Doppelt virtuell

Dieses Jahr ist es schwierig mit den Wettkämpfen, denn wegen der Corona-Pandemie finden viele große Veranstaltungen nicht statt. Man rennt bei einem Laufwettkampf zwar den größten Teil der Zeit mit mehr oder minder großem Abstand zu anderen Läufern durch die Gegend – durch Straßen, Wälder, über Brücken… aber beim Start ist es eng und insbesondere in der kalten Jahreszeit hängt man am Ziel eng aufeinander, und da ist dann auch nach dem Wettkampf das Immunsystem etwas schwächer. Ist also durchaus richtig…

Natürlich tut’s mir nach dem Wettkampf- und Bestleistungsfeuerwerk von 2019 ein bisschen weh, dass nichts geht. Aber ich seh’s ein. Auch für den Köhlbrandbrückenlauf habe ich meine Teilnahme auf das kommende Jahr verschoben, denn infektionsschützend in kleinen Blöcken starten und dafür sechs Stunden hin und sechs Stunden zurück mit Maske im Zug sitzen… das ist irgendwie nicht das, was ich mir von einem Wettkampf erhoffe.

Was blieb also? Virtuelle Wettkämpfe… nur dass ich mir mit denen schwer getan habe. Am Wettkampf ist das direkte Messen aneinander, das anfeuernde Publikum, all das, ein entscheidender Teil des Erlebnisses. Virtuelle Wettkämpfe reduzieren das alles auf pure, unpersönliche Konkurrenz. Bei sowas habe ich dann ehrlich gesagt eher auf die gesondert ausgerichteten, zeitlich beschränkten virtuellen Wettkämpfe verzichtet und mich auf Strava-Segmente verlegt. Diesem Grundsatz bin ich aber an einer Stelle untreu geworden – beim Campus Run. Da ist es allerdings kompliziert…

Wie Ihr vielleicht wisst, oder auch nicht wisst, habe ich beim Campus Run der Uni Stuttgart seit Beginn immer teilgenommen. Ich bin sogar die einzige, die einmal häufiger beim Campus Run gelaufen ist, als er ausgetragen wurde – im ersten Jahr waren der Sechser und der Zwölfer nicht parallel ausgerichtet, so dass ich beide mitlaufen konnte – den Zwölfer für meine Leistung, den Sechser als Begleitung für eine Kollegin. Diese Serie wollte ich halten – der Versuch, den letztjährigen Sieg zu verteidigen, war zwar auch eine Motivation, aber die Serie zu halten war wichtiger. Indes, es war nicht möglich. Der Campus Run der Uni Stuttgart wird dieses Jahr erstmals virtuell ausgerichtet, der Wertungszeitraum endet heute Abend, er ging vom 21.09. bis 27.09., auch die Strecken waren andere als normal: fünf, siebeneinhalb und zehn Kilometer. Entscheidend war aber, dass der Hochschulsport natürlich ein bisschen den Auswerteaufwand reduzieren musste und daher das Teilnehmerfeld auf Mitarbeiter und Studenten der Uni Stuttgart begrenzte. Alumni, Ex-Mitarbeiter und auch Sonstige, die in den Jahren zuvor teilnehmen konnten, waren nun außen vor. Als Vorjahressiegerin und treue – treueste Teilnehmerin des Laufs bot man mir auf meine Frage aber an, meine Ergebnisse „außer Konkurrenz“, sozusagen in virtueller Teilnahme am virtuellen Lauf, einzureichen. Ich werde also – hoffentlich – in den nächsten Tagen eine Mail erhalten, in der man mir mitteilt, wie ich abgeschnitten hätte, wenn ich hätte teilnehmen können. Was ich eingereicht habe, war natürlich die längste verfügbare Strecke – wie immer! Bei dieser Gelegenheit habe ich allerdings eine neue persönliche Bestleistung über zehn Kilometer aufgestellt. Ich lief mich gestern drei Kilometer warm, dann pushte ich mich durch die zehn Kilometer und lief noch einen drei Kilometer langen Cool Down.

Meine virtuelle Teilnahme am virtuellen Lauf.

Im Dezember 2019 war ich zuletzt ein Personal Best auf zehn Kilometer gelaufen, das war bei der Winterlaufserie in Rheinzabern. Nach dem Hardtwaldlauf (39:58) war der Zehner der Winterlaufserie mit 39:41 schon eine ziemliche Steigerung. Nun musste ich „es“ ohne Publikum, ohne Verpflegung, ohne Konkurrenz tun. Das ist hart! Andere Leute auf der Strecke, das Publikum, das spornt an. Auch der Becher Wasser auf halber Strecke hilft. Aber geht ja nicht! Bei virtuellen Läufen nicht, bei noch viel virtuelleren, „inoffiziellen“ Teilnahmen noch weniger.

Und dennoch lief ich 38:41 auf zehn Kilometer. Es war mein erster Wettkampflauf, vor dem ich mich eingelaufen habe und nach dem ein Cool Down eingeplant war. Es war ein unglaublich schneller Lauf, den ich deswegen „Perfect Ten“ genannt habe. Viel Verbesserung ist da nicht mehr drin für mich, auf den Zehner, glaube ich.

Nun bin ich gespannt, was bei der virtuellen Teilnahme an einem virtuellen Lauf rausgekommen wäre, denn es eine nicht-virtuelle Teilnahme an einem virtuellen Lauf gewesen wäre. Jedenfalls bin ich sehr stolz, meine persönliche Bestleistung auf zehn Kilometer um eine Minute verbessert zu haben – das sind mehr als 2,5%!

38. Winterlaufserie – der Zwanziger

Die Winterlaufserie in Rheinzabern umfasst stets einen Zehner am dritten Advent, vier Wochen später einen Fünfzehner und weitere vier Wochen danach einen Zwanziger. Wer einen Lauf sausen lässt, ist aus der Serienwertung raus. Nachdem ich zum Fünfzehner krank war und somit aus der Serienwertung raus war, konnte ich den Zwanziger prinzipiell ohne Ansprüche angehen. Allerdings fiel mir das schwer – das resultierte in einem Haufen Zweifeln. Klar, beim Zehner hatte ich mit soliden Sub-40 und einem zweiten Platz in der Altersklasse hinter Simone Raatz schon eine gewisse Marke gesetzt, der zweite Platz der W40 in der Serienwertung letztes Jahr war auch etwas, das ich gerne wiederholt oder verbessert hätte. Fünfzehner weg, is‘ nich‘, okay.

Eigentlich war also alles klar. Der Zwanziger war für den Spaß, als Teil des Trainings, denn ich plane dieses Jahr eine Wiederholung der Teilnahme beim Regio Cup Karlsruhe, zudem möchte ich zwei Marathons laufen, und die Reihe beim Campus Run möchte ich auch nicht abreißen lassen, wenn wir in der Woche nicht gerade in Bensersiel sein sollten – der Campus Run wird leider später terminiert, als wir unsere Urlaubsplanung abschließen mussten.

Dennoch flatterte ich vor dem Lauf wie das Flatterband an den Pylonen der Streckenabsperrung im beginnenden Sturm in Rheinzabern. Ich formulierte mir selbst ein Minimalziel: Zwanzig Kilometer in unter 1:27:00, denn mit Halbmarathon in 1:27:02 und bester Zwanziger-Wettkampfzeit von 1:27:30 war da irgendwie ein komisches Feature in meinen Personal Bests. Ich hatte schon zwei Halbmarathons mit besseren 20-km-Abschnitten als meine Wettkampfzeit in Rheinzabern von 2019. Das war also das Ziel.

Der Lauf

Nach einer nicht besonders guten Nacht – zweimal aufgestanden, weil ich erstmal nicht mehr schlafen konnte – und sowieso nur rund sieben Stunden Zeit zwischen Zubettgehen und Weckerklingeln war ich fast zu müde zum nervös Sein. Aber nur fast! Ich trank also meinen Tee, suchte meine Siebensachen zusammen und fuhr dann mit meinem Mann nach Rheinzabern. Es hingen noch ein paar Fragen und Dinge in der Luft, die ich tun wollte, dazu beschäftigt mich die Organisation der ersten zwei Tage kommender Woche – aber dazu vielleicht wann anders. Kurz: Nicht allein der Lauf machte mich nervös und ich fürchtete ernsthaft, die 1:27:00 nicht zu schaffen. Das sagte ich nicht laut, denn alle hätten mich ausgelacht – klar schaffst du das, hätten sie gesagt. Mit Startnummer und einem Kaffee bestückt, die Vereinskollegen von den Sport Löwen Baden vor Ort und einigen netten Gesprächen mit anderen Läufern ging die Nervosität etwas zurück.

Die neue Zwanziger-Strecke in Rheinzabern – rot die alte Strecke, die zuvor zweimal durchlaufen werden musste. Stattdessen lief man nun die je fünf Kilometer langen Erweiterungen in grün und blau.

Direkt am Start traf ich dann auch noch den Michael von meinem Lauftreff der LG Hardt in Bietigheim, und dann ging es auch schon los. Leider war das Verhältnis von Wind, Grundbrummen all der Unterhaltungen im Starterfeld und Rheinzaberns Turnerverein-Lauf-Vorstand mit Megafon so ungünstig, dass ich nicht mitbekam, dass eine Gedenkminute abgehalten wurde, für den verstorbenen Bürgermeister der Stadt, der so oft die Läufe in Rheinzabern gestartet hatte. Damit stand ich aber wohl nicht allein, wie mein Mann berichtete. Dann ging es aber auch schon los. Verhältnismäßig lässig ordnete ich mich ein, achtete kaum auf meine Uhr, zog an Läufern vorbei, wurde aber auch ein paar Mal überholt. Schließlich schloss ich mich einer Dreiergruppe der LSG Karlsruhe an, die ein mir recht genehmes Tempo liefen. Vom Fünfer in Ötigheim wusste ich, dass wohl das Tempo von Ultraläuferin Natascha Bischoff, die Teil dieser Gruppe war, eine auch für mich geeignete Wahl sein würde. Um uns vier herum sammelten sich noch ein paar weitere Läufer, so dass man sich insbesondere auf den Gegenwindpassagen des teils geänderten Rheinzaberner Kurses ganz gut mit Windschatten und Motivation unterstützen konnte. Die Gruppe fand sich bei Kilometer drei – und hielt bis Kilometer sechzehn! Ich lief das Tempo der drei mit, ohne mich groß drum zu scheren, was meine Uhr anzeigte. Freilich, ich las gelegentlich ab, das Tempo passte. Ein wenig bestürzt realisierte ich aber auch, dass der Puls unten blieb – neben einer kurzen Phase über 160 zwischen dreieinhalb und fünfeinhalb Kilometern bewegte ich mich stets zwischen 145 und 160.

Auf dem neuen Streckenabschnitt östlich von Rheinzabern setzte ich mich noch im Rückenwindbereich von der LSG-Gruppe ab und suchte mein Heil in meinem eigenen Tempo. Noch bei Kilometer 16 misstraute ich der Locker-Flockigkeit, mit der ich dieses Tempo lief, das mich zuletzt auf meine Halbmarathon-Bestzeit im August in Hambrücken getragen hatte. Bei Kilometer 14 und rund 58:33 gelaufener Zeit rechnete ich aus, dass ich mit einem Fünfer-Schnitt (also 5:00 pro Kilometer oder 12km/h) mit 1:28:33 reinkommen würde. Ich lief aber etwas um die 4:10 pro Kilometer, also fast 15km/h! Ich wiederholte die Rechnung an jeder Kilometermarkierung und stellte schließlich bei Kilometer 17 und 1:11:00 gelaufener Zeit fest, dass ich meine gewünschten 1:27:00 selbst dann unterbieten würde, wenn ich wirklich und wahrhaftig auf 12km/h abfallen würde – ich lief immer noch nicht wesentlich schlechter als 4:10 pro Kilometer!

Langsam wurde mir klar: Das geht wirklich so leicht! Es rächt sich nicht! Du musst – zwar bei vollem Gegenwind, aber dennoch – nur noch drei Kilometer weit das Tempo halten und bist trotz allem sogar SCHNELLER als beim Halbmarathon in Hambrücken! Das vereitelte der Gegenwind dann etwas, aber die Uhr zeigte 1:22:49 für die 20 Kilometer, als ich im Ziel war! Natascha war – wie der Sturm in Person – kurz vor dem Ziel noch an mir vorbeigezogen, aber ansonsten hatte ich all die Mitstreiter, mit denen ich den Wind bekämpft hatte, hinter mir gelassen. Die resultierende Geschwindigkeit entsprach fast exakt meiner Geschwindigkeit bei meiner bisherigen Halbmarathon-Bestleistung im August.

Zwanzig Kilometer und Halbmarathon – durchaus nah beieinander. Es sah komisch aus, beim besten Zwanziger (blau) so viel langsamer als beim besten Halbmarathon (rot) gewesen zu sein. Das ist nun Geschichte (grün).

Am Ende reichte es zum Sieg in der W40, einem Gewinn von vier Packen Nudeln bei der Startnummern-Tombola und einem Gutschein von Eichis Laufladen, den ich sofort in ein weiteres Paar der Socken umsetzte, die ich beim Zehner geholt und seitdem sehr viel getragen hatte. Vier Würstchen im Brot vertilgte ich im Schnelldurchlauf, ich hatte HUNGER! Meine Sport-Löwen-Vereinskameraden haben auch tolle Leistungen abgeliefert, mussten aber früh gehen – für die Chefin ging’s direkt zu einer Narrensitzung, wie sie schon gestern Nacht eine gehabt hatte. Einen kleinen Plausch mit Sieger und bewundernswertem Läufer Jannik Arbogast hatte ich dann auch noch auf der Tribüne, was mich sehr freute. So locker-flockig wie heute bin ich noch nie zu einer Bestleistung gelaufen, zumindest nicht in meiner Erinnerung.

Urkunde, eingelöster Gutschein und Tombola-Nudeln.

Neue Saison, neue Leistungen

Mit dem Herbstlauf in Ötigheim und der Winterlaufserie in Rheinzabern habe ich meine Saison 2019/2020 eingeleitet. In gewisser Weise hat mit dem Zehner der Winterlaufserie im Jahr 2018, also vor einem Jahr, der aktuell in meinem Laufen stattfindende Wahnsinn begonnen. Mit damals 45:09 kam ich ins Ziel, wusste aber: Es kommen noch ein 15er und ein 20er je vier Wochen später. Es war das erste Mal, dass mir am Ende eines Wettkampfes der nächste Wettkampf so deutlich schon vor Augen stand. Und es war der Beginn einer für mich beispiellosen Serie von Erfolgen, von aufgestellten und verbesserten persönlichen Bestleistungen. Dafür entwickelte ich eine Excel-Wettkampf-Daten-Datei.

Meine Wettkampf-Geschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Distanz – Distanz ist logarithmisch aufgetragen.

So entstand auch der Gedanke, dass meine Saison im Dezember beginnt. Mittlerweile habe ich durch den Regio Cup Karlsruhe für mich definiert, dass die Saison im Oktober endet und somit der November „Vorsaison“ ist. Die Saison 2019/2020 begann also am ersten November mit der Vorsaison und am 15.12. in Rheinzabern als „meine Lauf-Hauptsaison“. Die Ansage war: Durch das furiose Laufjahr 2019 würde es schwerer werden, persönliche Bestleistungen (im Diagramm: blaue, rot umrandete Rauten, grün hinterlegt, sofern sie aus dieser Saison stammen) aufzustellen.

Nun könnte ich mir auf die Schulter klopfen: Die Vorsaison gab gleich mal ein neues Personal Best! Das wäre aber Selbstbetrug, auch wenn es wahr ist: Wettkämpfe über fünf Kilometer wie bei der TGÖ bin ich bisher nicht gelaufen, beim ersten Lauf über eine Distanz ist, soweit man im Ziel ankommt, das Personal Best ein Automatismus. Dass ich mit dem Auftakt-Zehner der Saison 2019/2020 den Auftakt-Zehner der Saison 2018/2019 verbessern würde, war auch klar: Erstens hat’s am dritten Advent 2018 geschneit und somit waren die Bedingungen speziell, außerdem bin ich über das Jahr 2019 konstant unter 42 Minuten auf zehn Kilometer gelaufen – im April und im Oktober sogar um die 40.

Aber dass ich gleich nochmal mit einem um 17 Sekunden verbesserten Zehn-Kilometer-Personal-Best anfangen würde und somit einleite, dass 2020 doch wieder Bestmarken fallen können und wohl auch werden, das hätte ich nicht gedacht – vor allem war’s doch überraschend deutlich. Viel Potential habe ich beim Zehner nicht mehr gesehen, Zehner mit um die vierzig Minuten und Halbmarathon mit 1:27:02 sind für mein Gefühl die Distanzen, auf denen ich am nächsten dran bin, „es ausgereizt“ zu haben. Auf 15, 20 und 42,2 geht noch einiges, sieht man auch an den persönlichen Bestleistungen, die deutlich über den Fit-Kurven im Diagramm liegen. Aber dass ich eine doch in meiner Leistungsfähigkeit schon recht stark ausgereizte Distanz nochmal verbessern konnte, macht mir fast schon mehr Mut für neue, tolle Leistungen auch auf die ebenfalls stark ausgereizte Halbmarathon-Distanz, als ich mir machen lassen möchte.

Es bleibt völlig wild!

Mein zweiter Marathon beim Badenmarathon in Karlsruhe [1]

Nachdem ich in der vergangenen Woche ziemlich durch den Wind war – und das wohl auch aus meinen Countdown-Beiträgen hervorging – ist es nun geschafft. Ich bin das zweite Mal in meinem Leben einen Marathon gelaufen, volle 42,195 Kilometer. Es war wieder der Badenmarathon, den ich mir dafür ausgesucht hatte, unter anderem, weil es der nächste Marathon bei meinem Zuhause in Bietigheim (Baden) ist, aber auch, weil es dort die Option gibt, mit Marathon-Nummer an der Marathon-Weiche zum Halbmarathon abzubiegen.

Anfang der Saison wollte ich ja unbedingt die 90 Minuten auf Halbmarathon unterbieten. Ich hatte mir den Badenmarathon ausgeguckt, um das in einem weiteren Versuch zu schaffen, falls es nicht früher klappen würde. Nun klappte es schon im Mai in Mannheim, also zeigten alle Zeichen auf Marathon. Darauf habe ich mich intensiv vorbereitet und damit die Vorgabe, 3:40 auf die Marathon-Distanz zu unterbieten, von vorne herein pulverisiert. Also peilte ich 3:20 an, wobei die Findung dieses Ziels durchaus „ein Act“ war, wie man so schön sagt.

Nun, egal wie: Marathon war angesagt. Morgens um halb acht fuhren mein Mann und ich mit der Bahn Richtung Karlsruhe. Die Entscheidung für die frühere Bahn fiel aufgrund logistischer Erwägungen am Samstag um 22:00, so dass ich die Verabredungen zum gemeinsamen Fahren nicht mehr änderte – um 8:29 wäre eh niemand mitgefahren, aber ich wollte nun keine 10 Stunden vorher keinen Knoten mehr in die Pläne anderer machen. Gegen zehn nach acht waren wir am Veranstaltungsgelände, schauten beim Rennwerk vorbei, trafen meinen Vater, gaben mein Gepäck ab… Dann ging es zum Gruppenfoto mit den anderen von der Mannschaft des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Etliche Leute waren’s – aber ich war die einzige, die den vollen Marathon allein laufen würde. Noch einmal die Blase leeren, dann ging es an den Start. Im Startblock traf ich viele bekannte Gesichter, im Endeffekt lief ich dann aber zusammen mit Nobse los. Wir hatten uns 4:45/km vorgenommen, im Endeffekt waren wir deutlich schneller und ließen den Marathon-Pacer für 3:29 immer weiter hinter uns, liefen zunehmend näher an den Marathon-Pacer für 3:14 heran.

Besonders auf der ersten Runde gab’s auf der Strecke jede Menge Leute, die mich anfeuerten – manche habe ich bemerkt, darunter meine Chefin, andere nicht, darunter liebe Freunde, die mir anschließend schrieben, für ein Bild sei ich zu schnell gewesen. Irgendwann realisierte ich, dass ich etwas schneller laufen wollte – und verabschiedete mich von Nobse, lief an den 3:14-Pacer heran. Den ließ ich auch, eher unbeabsichtigt, an Wasserstationen hinter mir. Ganz allmählich merkte ich, dass meine riesigen großen Zehen unangenehm in die Zehenboxen meiner Mizuno WaveShadows hineinschwollen, aber ein Problem war’s nicht. Erst bei der Marathon-Weiche oder eher kurz dahinter holte mich der 3:14-Pacer wieder ein. Es ist ein erhebendes Gefühl, als zeitweise Fünfte des Rennens von den Leuten in der Wechselzone gefeiert zu werden, als liefe man den Marathon seines Lebens!

Auf der einsameren zweiten Runde redete ich nett mit den Leuten um den 3:14-Pacer, musste die Gruppe dann aber im Oberwald zwischen Kilometer 30 und Kilometer 32 gehen lassen. Ab Kilometer 34 ließ dann auch ein bisschen der Zug nach, den ich laufen konnte – Erschöpfung, ein bisschen Drücken durch die geschwollenen Zehen, insgesamt auch die Länge des Rennens setzen mir zu. Ein wenig schlug mich auch rein, dass eine Läuferin mit Begleitradfahrer und von ihm gereichter Versorgung mich beim Überqueren der Ludwig-Erhardt-Allee überholte. Aber ich hielt mich aufrecht. Ich wusste, selbst mit einem Rückfall auf eine Fünfer-Pace, also 12km/h oder knapp darunter, würde ich meine anvisierten 3:20 schaffen. Das hielt mich aufrecht, als ich das Karlsruher Schloss das zweite Mal umkurvte und dann, einige Kilometer später, auf den letzten vier Kilometern weitere zwei Plätze verlor. Die Konkurrentinnen hatten sich das Rennen einfach besser eingeteilt, wohl auch dank mehr Erfahrung.

Und dann ging es ratzfatz. Nach Unterquerung der L605 am Bulacher Kreuz erreichten wir die liebevoll „Klotze“ genannte Günther-Klotz-Anlage, ich kämpfte noch mit all den Herden von „will nicht mehr“, die über diese lange Strecke aufpoppten, realisierte dann aber: LETZTER KILOMETER! Überall jubelte man mir zu, „unter 3:20“ wurde mir zugerufen, meine Zielzeit angepriesen wie geschnitten Brot! Dann bog ich auf die Zielstrecke, die ich eine Runde zuvor den Halbmarathonis überlassen hatte, Nobse brüllte mir entgegen (Abweichungen zum echten Ruf sind meinem Marathon-Delirium geschuldet): „Beweg‘ Deinen Arsch ins Ziel, Tally!“ Das kam genau richtig! Überall wurde mein Name gebrüllt, Katja und Markus von den Sport Löwen war da, etliche weitere, die ich gar nicht mehr richtig identifiziert bekam.

Beim Sturm hinein ins Carl-Kaufmann-Stadion überfiel mich unbändiges Glück! Noch immer standen 3:17 auf der großen Uhr über dem Zielbogen, die ich freilich nicht mehr halten würde. Zwischen Grinsen und Freudentränen, die Zeit geschafft zu haben und ENDLICH, ENDLICH im Ziel zu sein, hörte ich meinen Namen angesagt. Die Uhr sprang auf 3:18, dann auf 3:19 Bruttozeit, aber ich wusste, die 3:20 würde sie nicht anzeigen, und dann würde noch meine Gehzeit vom Block B bis zum Startbogen abgezogen! Kaum hatte ich die Medaille um und die Finisher-Mütze auf, kam schon die Message meines Mannes: 3:18:33, achter Platz bei den Damen, dritter Platz in der Altersklasse W40! Ich hatte es geschafft!

Medaille, Urkunde, Finisher-Mütze.

Völlig platt sitze ich nun wieder zuhause, die Urkunde gerade gedruckt, Bilder noch nicht ausgewertet. Viele Leute habe ich noch auf der Tribüne getroffen, zu viert waren wir noch essen. Bilder und weitere Details gibt’s morgen. Heute bin ich erstmal erledigt!

14. Lußhardtlauf in Hambrücken

Ich bin ja gestern mit einer brettharten Nervosität den ganzen Tag lang herumgelaufen. Diese Nervosität hielt auch heute morgen noch an, ich war einfach am flattern – wie verrückt am flattern. Am Ende des Tages scheint es aber so, dass Nervosität zum Fokussieren gehört.

Aber von vorne: um 7:20 fuhren Holger und ich los, um nach Hambrücken zum Lußhardtlauf zu fahren. Zwischen Karlsruhe und Bruchsal auf der Autobahn erreichte uns eine SMS meines Vaters, er war schon da. Wir trafen uns also mit meinem Vater bei einer lieben Kollegin vor dem Haus, besprachen uns kurz und dann gingen wir die Startnummer abholen. Mit Nobse von den Sportlöwen trafen wir uns noch vor Erhalt der Startnummer, ich trank noch einen Schluck Kaffee, sah Melina Wolf von der LG Region und stellte erleichtert fest, sie würde zehn Kilometer laufen, nicht Halbmarathon wie ich. Dann ging’s fast schon auf die Strecke, am Start traf ich noch Selina vom Laufteam Rennwerk.

Der Lußhardtlauf in Hambrücken wird veranstaltet von den Lußhardtläufern e.V., einer Ausgründung aus dem dortigen Turnverein. Bereits das vierzehnte Mal fand er statt, dort kann man fünf Kilometer, zehn Kilometer und Halbmarathon laufen, auf nach den Regeln des DLV vermessenen Strecken. Dieses Jahr ist der Lußhardtlauf mit seinem Zehner und dem Halbmarathon zudem Teil des Regio Cup Karlsruhe. Meine Strecke war der Halbmarathon.

Auf einer Landstraße, die schön komplett für die Läufer gesperrt war, ging es für insgesamt über 800 Läufer aus dem Ort heraus, dann durch den Wald und an der Bahnlinie entlang. Die Wege waren gut, meine Beine liefen und die Uhr zeigte konstant irgendwas um die 4:00 pro Kilometer an. Peter Beil von der LSG Karlsruhe, den ich noch in Philippsburg dank offenen Schnürsenkeln nicht mehr einholte, überholte ich auf der Strecke. Die ganze Zeit fragte ich mich, wo die angemeldete Vorjahressiegerin sei, denn die einzige Frau vor mir erwies sich als zu jung für Jahrgang 1977. Die ersten zehn Kilometer absolvierte ich in einem Tempo, das ich so auf einem Zehner in Neureut im Frühjahr gelaufen war. Nun musste ich mich mit der Ansage an mich selbst, dass ich dieses wahnwitzige Tempo ins Ziel zu bringen, „heimzulaufen“ hätte, über Wasser halten. Tatsächlich ließ ich nicht sehr nach, bis zu einer Wendepunktstrecke im Wald, auf der ich zunehmend sicher war, dass nur eine junge Läuferin Anfang 20 vor mir war und sonst nur Männer. Dort begann meine Uhr, plötzlich Paces von 4:30 oder 4:50 anzuzeigen. Des Rätsels Lösung kam bei der nächsten Markierung: wo ich vorher bei der Fünf-Kilometer-Marke 4,97 km auf meiner Uhr stehen hatte, waren’s nun bei der 15-Kilometer-Marke 14,67. Die Durchschnittspace lag immer noch bei 4:08, also deutlich unter dem Wert für mein bisheriges Personal Best von 1:29:05 (das wären 4:13 pro Kilometer gewesen). Zwischen Kilometer 16 und Kilometer 18 wurd’s echt hart, sich aufrecht zu halten, aber dann wurde es wieder besser. Bei Kilometer 20 standen meine Kollegin Annette, mein Vater und mein Mann und veranstalteten ein Anfeuer-Theater, das richtig, richtig klasse war und mir Extraschub für den letzten Kilometer gaben …

Zieleinlauf in Hambrücken – danke an Nobse für das Bild!

Und als ich auf die Zielgerade bog, standen noch immer weniger als 1:25:00 auf der Uhr! Es waren einige hundert Meter bis zum roten Teppich im Ziel, aber hey: ein paar hundert Meter in unter vier Minuten für neues Personal Best schaffte ich allemal noch! Angefeuert von vielen Rufen, ich sei die zweite Frau, stürmte ich weiter in Richtung Ziel, hörte, dass ich angekündigt wurde, riss noch vor dem roten Teppich die Arme hoch: Die Uhr blieb bei 1:27:02,5 stehen! Neues Personal Best, mehr als zwei Minuten verbessert gegenüber der erst im Mai aufgestellten Bestmarke aus Mannheim!

Gesamtsiegerehrung Halbmarathon beim Lußhardtlauf. Die Dritte war schon weg – aber ich durfte mal wieder auf den Platz rechts der Siegerin steigen. Foto von Holger.

Ich saß erst einmal auf dem Boden und hatte nur noch Superlative und Vulgärsprache für den Lauf, Nobse, mein Vater und mein Mann umstanden mich, wie ich auf dem Boden saß und aus der Euphorie nicht mehr herauskam! Ein bisschen dauerte es dann noch, aber dann kam die Siegerehrung … und da wurde dann bestätigt, was mein Mann schon auf der Seite von br-timing nachgeschaut hatte: Ich war tatsächlich zweite Frau geworden und die Vorjahressiegerin war nicht angetreten.

Altersklassenpodium Seniorinnen W40 des Halbmarathons beim Lußhardtlauf. Die Zweite war schon weg. Foto von Holger.

Ein Funfact ist, dass die Plätze zwei bis fünf allesamt von Damen zwischen 40 und 44 belegt wurden, also an die Altersklasse Seniorinnen W40 gingen.

Übliches Trophäenfoto mit Startnummer, Urkunde und Preisen.

Am Ende des Tages habe ich einen weiteren zweiten Platz zu meiner Liste dieses Jahr hinzugefügt, vor allem aber mein Personal Best auf der Halbmarathon-Strecke nach den fast sieben Minuten, die ich es im Mai verbesserte, um weitere zwei Minuten verbessert. Die Konsequenzen für das Klassement des Regio Cup Karlsruhe vor nur noch einem verbleibenden Zehn-Kilometer-Wertungslauf habe ich schon im Kopf prognostiziert, aber ich warte mal ab, was heute Abend oder morgen früh dasteht, bevor ich mich freue.

Die anschließende Essenseinladung bei meiner Kollegin lieferte einen herrlichen, wundervollen und sehr geselligen Ausklang eines erfolgreichen Lauftages.

Leistungsentwicklung mit der Zeit und eine Idee, sie darzustellen

Es ist gar nicht so einfach, eine halbwegs vernünftige Darstellung der Leistungsentwicklung über die Zeit zu finden, wenn es um die Wettkampfleistung geht. Beim Training hat man viele, viele Einträge – drei bis zehn die Woche in meinem Falle. Bei Wettkämpfen sind das weniger Einträge – und zumeist sind es noch unterschiedliche Distanzen und Bedingungen. Die Sache mit den Bedingungen ist schwer rauszurechnen, die Sache mit den unterschiedlichen Distanzen … für die habe ich eine Idee entwickelt.

Sicherlich kann man immer nur für einen Distanzbereich trainieren. Es ist eine Illusion, für die volle Bandbreite von – sagen wir – 5000 Meter bis Marathon optimal präpariert zu sein. Genauso ist es Quatsch, zu behaupten, dass man nur auf Halbmarathon trainiert – Distanzen wie zum Beispiel 15 oder 20 Kilometer funktionieren mit der Vorbereitung auch recht gut. Allerdings verändert sich über die Zeit und das Wettkampfziel der Fokus. Also ist es schwer, eine allgemeine Idee zu bekommen, wie man denn nun lange Wettkämpfe und kurze Wettkämpfe vergleichen kann. Ich selbst bin über den Weg der persönlichen Bestleistungen gegangen. Nach dem neuen Personal Best im Halbmarathon vom Dämmer-Marathon am Samstag habe ich meine Personal Best Statistik aktualisiert, und das kam dabei raus:

Meine Wettkampfleistungen. Personal Bests sind als Rauten markiert, aktuelle Leistungen grün hinterlegt. Die kleinen blauen Punkte sind andere Wettkämpfe. Zur roten Linie – siehe der Text.

Ich habe mir also meine persönlichen Bestleistungen genommen und eine Kurve angepasst. Der Einfachheit halber habe ich eine Parabel benutzt – und mittels eines Solvers und einer Least-Squares-Methode diese meinen Bestleistungen angenähert. Natürlich ist das Köhlbrandbrückenlauf-Format (12,3km), das Campus-Run-Format (12km) und das Marathon-Format noch aus dem letzten Jahr, und da ich dieses Jahr viel besser bin …

Aus diesem Grund habe ich auch nicht ZU viel Arbeit in die statistische Methode des Fits gesteckt, auch nicht in die Funktion zu viel hineingesteckt an Physiologie und Trainingslehre, da die Daten halt hinreichend grob waren. Aber im Endeffekt habe ich so etwas wie eine Zuordnung von Pace zu Strecke bekommen. Das Ganze stellt also dar, wie viel ich im Mittel langsamer werde, wenn die Strecke länger wird. Mit dieser Funktion habe ich mir nun erlaubt, alle meine Wettkampfleistungen auf „was wäre, wenn es ein Zehn-Kilometer-Wettkampf gewesen wäre“ normiert:

Meine Wettkampfleistungen gegen die Zeit. Um die Vergleichbarkeit zu verbessern, wurden sie mittels einer an meine Personal Bests angepassten Kurve – siehe oben – auf 10km-Läufe runtergerechnet.

Die Tendenz ist ermutigend bis krass. Erstens sind die Wettkämpfe spürbar mehr geworden. Wie viel mehr, das wurde mir erst bei Ansehen des Diagramms klar. Außerdem zeigt die Leistungsentwicklung recht deutlich zu höherem Tempo. Am Ende des Tages ist das hier vielleicht kaum mehr als eine Spielerei – vielleicht aber auch ein Schritt in Richtung einer Vergleichbarkeit meiner Leistungen. Wenn ich an den Aufzeichnungen festhalte, könnte ich vielleicht sogar feststellen, wann die Steigerung verflacht oder gar umschlägt.

Volkslauf beim TuS Neureut – mit neuem Personal Best auf 10km!

Heute war ich auf dem Volkslauf in Neureut, einem Stadtteil von Karlsruhe. Veranstaltet wurde das Ganze vom lokalen Turn- und Sportverein (TuS) Neureut, der Lauf gehört zum RegioCup Karlsruhe, wie auch der Rißnertlauf im vergangenen Monat. Wieder einmal war’s der kälteste Tag im gleitenden Zwei-Wochen-Fenster, aber wenigstens war es trocken – angesagt und auch tatsächlich.

Bei 3°C brach ich um 7:15 von zuhause auf, mit einem Rucksack voller Wechselklamotten für nach dem Lauf und der Frage, ob das was werden würde. Denn: Ich hatte schon vor der Teilnahme an der Staffel beim Freiburg Marathon und auch die ganze vergangene Woche ein leichtes Ziehen außen im linken Sprunggelenk gespürt, dazu fühlte ich mich irgendwie schlapp. Kurz: Die Vorzeichen waren nicht optimal und das verkündete ich auch prompt den anderen vor dem Start. Aber so weit bin ich noch gar nicht – erstmal holte ich meine Startnummer ab und ging auf Toilette. Der Verein hatte sich wirklich Mühe gegeben, die Startplätze waren gut angezeichnet auf der Straße, im Vereinsheim gab’s genug Toiletten, eine perfekte Einweisung an die Tische der Startnummernausgabe und Nachmeldung durch Schilder, die von der Decke hingen. Perfekte Organisation – auch meinen Kaffee, den ich dann in der Kälte und Frühe noch brauchte, als Nobse von den Sport Löwen Baden zu mir stieß, bekam ich superschnell. Was auch nicht selbstverständlich ist: Meinen Fünfziger, mit dem ich meine Startnummer bzw. meinen Antritt für sieben Euro bezahlte, bekam ich anstandslos unter die Leute.

Mit fünf Minuten Verspätung starteten dann die „Fünfer“, während ich Nobse und einigen weiteren versicherte, dass ich gar nicht wisse, was das heute gäbe und ob ich Leistung bringen könne. Erklärtes Ziel waren ja unter 43 Minuten für die zehn Kilometer. Auch Emma Simpson Dore war da, mit der ich mir in Rüppurr beim Rißnertlauf das Überholduell geliefert hatte. Somit war es völlig illusorisch, auf einen Sieg zu spekulieren – und ich stapelte erst recht tief. Aber es ging dann doch recht flott los – 3:45 zeigte die Uhr für den ersten Kilometer, in meinem Kopf spielte frei nach „Jagd auf Roter Oktober“ das Zitat: „Das ist zu schnell, Talianna, zu schnell!“ Doch viel langsamer wurde ich erstmal nicht, noch mit Blick auf die Männerspitze, inzwischen selbst die Spitze bei den Frauen, lief ich in das langsame Ende des 15 Minuten früher gestarteten Fünfers. Alles gut soweit, aber die Frage blieb im Kopf: „Halte ich ein Tempo von knapp langsamer als 4:00 pro Kilometer? KANN ich das überhaupt halten?“ Solche Gedanken sind böse. Sie machen unsicher und langsam. Ich schaltete sie ab: „Ich kann das. Und wenn nicht, dann gehe ich zwischen Kilometer acht und neun ein. Ins Ziel komme ich laufend! So! Nämlich!“ Dann ging es in die zweite Runde, kaum dass ich so richtig realisiert hatte, welche der Kilometermarkierungen den Fünfer und welche den Zehner betrafen – der Start des Fünfers lag nämlich dreihundert Meter zurück vom Start des Zehners. Beim zweiten Unterqueren der B36 realisierte ich, dass ich noch immer einen Schnitt von unter 4:10 pro Kilometer lief und knapp die Hälfte schon gelaufen war! Etwas weiter, bei 5,5 Kilometern, drehte ich mich um, um zu sehen, wer da noch war – und in mein Gesicht lachte Emma Simpson Dore. Doch statt es hinter sich zu bringen und mich zu überholen, fiel sie sogar wieder etwas ab.

Auf dem einsamsten und gegenwindlastigsten Part der zweiten Runde (der sich angenehm vom ersten Fünfer unterschied) schnaufte ein Läufer im Trikot der Polizei wie eine Dampflok, den fragte ich, ob alles okay sei. Das verwunderte ihn ein bisschen, freute ihn aber. Bei Kilometer sieben dann wurde ich schließlich von Emma Simpson Dore überholt – ich meinte noch, sie solle sich von keiner anderen Frau überholen lassen. Dann war ich wieder allein im Wind – mit Blick nach vorne auf Emma und zwei Männer, die ebenfalls kämpften. So richtig realisiert hatte ich da noch nicht, dass ich noch ein paar Kilometerabschnitte in weniger als vier Minuten überwunden hatte. Auch am „Aufstieg“ aus dem Tiefgestade zurück auf die Hardt verlor ich nicht viel Zeit, dort überholte mich dann auch ein Läufer, der sich später für den ganzen Windschatten bedankte – und dann ging alles ganz schnell. Das Ziel war in Sicht, und als ich meine Uhr stoppte, zeigte sie sagenhafte 40:06 für zehn Kilometer. Ich fürchte, ich bin noch einem Journalisten etwas auf den Nerv gegangen, als ich ein paar Worte zu Emma sagte, die er gerade interviewen wollte – sie hatte mich schließlich um 30 Sekunden geschlagen und das würdige ich voll!

Dem Läufer von der Polizei begegnete ich auch nochmal, der war ein wenig irritiert, aber begeistert, als ich meinte, dass auf der Strecke einzig die Uhr der Feind sei, alle anderen Läufer und Läuferinnen seien Freunde. Klar war auch: Ich war Zweite geworden, hatte meine Altersklasse gewonnen und mein aktuelles Zehn-Kilometer-Personal-Best um mehr als vier Minuten unterboten.

Als Preis gab’s ein Set große Tee- oder Kaffeepötte, für den Sieg in der Altersklasse. Auch bemerkte der Sprecher des TuS Neureut, dass mit der altersbereinigten Wertung wohl vielleicht die eine oder andere Verschiebung auftreten werde, im Klassement, verglichen mit der Wertung vor Ort. Über dieses Thema hatte ich auch schon mit den Organisatoren korrespondiert, die mein Interesse nach der Ableitung ihrer Altersbereinigung befriedigten und sich freuten, dass ich die Faktoren als sauber abgeleitet empfinde, auch wenn die Ergebnisse frappierend sind.

Unten seht Ihr noch meine Urkunde, die Startnummer und den Preis mitsamt seiner passenden Verpackung. Glücklich über dieses grandiose Ergebnis fuhr ich dann mit der Bahn heim, wo ich erstmal Hunger hatte – in Neureut gab’s nur Kuchen, mir allerdings war nach was Herzhaftem, das ich dann zuhause bekam.

Starnummer, Urkunde und Preis für den Altersklassensieg – bereits ausgepackt.