive Gewichtskontrolle, eine größere Resistenz gegen Erkrankungen und insgesamt mehr Energie für den Alltag erbracht. Das kann natürlich immer noch subjektiv sein. Mit dem Ausdauerjäger mit geringer Lebenserwartung zu argumentieren, möchte ich nun auch nicht riskieren. Die meisten Studien, ob etwas gesund ist, messen dies in gewonnener Lebenserwartung, da schneiden unsere sehr viel laufenden, steinzeitlichen Vorfahren nicht unbedingt gut ab. Aber was unsere steinzeitlichen Vorfahren definitiv zeigen: Der Mensch KANN lang und ausdauernd laufen, die Evolution hat ihn dazu gezwungen, das zu können – sonst hätte der „Jäger“-Aspekt des steinzeitlichen Menschen nicht funktioniert, weil alle Beutetiere im Sprint schneller sind als der Mensch. Dass wir bis ins hohe Alter ausdauernd laufen können, ist aus meiner Sicht ein Hinweis. Ein weiterer Hinweis ist, dass die Langstrecke tendenziell weniger verletzungsanfällig ist als die Kurzstrecke oder schnellkraft- und beweglichkeitslastige Sportarten, die zudem auch eine deutlich ungünstigere Entwicklung mit dem Alter erfahren als das Laufen. Was aber definitiv ungesund ist, sind zu schnelles Steigern der Strecken und Verletzungen nicht ausreichend lange auskurieren. Das hat aber erstmal nichts mit einer verhältnismäßig hohen Gesamtlaufleistung zu tun, die fast zwangsläufig in moderater Intensität gelaufen wird – 70-90 Kilometer in der Woche in der Intensität meiner Intervalltrainings? Nee, danke, da hätte ich längst aufgegeben.

„Laufen schädigt die Gelenke, insbesondere die Knorpel“ An dieser Stelle bin ich besonders ärgerlich. Knorpel werden nicht durchblutet, sie erfahren ihre Nährstoffversorgung nur darüber, dass nährstoffarme Körperflüssigkeit durch Stauchung herausgepresst und nährstoffreichere Körperflüssigkeit danach wieder aufgesogen wird. Dass mancher sich durch zu schnelle Steigerung die Knorpel schädigt, mag sein. Aber in der Regel würde ich vermuten, dass bereits geschädigte, zu lange geschonte und darüber verkümmerte Gelenke und Knorpel beim Laufen durch Schmerz auffällig werden, erst recht, wenn unsinnig schnell gesteigert wird. Aber: Es gibt noch einen anderen Aspekt, der nicht so sehr den Fokus auf den Knorpel, sondern mehr auf die Gelenke legt. Denn laufen ist nicht gleich laufen: Durch sehr gut gedämpftes Schuhwerk, Phasen mit wenig Bewegung, durch das Tragen hoher Schuhe und viele andere Dinge sind wir nicht unbedingt in Fühlung mit unseren Gelenken. Wenn ich barfuß aus einer laufartigen Flugphase auf der Ferse aufkomme, verziehe ich das Gesicht – das tut WEH. Dass ich normalerweise beim Gehen, also ohne Flugphase, auf der Ferse aufkomme, steht auf einem anderen Blatt. Letztlich kann ich beim langsamen Laufen, beim Steigern der Umfänge ein Gefühl dafür entwickeln, was beim Laufen anders ist als beim Gehen, und entsprechend versuchen, mir einen schonenderen Laufstil anzugewöhnen. Denn mit einem für einen selbst und die gewünschten Distanzen geeigneten Laufstil und einen auf Laufstil und Distanzen abgestimmten Schuh ist dieses „Laufen ist schlecht für die Gelenke“ ein zahnloses Raubtier – oder vielleicht sogar für wesentlich mehr Menschen, als man denken sollte, eigentlich nur eine Legende.

„Laufen muss ungesund sein, denn es stirbt immer wieder jemand bei Marathons den plötzlichen Herztod.“ Ja, beim Laufen hat das Herz zu tun, insbesondere die Kombination aus Wettkampf und Hitze stellt eine Belastung dar. Allerdings ist der Clou, dass man sich erstens gut vorbereitet, schon öfter mal über 30 Kilometer gelaufen ist, dass man nicht krank beim Marathon oder anderem Wettkampf antritt, sich Vorerkrankungen und Risikofaktoren bewusst macht und entsprechend damit umgeht, nicht überzieht – und wenn’s sich nicht mehr gut fühlt, auch mal abbricht, bevor man zusammenbricht. Warum braucht’s dennoch einen Sanitätsdienst, müssen trotzdem immer wieder Läufer auf Wettkämpfen behandelt werden? Hier gibt es zwei Faktoren: Einerseits kommt die Anwesenheit vieler Menschen mit stärkerer sportlicher Belastung vieler Menschen zusammen. Wenn zehntausend Menschen durch eine deutsche Großstadt rennen, ein guter Prozentsatz davon Marathon, der Löwenanteil wohl Halbmarathon, kann man sich durchaus klar machen, dass auch ganz unabhängig vom Laufen Menschen Herzprobleme haben und behandelt werden. Sicher sind’s unter Belastung im Wettkampf etwas mehr als zuhause auf dem Sofa, aber der Haupteffekt, der Laufwettkämpfe zum scheinbaren Problem für die Gesundheit werden lässt, ist die Sichtbarkeit. Über einen plötzlichen Herztod auf dem Sofa berichten Bild, Spiegel Online und wer auch immer nicht, über einen beim Marathon schon eher. Es gibt aber noch das stark verzögerte „andererseits“ der angekündigten zwei Faktoren. Ich habe schon viele Menschen gehört, die mir erzählten: „Das lief echt gut beim XY-Halb/Ganz-Marathon! Dabei habe ich gar nicht trainiert!“ Sicher gibt’s den einen oder anderen, der sein Training systematisch untertreibt, ob nun aus Bescheidenheit oder um sich danach selbst auf die Schulter zu klopfen – je nach Eigenwahrnehmung von Talent und Leistung oder dem Gefühl, „ein ganz harter“ zu sein. Ich neige aber dazu, den Menschen zumindest einen Teil dessen abzunehmen, was sie behaupten. Quasi ohne oder zumindest mit nicht adäquater Vorbereitung einen Laufwettkampf zu bestreiten geht sehr viel wahrscheinlicher schief, als wenn man sich an das gewünschte Tempo und die gewünschte Strecke über zwei, drei, vier Monate herangearbeitet hat.

Zu guter Letzt: „Du musst ja viel Zeit haben, wenn du so viel läufst!“ Es mag schwer vorstellbar sein, aber tatsächlich ist der entstressende Aspekt sportlicher Aktivität ein Faktor, der hilft, dass einem die Dinge danach schneller von der Hand gehen. Beim Laufen entzerren sich meine Gedanken, ich überwinde damit oft genug Blockaden in meinem Denken. Die am einfachsten irgendwo einpassbare sportliche Aktivität, das Laufen, kann Teil des Arbeitswegs sein, Teil des Heimwegs von der Arbeit, es gibt nicht viel zu organisieren, nur Laufschuhe und Sportsachen mitnehmen, auf einer Toilette umziehen, Arbeitsklamotten und Handtasche in den kleinen Rucksack und auf geht’s. Zudem: nach einem anstrengenden und vielleicht frustrierenden Arbeitstag – und die gibt’s auch auf den besten Arbeitsstellen – brauche ich mit einem Läufchen eine halbe oder ganze Stunde, um runterzukommen – gehe ich nicht laufen, öde ich meinen Mann und mich selbst die doppelte bis dreifache Zeit mit meinem Frust an. Nicht zuletzt habe ich einige Dinge zu organisieren und zu verschlanken gelernt, um Läufe unterzubringen, und damit Zeitverluste reduziert, die dann an Lauftagen für das Laufen und an Ruhetagen für anderes zur Verfügung stehen. Freilich: In einer intensiven Trainingswoche mit mehr als 90 Laufkilometern geht durchaus einiges an Zeit dafür weg. Aber im Endeffekt ist durch Priorisierung und durch die mental und physisch positiven Effekte für mich eher ein Gewinn an Zeit, wenn ich fünf bis sechs Stunden laufen in der Woche unterkriege, nicht zuletzt, weil ich besser einschlafe und ruhiger schlafe.

Das wurde nun ein ziemlicher Rant. Warum schreibe ich sowas? Mir klingt noch nach, dass die Vermieterin meiner Studentenbude mir von allen möglichen Menschen erzählte, die beim Laufen gestorben sind. Ich lese immer wieder, wenn ich auf der Suche nach anderem bin, doch wieder Berichte, in denen der Bewegungsmangel gegeißelt wird, dann aber doch schon drei Stunden Sport in der Woche als Obergrenze des Gesunden suggeriert werden. Es kann natürlich sein, dass das nur „gefühlt“ ist, aber eine latente Unterstellung von „Laufsucht“ und „so viel kann doch nicht gesund sein“ sowie das Gefühl, mit meiner Lauferei permanent schlechtes Gewissen bei anderen auszulösen, brechen sich halt doch manchmal Bahn.

Vom Laufen bei Hitze

Halbmarathons sind Volkssport, diesen Eindruck kann man gewinnen. Viele Menschen trauen sich den „Ganzen“ nicht zu, weil sie nicht die Zeit für das Training haben, oder auch nicht den Biss – recht so, ein unvorbereiteter Marathon ist keine gute Idee. Halbmarathons haben dagegen schön regelmäßig die sechs- bis achtfachen Teilnehmerzahlen der zeitgleich angebotenen Marathons. Wegen des stabilen Wetters findet man viele Laufveranstaltungen im Sommer – damit ergibt sich zwangsläufig das Problem des Laufens bei Hitze.

21,1 Kilometer zu laufen dürfte ein Großteil der Bevölkerung sich erarbeiten können – das schreibe ich bewusst so. Laufen erfordert Training, insbesondere muss man sich darin üben, zu lernen, was man kann – und was nicht. Sich die Kräfte für einen Halbmarathon im Training einzuteilen, ist im Verhältnis zum ersten Wettkampf-Halbmarathon leicht. Denn beim Wettkampf stürmen erst einmal alle los, der Ehrgeiz gebietet, da mitzurennen – und wenn es nicht der Ehrgeiz ist, dann ist doch die Atmosphäre mit Anfeuerern und Leuten ringsum, die auch laufen, eine sehr motiverende – übermotivierende! Das Problem verschärft sich bei Hitze.

Ich bin eine Person, die bei Hitze gerne läuft, die oft bei Hitze trainiert und die Hitze beim Sport auch ohne spezifisches Hitze-Adaptions-Training tendenziell besser abkann als andere. So viel weiß ich. Ich weiß aber auch, dass ich bei 32°C und Sonne satt lässig mal eine Runde in der Mittagspause laufe und merke, wie mein Puls höher geht als sonst, dass ich mehr Wasser brauche. Das merke ich, die ich anhand des Leistungsvergleichs mit meinem Vater beim Radfahren mit 17 gut sehen konnte, wie warm es war – bei unter 30°C musste ich hinterherhecheln, bei deutlich über 30°C brauchte er es gar nicht zu versuchen, ich war einfach schneller. Aber auch meine „flache“ Leistungs-Temperatur-Kurve ist da, auch ich muss etwas weniger schnell laufen bei brüllender Hitze – und mehr trinken.

Ich kenne viele Leute, die ihr Training sein lassen oder vor Sonnenaufgang laufen, wenn es so heiß ist wie zur Zeit. Bei Wettkämpfen kann man sich die Startzeit allerdings nicht aussuchen. Man muss sich klar machen, dass es dann andere Bedingungen als beim Training sind. Wenn man bei Hitze loslaufen will wie verrückt, muss man sich im Training an Hitze adaptieren. Wenn man beim Wasserstand wegen beim Nachfüllen nicht nachkommenden Personals erstmal keinen Becher kriegt, muss man halt mal einen Moment stehen bleiben, bis wieder ein Becher da ist. Vor allem im hinteren Feld wird’s oft echt anstrengend für die Helfer, weil sehr viele Läufer durchkommen.

Ob beim Hella Hamburg Halbmarathon gestern das Wasser ausging, im vollen Bereich über 1:45 Zielzeit, wie in den Medien kolportiert wird, kann ich nicht beurteilen. Da war ich nämlich schon durch, und bei mir gab’s mehr als genug Wasser. Aber eines ist sicher: Bei Halbmarathons treten immer wieder Leute an, die nicht optimal vorbereitet sind – oder durch den Effekt des Wettkampfs über ihre Verhältnisse laufen. Das ist ungesund, jedenfalls ungesünder, als 70 Kilometer die Woche laufen und dann halt auch das aufgebaute Tempo im Wettkampf zu ernten. Hitze potenziert das Problem – und auch das sollte man sich mal klar machen. Bevor ich zusammenklappe, bleibe ich lieber mal stehen, mache eine Gehpause oder gebe auf. Da ich mittlerweile aus „recht faul“ ein recht passables Laufpensum und ganz gute Wettkampfleistungen aufgebaut habe, aber eben meine Zeit brauchte und auch nur langsam schneller werde, sehe ich es kritisch, dass kollabierte Läufer bei Wettkämpfen erstmal den Veranstaltern und/oder dem Laufen an sich zur Last gelegt werden.

Denn Laufen ist ein Sport. Wettkampfsport, auch auf Hobby- und Amateurbasis, erfordert adäquates Training – und DAFÜR ist jeder selbst verantwortlich. Insbesondere bei extremen Bedingungen.

Du Reißverschluss-Weisheitszahn, Du elender!

Noch eine Staubegegnung, auch wieder eine vom Dienstag dieser Woche. Ich habe einen der Weisheitszähne des Reißverschlusses in Reinkultur erlebt, und das hat mich so geärgert, dass ich sein amtliches Kennzeichen aufgeschrieben habe – aber ich werde es dennoch nicht hier veröffentlichen. Was ist also passiert?

Ich fuhr im Megastau am Dienstag auf der A8, war durch so ca. 30% der Verzögerung auf meiner Strecke durch. Ich näherte mich der Verengung bei Pforzheim Ost an, langsam entwickelte sich der Kampf um die beste Stellung zum Einfädeln zwischen mittlerer und linker Spur. Ich war auf der mittleren, der Fahrer schräg vor mir auf der linken Spur suchte sich die potentielle Lücke vor mir aus. Ich zog diese also auf und hielt mich schön auf Lücke zum schräg-linken Vordermann und dem schräg-linken Hintermann. Und genau dieser Hintermann entpuppte sich als reinrassiger Weisheitszahn des Reißverschlusses. Er drängte immer wieder neben mich, halb vor mich, während der Vordermann ganz brav seine Lücke suchte – und weder für mich noch für ihn Platz war, um eine Lücke für den Drängler zu finden, der hinter meinem Heck von meinem direkten Hintermann SEINE Lücke aufgezogen bekam. Der direkte Hintermann des Dränglers suchte sein Glück weiter hinten, so dass ein einwandfreier Reißverschluss möglich gewesen wäre.

Der Drängler zog das Ganze tatsächlich bis zum Äußersten durch und musste dann wegen der in seine Spur hineinwachsenden Leitplanke bremsen und die für ihn aufgezogene und aufgehaltene Lücke HINTER mir nehmen. Danach fuhr er anständig. Aber so, genau so wie der das gemacht hat, tötet man das Reißverschlussverfahren. Genau so zerstört man potentiell funktionierenden Reißverschluss und bremst alle aus!

Woah, wie mich das noch immer ärgert!

LKW-Tetris Mark II

Dienstagmorgen, gegen 9:00, Rasthof Pforzheim Ost.

Gemäß offiziellen Verkehrsregeln sollten die folgenden Ereignisse …

… niemals passieren!

Was also ist passiert, dass ich einen Staubegegnungen-Post mit einer Art Zitat des Vorspanns von „Jagd auf Roter Oktober“ beginnen lasse? So einfach wie frustrierend: Als ich nach gewaltigem Stau und vor gewaltigem Stau (Pforzheim Ost lag mitten im Rückstau eines Unfalls auf der A8 zwischen Rutesheim und Leonberg West, der nahtlos in den Rückstau von der Verengung und Senke bei Pforzheim Ost überging) am Rasthof Pforzheim Pause für Toilette und Espresso machte, wollte ich danach natürlich wieder auf die Autobahn und weiter Richtung Stuttgart. Naja, „wollen“ ist so eine Sache, bei dem Stau, der mir da noch bevorstand. Aber ich musste ja. Also fuhr ich wundervoll über die Brücke, den Zubringer entlang und wollte über diese kleine, parkplatzartige Bucht wieder auf die Autobahn fahren. Wollte. Ja.

Denn der LKW vor mit bremste und stand. Aus meiner Perspektive war nicht zu erkennen, warum genau. Das bekam ich erst hinterher heraus. Während ich noch rätselte, was bei allen Blech-und-Reifen-Göttern nun schon wieder kaputt war, drückte der stehende LKW auf die Hupe, dann nochmal und nochmal. Mittlerweile sammelten sich hinter mir die LKW und PKW, die wie ich wieder auf die Autobahn wollten. Es ging aber nichts. Gar nichts. Dann stieg da vorne einer aus, gestikulierte wild mit den Armen. Mittlerweile kam mir ein Verdacht:

Wegen eines Lieferwagens, der auf der eher als Verkehrsinsel denn als Parkplatz markierten nicht-Fahrbahn-Stelle auf der Abfahrt zum Rasthof Pforzheim geparkt hatte, hatte ein weiterer LKW zu weit rechts auf dem Fahrstreifen durch diese Halte- und Abfahrtsbucht hindurch geparkt. Natürlich konnte mit der fast rechtwinkligen Kurve, die mein Vorder-LKW-Mann in Richtung Autobahn Richtung Stuttgart zu fahren hatte, und einer viel zu schmal gewordenen Fahrspur (an der Leitplanke zur Autobahn hin stand auch ein LKW) niemand mehr durch. Die weiter rechts gelegene Fahrspur, sozusagen die „innere“ auf dieser Ausfahrtbucht, war durch meinen querstehenden Vordermann blockiert. Es ging gar nichts mehr, während der LKW, der den LKW blockierte, der mich blockierte, in Zeitlupe, immer halbe Raddurchmesser vorankommend, aus dem Weg schlich. Ich lehnte mich zurück, dachte mir so: „Alles klar, die brauchen noch – hä?!?“

Denn in diesem Moment fuhr sehr beherzt ein PKW mit Mannheimer Kennzeichen an den fünf PKW, dem LKW und mir vorbei, die sich inzwischen auf dem Zubringer stauten. Er schaute sich den Schlamassel, an mir vorbeirollend, erstaunt an. Dann guckte er hilflos und entschuldigend lachend zu mir rüber. Ähm … ich meine, wir halten ja auch alle auf der Zufahrt zur Autobahn an, weil wir nichts Besseres zu tun haben, nicht wegen eines eventuellen Hindernisses …

Jedenfalls blockten selbiger PKW-Fahrer und der LKW hinter mir dann fast noch die Ausfädel-Spur in Richtung des Rasthofes, so dass man nur noch mit Hin- und Herkurven von der Autobahn zum Rasthof kam, um auf der linken der beiden Spuren durch die Parkbucht zum Stehen zu kommen, damit sie möglichst schnell auf die Autobahn fahren konnten, wenn die Situation geklärt wäre.

Da sich der Fahrer des Lieferwagens im Weg nicht fand und drei LKW nebeneinander durch eine etwa zweieinhalb LKW breite Lücke durchzubekommen einfach dauert, lehnte ich mich zurück und wartete – und es lohnte sich. Denn für den PKW-Verkehr war der Weg RECHTS am Lieferwagen vorbei recht schnell wieder frei, während direkt neben der Autobahn noch Rangierchaos herrschte. All die Drängler und vermeintlich erfolgreichen Opportunisten mussten sich noch gedulden, während ich auf der freigewordenen rechten Fahrbahn wieder in Richtung Autobahn und dann auffahren konnte. Immerhin. Regelgerecht warten, bis ein nicht-regelkonform aufgebautes Chaos abgebaut war, führte mich schneller wieder auf die verstaute Strecke, als die anderen mit nicht-regelkonformem Drängeln wieder drauf kamen.

Ich sehe natürlich, dass bei solch gewaltigen Staus wie heute LKW ihre Pausen machen müssen. Deswegen aber Zufahrten zuzuparken, ist echt das Letzte. Deswegen mein Appell an alle LKW-Fahrer, die unbedingt Pause machen müssen: Bevor Ihr die Zufahrt zu einem ohnehin vollen Parkplatz welcher Couleur auch immer, oder gar dessen Durch- oder Ausfahrt zustellt, stellt Euch lieber davor oder dahinter auf den Standstreifen. Das ist nicht mehr und nicht weniger regelwidrig, hält aber nicht alle anderen auf.

Was soll das?

Diese Frage ist nicht nur der Titel eines sehr einprägsamen Lieds von Herbert Grönemeyer, sondern auch eine, die ich mir des öfteren auf der Straße stelle. Diese Woche habe ich recht häufig intensive Müdigkeit am Abend verspürt, so dass ich dreimal solche „Was soll das?“-Momente erlebt habe, ohne sie hier zu dokumentieren.

Der von heute früh muss nun aber doch sein …

Es begab sich also zu der Zeit, da ich meine Fahrt von Zuhause zur Arbeit antrete, und mich auf dieser Reise über die Bundesautobahn 8 bewege. Nach durchaus heute nicht allzufreier Fahrt trieb ich meinen Toyota Aygo, der zugegebenermaßen vom Motorengeräusch her sportlicher klingt als er ist, die Steigung von Nöttingen nach Pforzheim West empor. Wie so häufig wechselten sich Abschnitte mit vielen Fahrzeugen, die sich um LKW-Überholvorgänge sammelten, mit völlig freien Abschnitten ab. Nun kam ich an die Stelle, an der die Steigung schon langsam geringer wird, kurz vor das Ausfahrt nach Pforzheim – und was machte der LKW auf der rechten Spur vor mir, die ich die mittlere benutzte?

Genau, er zog rüber. Ohne zu blinken – oder eher: er schaltete den Blinker an, als er schon halb auf der mittleren Spur war. Freilich, wenn ein LKW so lange es geht auf der rechten Spur bleibt und erst kurz vor dem zu überholenden Vordermann ausschert, ist das eine feine Sache, weil man länger ungestört auf der mittleren Spur fahren kann …

Moment. Vordermann? Der von mir vernünftigerweise unterstellte Vordermann existierte gar nicht! Der LKW scherte ohne jeglichen ersichtlichen Grund auf die mittlere Spur aus. Ich habe kein Hindernis gesehen, keinen havarierten Verkehrsteilnehmer auf dem Standstreifen und auch kein Stück Reifen oder Holzstück oder was auch immer auf der rechten Spur. Auch eine Metallstange, wie sie später im Verkehrsfunk angesagt wurde, war nicht zu erkennen. Genau an dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich sauer wurde. Nicht, dass ich verlangen wollen würde, dass ein mit halbwegs leichter Ladung oder halbwegs starkem Motor zu 70-80km/h bergauf in der Lage befindlicher LKW hinter dem weniger glücklichen Kollegen, der sich mit kaum 40km/h den Berg hochquält, von der mittleren Spur fernhält – sicher nicht. Ich sehe es auch recht kritisch, dass ein Blinken eines Fahrzeugs auf der rechten Spur von PKW wie LKW auf der mittleren Spur oft nicht für voll genommen wird – und plädiere dafür, eher mal den Fuß vom Gas zu nehmen und solche Leute reinzulassen.

Was ich aber absolut nicht abkann, ist unnötiges, plötzliches, signalfreies Spurwechseln ohne jede Rücksicht auf den Verkehr auf der Ziel-Spur. Das ist gefährlich. Ein LKW auf dem Beschleunigungsstreifen darf ruhig mal auf’s Gas drücken, ein PKW sowieso. Einfädeln in den laufenden Verkehr heißt nicht, dass ich stur im fünften Gang den Beschleunigungsstreifen benutze und an dessen Ende bei 62km/h auf die rechte Spur rüberziehe, weil ja die LKW alle spontan und ohne zu gucken auf den mittleren Streifen rübergezogen sind.

Ferner ist eine freie linke Spur kein Argument, von der rechten Spur mit nur kurzem oder gar ohne Blinken kurz vor einem Fahrer auf der mittleren Spur rauszuziehen – denn wenn ich als dieser Fahrer auf der mittleren Spur den ausscherenden LKW oder PKW vor mir beobachten muss, seine Geschwindigkeit durch die Änderung seines Tempos und seiner Richtung nicht gut einschätzen kann, habe ich keine Kapazität, die linke Spur zu beobachten, um sicher selbst nach links zu wechseln. Wenn das fünf, sechs, zehn Autolängen vor mir passiert – gut, dann habe ich Zeit, den Kopf zu drehen, den Blinker zu setzen und auszuscheren. Aber drei, vier Autolängen vor mir – wenn da einer ausschert, habe ich nicht die Kapazität, selbst ein sicheres Spurwechselmanöver auszuführen und zugleich darauf zu achten, den neu gewonnenen Vordermann sicher zu berücksichtigen.

… und gerade diese Woche passiert sowas wieder LAUFEND!