Carless Talk

Vielleicht kennt Ihr es, vielleicht auch nicht: „Careless Talk“ von Billy Joel, veröffentlicht auf dem Album „An Innocent Man“. Ich mag dieses Lied sehr gerne – im Titel des Beitrages habe ich mich aber dennoch nicht vertippt. Denn auch wenn es bereits sehr konkret wurde, nun ist es final, offiziell und tatsächlich der Fall:

Wir sind autolos.

Man kann tatsächlich sagen, dass es ein wilder Ritt war da hin. Vor etlichen Jahren fuhren mein Mann und ich nach Karlsruhe, um irgendwas in der Stadt zu tun. Damals pendelte ich mit dem Auto nach Stuttgart zur Uni, mein Mann ebenfalls mit dem Auto zu seiner Arbeit. Er fuhr täglich zehn Kilometer hin und wieder zurück, bei mir waren’s 86 – eine Strecke. Wir waren das Autofahren gewohnt, beide. Mein Mann blinkte, um einzuparken, und mit aufheulendem Motor schoß ein Lieferwagen an uns vorbei – das kam so unerwartet, dass er nicht mehr reagieren konnte. Da aber der Wagen schon vor uns war und somit der Kotflügel seines Autos und die Seite des Lieferwagens beschädigt worden war, und die Versicherung der Gegenseite sich streitig stellte, bekam er vor Gericht eine Teilschuld. Ich glaube, an dieser Stelle ist bei ihm sehr schnell und nachhaltig, bei mir aber auch langsam etwas an unserer Beziehung zum Autofahren zerbrochen. Das war eine Zeit, in der ich noch nicht wieder viel lief und gar nicht Rad fuhr, er das Rad auch wenig benutzte.

Im Laufe der Jahre sind viele Entwicklungen passiert, und dennoch: Ich würde den Anfangspunkt auf diesen Unfall legen. Da wurde für uns vieles in Frage gestellt, vieles an diesem Leben, in dem das Auto und der rücksichtslose, hektische und teils auch völlig unreflektierte Umgang damit selbstverständlich sind. Es mag peinlich sein, dass es nicht das Ökologische war, das für uns das Umdenken ausgelöst hat, aber in den folgenden Entwicklungen schwang auch der ökologische Aspekt stets und gewann mit jeder Entscheidung weg vom Auto mehr Betonung in unserer Motivation. Zuerst schaffte er sich ein Pedelec an, um auch ohne Dusche auf Arbeit dorthin ohne Auto pendeln zu können. Er fuhr nun also mit dem Rad oder dem Pedelec zur Arbeit, sein Auto verkauften wir, meines blieb noch in unserem Besitz – wurde aber weniger gefahren, da ich durch einen Stellenwechsel meine Pendelstrecke reduzierte – zuerst auf die Hälfte, ein halbes Jahr später mit abermaligem Wechsel auf nur noch 20 Kilometer. Ich pendelte meist mit der Bahn, gelegentlich auf Laufschuhen zur Arbeit. Ende 2019 begann ich das Radfahren wieder, Anfang 2020 wurde das Fahrrad mein bevorzugtes Pendel-Verkehrsmittel. Unser Auto diente nur noch für den Wocheneinkauf und gelegentlich zum Fahren in den Urlaub, wobei die ganz weiten Strecken auch zunehmend lästig erschienen und wir mehr und mehr mit der Bahn fuhren, wenn so etwas anstand.

Die Pendelstrecken waren somit für uns autofrei seit 2018 – mit den Gepäcktaschen an meinem Alltagsrad (statt Rucksack) entstand die Idee, mit dem Rad einzukaufen, aber Getränkekästen blieben ein Problem. Das Alltagsrad hatte ich im Januar 2021 angeschafft im März 2021 kam dann der Fahrradanhänger dazu, und Getränkekästen waren kein Problem mehr. Für uns begann der Alltagstest des Projekts „ohne Auto“.

Es hat also nichts mit den aktuell hohen Benzin- und Dieselpreisen zu tun, dass wir es nun final gemacht haben. Wir haben unser Auto, den kleinen Toyota Aygo, nunmehr verkauft. Liebe Freunde, bei denen es nicht ohne Auto geht, haben ihn übernommen und ihr größeres, weniger sparsames Fahrzeug abgeschafft. Vor drei Wochen war der Alltagstest abgeschlossen, nach zwölf Monaten war klar: Das Auto wird nicht mehr gebraucht. Wir hatten dann mehrere Optionen geprüft und letztlich einen privaten Verkauf bevorzugt. Am gestrigen Samstag holten wir, in der letzten Fahrt des Aygo in unserem Besitz, die Freunde vom Bahnhof ab, nachdem wir gemeinsam beim Park Run in Karlsruhe waren – ausnahmsweise und letztmalig mit dem Auto.

Vor etwas mehr als einer Stunde ist unser ehemaliges Auto davon gefahren. Nach einem Jahr Test, ob es ohne geht, ERFOLGREICHEM Test, DASS es ohne geht, war immer noch dieser kleine Gedanke: „Und was wenn…?“ dabei, als wir die Rücklichter um die Ecke verschwinden sahen. Vor allem aber war das erleichterte Gefühl, kein Geld mehr für Steuer, Versicherung und Wartung eines Gefährts zu zahlen, das hier eh nur herumsteht, davon nicht besser wird und nicht benutzt wird. Das erleichterte Gefühl, im Hof mehr Platz zu haben, auch eine Ecke in der Garage, in dem die Winter- bzw. Sommerkompletträder lagerten, freigeräumt zu haben.

Es ist getan. Von einem Auto-Pendler mit zweimal zehn Kilometern am Tag und einer Auto-Pendlerin mit über 35.000 Kilometern im Jahr sind wir zu einem autofreien Haushalt geworden, in dem fünf Fahrräder genutzt werden, gegebenenfalls ÖPNV oder im Notfall auch Taxi die seltenen Gelegenheiten, wenn’s nicht mit dem Rad geht, einspringen können – aber gebraucht haben wir das in den zwölf Monaten, die wir getestet haben, de facto nicht.

Gestern sprach ich mit einigen Verwandten auf einer Feier. „Ich kann mir das nicht vorstellen ohne Auto.“, „Manchmal würde ich schon gerne mit dem Auto losfahren.“, „Es ist halt so bequem mit dem Auto.“, das waren Dinge, die mir gesagt wurden. Auch das Argument, bei großen Einkäufen würde man es doch vermissen, habe ich gehört. Dass das Wocheneinkaufen mit dem Anhänger bei einer gewissen Gebrechlichkeit nicht mehr geht, war ein Argument, dass dann aber gleich von einem „Ich kaufe dann halt einen Tag Milch, den anderen Tag Mehl, ich habe ja Zeit.“ abgemildert wurde. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, ein wenig mischte Unglauben, dass wir wissen, was wir tun, mit dem Bedürfnis, zu rechtfertigen, dass man selbst nicht ohne Auto kann oder will. Das Auto ist mehr in unseren Köpfen als tatsächlich nötig. Es ist durch Lebensweise und Alternativen bereits in vielen, gut erschlossenen Gegenden weit weniger nötig, als man das denkt – aber da ist noch ein weiter Weg zu gehen, an vielen Orten.

Wir allerdings haben uns mit den zugegebenermaßen privilegierten Gegebenheiten im Bereich Karlsruhe/Rastatt arrangiert. Rad, ÖPNV und ggf. Miet- oder Carsharing-Wagen sowie Taxi genügen für den Alltag, die Bahn oder Mietwagen für weitere Reisen. Wir haben unsere persönliche Autokorrektur getestet, sie funktioniert und somit haben wir sie vollzogen.

Wir sind autolos. Und das ist auch gut so!

Es ist Herbst

Heute morgen stand ich auf und plante meine Fahrt zur Arbeit mit dem Rad. Es war dunkel vor den Fenstern, ich sah also noch nicht, ob es regnete. Unsere Wetterstation zeigte eine Temperatur von 12 °C – als ich nach draußen ging, stand ich im Nieselregen. Natürlich ist es an dieser Stelle verlockend, gerade wieder herumzudrehen, sich auszuziehen und zurück in das warme, trockene Bett zu kriechen. Aber ich musste ja auf die Arbeit. Alternative zwei wäre gewesen, mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu radeln und mit der Bahn…

Nein. Machte ich nicht. Eine wasserfeste Windjacke hatte ich ja schon an, richtig kalt war es nicht. Ich mied also die typischerweise dreckigen, nicht voll befestigten Wege und rollte in Richtung Karlsruhe. Klar, das Frontlicht hatte ich aufgesteckt und angeschaltet, mein Rücklicht mit Annäherungsradar ist sowieso immer an, wenn ich radle. Die ersten paar Kilometer war das gar nicht so unbequem, dann wurde mangels Schutzblech am Rennrad langsam der Hintern ein bisschen nass, etwas Sand spritzte auch hoch. Aber davon ließ ich mich nicht schrecken – es hätte auch gar nichts gebracht, weil ja eh ein Streik beim ÖPNV im Gange ist. Ich fuhr natürlich ein bisschen vorsichtiger als sonst, denn die Straße kann glatt werden, wenn sie nass und etwas schmierig ist – oder gar nasses Laub darauf liegt. An einer Stelle motzte mich ein anderer Radfahrer an, weil ich langsam mit ausgestrecktem linkem Arm auf der Straße rollte, um links abzubiegen und ihm – seiner Ansicht nach – im Weg war.

Tja, da kam vieles zusammen: Dunkelheit, Regen, etwas Wind und andere Verkehrsteilnehmer. Es ist Herbst. Ich fahre trotzdem Rad zur Arbeit. So langsam wird aber die Kleidungsauswahl ein wenig wichtiger als im Sommer.

Das Pendel schwingt

Ich steh‘ auf mein Monats-Netz-Ticket für den Karlsruher Verkehrsverbund. Zu jedem Zeitpunkt an jeder Stelle im Karlsruher Netz in einen Nahverkehrszug, eine S-Bahn, eine Tram oder einen Bus einsteigen zu können, ohne darüber nachzudenken, ist ein Wert an sich. Freilich wird das Ding auch gesponsert – von der Arbeit. Somit zahle ich einen eher mittleren statt hohen zweistelligen Betrag dafür – im Monat. Vergleiche ich als BahnCard-Besitzerin das mit 20 Mal zwei Mal 3,30€ für meine Arbeitsfahrt, lohnt es sich in jedem Fall…

Indes: Diesen Monat wird es sich für mich nicht lohnen. Ich hab’s diesen Monat noch kein einziges Mal – KEIN EINZIGES MAL genutzt. Die Krise um das neuartige Corona-Virus spielt dabei eine Rolle, allerdings nicht in Form von „Homeoffice“. Ich gehe immer noch jeden Tag ins Büro – von den drei Tagen abgesehen, die ich präventiv daheim war, weil ich unbestimmte Erkältungssymptome hatte. Es war aber eher Schnupfen, Fieber war nicht dabei, gehustet habe ich auch kaum, so dass meine Ärzte Covid-19 ausschließen konnten, ohne mich auf Sars-CoV-2 zu testen.

Natürlich hat das Forcieren der Radfahrerei – bis auf einmal zurück habe ich im März alle meine Arbeitshin- und -rückwege mit dem Fahrrad bestritten – durchaus AUCH mit dem Virus zu tun. Ich meide den ÖPNV, um mich nicht anzustecken. Damit haben auch die Leute, die den ÖPNV nutzen wollen oder müssen, mehr Platz, um Abstand zu halten, wenn etliche Leute mit dem Fahrrad fahren. Der eine Arbeitsrückweg, den ich nicht Fahrrad gefahren bin, habe ich zu Fuß bestritten. Ich bin gestern nach Hause gelaufen. Da das Fahrrad auf der Arbeit steht, laufe ich nun wieder hin.

Ich bin somit von der Auto-Pendlerin nach Stuttgart über die Teil-ÖPNV-Pendlerin nach Bruchsal und die S-Bahn-Pendlerin nach Karlsruhe zur Fahrrad- und Laufpendlerin nach Karlsruhe geworden. Mein Monatsticket gebe ich nicht auf, ganz bestimmt nicht. Jederzeit an jeder Stelle, wenn mir das Laufen oder Radfahren zu viel wird, in eine Bahn zu steigen und nach Hause fahren zu können, das ist ein Wert an sich, selbst wenn es sich „wirtschaftlich“ nicht lohnt. Mehr als zwei Drittel der Arbeitswege – diesen Monat voraussichtlich sogar jeden absolvierten – mit Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen, empfinde ich jedoch als eine Sache, die es wert ist, beibehalten zu werden. Statt 45-50 Minuten mit Gehtransfers und S-Bahn bewege ich mich in 55-70 Minuten mit dem Fahrrad oder in 95-120 Minuten zu Fuß zwischen Karlsruhe und Bietigheim (Baden). Meine Pendelzeit wird damit 100% zu Sportzeit. Ebenso wie die Monatskarte ist das für mich ein Wert an sich.

Und ich will alle beide diese Werte.

Solidarität unter Pendlern

Heute war‘s knapp. 7:17 zeigte die Uhr, als ich die Straße nach Elchesheim überquerte, von dort sind es noch 900 Meter bis zum Bahnhof. 7:29 fährt die S8, danach für 40 Minuten nichts. Rennen wollte ich auch nicht, der „Homerun“ gestern zeigte mir, dass ich gerade nah an einem „Zuviel“ an Belastung bin – die Erkältung meines Mannes ist, halbwegs unbemerkt, wohl auch in meinem System, und auch wenn ich mich nicht erkältet fühle, der Puls beim Laufen und das Schwitzen diese Nacht sind deutliche Hinweise meines Körpers, es etwas ruhiger angehen zu lassen.

Tja, es kam also, wie es oft kommt, wenn man spät dran ist: Der Zug ist pünktlich. Er fuhr gerade ein, als ich auf der anderen Seite des Bahnhofs auf den Bahnsteig trat – noch 35 Meter „falschen“ Bahnsteigs und eine Unterführung vom Einstieg entfernt. Ich beschleunigte, rechnete aber fest damit, frustriert gegen den anfahrenden Zug zu rennen…

Und dann stand da eine nette Dame in der Tür und hielt sie durch ihren Körper in der Lichtschranke auf! Das fand ich klasse – ich bedankte mich und nun sitzen wir beide in dem Zug, den ich fast verpasst hätte. Sie liest in einem Buch und ich tippe auf dem Handy diesen Beitrag.

Wie schön, dass sie auf mich geachtet hat! Es waren auch wirklich kaum 20 Sekunden.

Herrenloser Koffer

Heute früh in der Bahn sah ich eine leere Vierersitzgruppe, die ich zu nehmen beabsichtigte. Doch darin stand ein großer Rollkoffer, dennoch setzte ich mich dort hin.

Doch dann setzten die Gedanken ein: „Das ist nicht mein Koffer, wem hier gehört er?“ Eine Dame stand im Eingang des Zuges direkt daneben und ich ordnete ihr den Koffer zu. Doch sie schien ihn nicht zu beobachten. Vielleicht die Frau mit dem Kinderwagen? Oder die Dame gegenüber, vielleicht die Gruppe im nächsten Vierersitz?

Der Koffer rollte leicht gegen mein Knie. Ich dachte nach: „Eine Kofferbombe im Karlsruher Arbeitsverkehr?“ Ich saß direkt daneben. Wenn es eine Bombe wäre, würde es wenigstens schnell gehen! Aber wenn das Ding eine Bombe war und erst nach meinem Ausstieg hochgehen würde – und ich nichts gesagt hätte? Könnte ich damit leben?

Eine Dame ging an mir vorbei. Dieser Blick! „Die blockiert mit sich und ihrem Koffer einen ganzen Vierer!“ – „Aber das ist doch gar nicht mein Koffer!“, will ich schreien. Doch ich sage nichts, weil sie vielleicht nur böse geschaut hat, weil sie noch müde ist.

Wieder rollt der Koffer gegen mein Bein. Wem gehört er? Wenn er eine Bombe ist, geht er bestimmt am Hauptbahnhof hoch, maximaler Effekt. Verdammt, wenn ich aussteige und den Koffer zurücklasse, werde ich damit verbunden!

„Entschuldigung, kann ich?“ Die Dame, die mit Handy am Eingang lehnte, die ich gleich nach der Frage nach dem Besitzer erwähnte, hat inzwischen mit dem Ticketautomaten interagiert, zwei Stationen später hat sie sich gegenüber des Vierers mit Koffer und mir gesetzt. Nun, am Albtalbahnhof, bittet sie mich um etwas Platz, nimmt ihren Koffer und steigt aus.

Einfach so.

Laufen statt SEV – Verkehrte Welt

Zum eigentlichen Projekt: Läuft.

Aber was man morgens auf der Straße so erlebt … so geschehen in Durmersheim in einer Dreißiger-Zone, der Bürgersteig ist mit Pfosten aus Metall lose von der Straße separiert. Wegen der Autos, die in großzügiger Auslegung von Tempo Dreißig da durchrauschten, hielt ich mich konsequent – und damit konsequenter als sonst – auf dem Trottoir. Und zwar bis ich davon verscheucht wurde, von einem hochvermummten, der Statur nach sicher erwachsenen Radfahrer, der mich neben den Pfosten auf dem Gehweg laufen sah, als er noch vor dem Beginn der Abgrenzung war, aber trotz nunmehr auf Null abgeflautem Autoverkehr nicht die Spur von Anstalten machte, den Fußgängerbereich zu verlassen.

Eigentlich darf ein Radfahrer das nicht, wenn ich nicht völlig daneben liege. Kinder auf dem Fahrrad und deren Begleitung auf dem Gehweg – klar, das ist so erlaubt wie akzeptabel. Aber so …

Was schließe ich daraus? Ganz klar: Ich bin eine stärkere, weniger schutzbedürftige Verkehrsteilnehmerin als bullig aussehende, vermummte Radfahrer. Muss ich meinem Mann mal sagen – der sieht morgens auf dem Weg zur Arbeit auf dem Rad zwar auch so aus, ist aber ein sehr rücksichtsvoller Verkehrsteilnehmer. Müsste er gegenüber Joggern wohl nicht sein, wie’s scheint. Es war übrigens nicht das erste Mal, dass ich als Läuferin von erwachsenen Radfahrern vom Gehweg vertrieben wurde.

Laufen statt SEV reloaded, 50%, sie haben meinen Weg gesperrt!

Sie haben meinen Weg gesperrt!

Blanke Empörung machte sich breit, aber nur kurz; Sie haben den Weg gesperrt, so ist es nunmal. Aber von vorn: Nachdem ich heute morgen die sieben Kilometer bis zur Römerstraße in Mörsch gelaufen war, da die Bahn an der Merkurstraße (nach sechseinhalb Kilometern) noch vier Minuten vor mir war, führte mich der Rückweg heute über die volle Strecke. Ich muss eigentlich auch hier Anführungszeichen verwenden, also „volle Strecke“, denn bisher bin ich immer nur vom Albtalbahnhof aus nach Hause gelaufen. In der Stadt waren mir zu viele Ampeln und vielbefahrene Straßen. Morgen versuche ich vielleicht mal auf Hinweis meiner Mittwochs-Lauf-Kollegen die Beiertheimer Allee, die mich nach dem Queren der Kriegsstraße auf wesentlich ruhigeren Straßenbereichen – entlang der Westbegrenzung des Karlsruher Zoos und Stadtgartens – zum Albtalbahnhof bringt. Heute war mein Start aber noch der Albtalbahnhof.

Ich war spät losgekommen, da ich noch mit unserer Juristin an einem Entwurf arbeitete und die Zeit vergeht ja wie im Flug, wenn man Spaß hat. Die Arbeit an dem Schriftstück war zwar etwas zäh, aber durchaus lustig und zielführend. Daher befürchtete ich schon, im Dunkeln heimlaufen zu müssen. Aber das macht ja nichts: Bis nach Oberreut ist meine Strecke beleuchtet, entlang der Bahnstrecke bis nach Durmersheim kenne ich jeden Ast und jedes Loch in den Wegen, danach ist es wieder beleuchtet. Das ist auch gut so, denn als ich am Bahnhof Forchheim im Silberstreifen vorbeikam, wurde es schon recht rasch dunkler. Dann, am Bahnübergang der Straße von Mörsch nach Ettlingen, der Schock: Der Weg entlang der Bahn bis Durmersheim ist gesperrt! In meinem Kopf spielte im Kopf das aus South Park bekannte, aber abgewandelte Zitat: „Sie haben den Weg gesperrt!“ – „Ihr Schweine!“

Also bog ich im mittlerweile Stockdunkeln auf den Radweg nach Mörsch ab und absolvierte somit etwa einen Kilometer mehr als beabsichtigt, lief ab der Merkurstraße wieder den Weg nach Hause, den ich morgens zur Merkurstraße gelaufen war – das ist lange nicht die Ideallinie. Aber dieser Weg hat den Vorzug, nicht gesperrt zu sein. Dann kam ich heim, verschwitzt und glücklich, endlich zuhause zu sein. Morgen weiß ich dann, was auf mich zukommt.

Laufen statt SEV reloaded – Es wird konkret

Heute habe ich einen Wanderrucksack voll Klamotten im Zug dabei. Ich werde meine Sachen, die ich heute für die Arbeit angezogen habe, im Büro deponieren, alternative Klamotten für den Heimweg anziehen und die noch im Büro befindlichen Laufsachen heute Abend mitnehmen.

Morgen und am Freitag muss ich mit deutlich weniger Stauraum auskommen, da der Trailrunning-Rucksack einfach kleiner ist. Vielleicht sollte ich den „Frachtplan“ mal zusammenschreiben, damit ich nichts vergesse. Dieses Mal wird das Projekt „Laufen statt SEV“ etwas umfangreicher, da ich nur auf dem Hinweg einen Großteil mit der Bahn absolvieren möchte. Hin sechs Kilometer bis Mörsch, zurück siebzehn vom Albtalbahnhof bis nach Hause. Das ist schon eine Hausnummer.

Natürlich könnte ich auch den Schienenersatzverkehr benutzen oder mit dem Auto nach Mörsch fahren – aber das möchte ich nicht. Sowohl das Laufen als auch das Vermeiden des Schienenersatzverkehrs und erst recht das Vermeiden des Autos sind mir Anliegen, und die Logistik, mit weniger Stauraum Büroklamotten und vor allem Schuhe hin und her zu transportieren, das schult die Fähigkeiten in Selbstorganisation.

Ich liebe es, in einer Weise zu pendeln, die mir solche Aufgaben stellt, statt mit dem Blick auf Stau-App und Uhr Verspätungen zu managen.

Laufen statt SEV reloaded (Planung)

Am kommenden Donnerstag und Freitag wird auf meinem Arbeitsweg wieder mal an der Bahn gebaut. Ich habe keine Lust auf Schienenersatzverkehr (SEV) und frage mich gerade schon, wie ich das umsetze …

Voraussichtlich werde ich morgens wieder etwa sechs Kilometer nach Mörsch laufen und dann mit der S2 in die Stadt fahren. Ob es zum Heimlaufen nach der Arbeit – volle 17 Kilometer aus der Stadt, nicht nur die sechse von Mörsch aus – schon wieder hell genug ist, wird zu klären sein, aber das würde je 23 Kilometer an beiden Tagen bedeuten – ganz schön heftig.

Vermutlich werde ich es aber tun, denn ich hasse Schienenersatzverkehr!

Carsharing

Ich weiß natürlich, dass der Begriff Carsharing mit anderen Modi des Teilens eines Fahrzeugs belegt ist. Aber die Methoden, die mein Mann und ich gerade entwickeln, sind eben genau das: das Teilen eines Autos zwischen zwei Menschen.

So lange ich nicht mehr bei meinen Eltern wohne, habe ich immer ein eigenes Auto gehabt, genau wie mein Mann auch. Die Orte, aus denen wir kommen, sind sich nicht so unähnlich: Ein Dorf bzw. eine Kleinstadt in weniger als 20 Kilometer Entfernung von einer Großstadt über 100.000 Einwohnern. Für vieles brauchten wir ein Auto, unsere Eltern ebenfalls und noch viel mehr als wir. Unsere ersten Beziehungen waren jeweils zu Menschen, deren Wohnorte nur mit dem Auto für uns praktisch zu erreichen waren. Das Auto wurde gebraucht, daher war es da und wurde auch für Wege genutzt, die auch anders zu erledigen gewesen wären. Mindestens ich dachte nicht darüber nach, dass Mobilität mit dem Auto eine knappe Ressource sein könnte. Ganz selbstverständlich hatte jeder von uns beiden ein Auto.

Nun fährt mein Mann seit Sommer mit dem Pedelec oder Rad zur Arbeit, ich nehme den Zug. Vor dem Haus waren zwei Autos fast ständig am Herumstehen. Zum Einkaufen nutzten wir es gelegentlich mal, sonst nicht. Zumindest glaube ich das. Wo ich die Verfügbarkeit und Nutzung meines Autos so selbstverständlich genommen habe, dass ich mich nicht bewusst erinnere, kann ich nicht sagen.

Seit ein paar Wochen haben wir nun nur noch ein Auto – meines, das nun unseres ist. Das ist sinnvoll und richtig. Aber ich fiel aus allen Wolken, als mein Mann nun fragte, ob ich Donnerstag das Auto bräuchte, da er heute sein Pedelec zur Inspektion bringt und daher vom Radladen abgeholt werden muss, morgen mit dem Auto zur Arbeit fährt und sich Freitag von mir hinbringen lässt, um das Pedelec wieder abzuholen.

Allein bei der Frage „Brauchst Du morgen das Auto?“ staunte ich. Nicht der rationale Teil staunte, klar. Wir haben nur ein Auto. Die Nutzung zu klären ist sinnvoll. Aber ich habe diese Frage schon so lange nicht mehr gestellt bekommen …

Und so betreiben mein Mann und ich nun Carsharing. Mal sehen, wann das erste Mal eine Auto-Benutzungs-Terminkollision auftritt. Bisher war’s nur dieses irritierende Gefühl einer Person, die 18 Jahre immer ein Auto zur Verfügung hatte und nun die Frage gestellt bekommt: „Schatz, brauchst Du morgen das Auto?“ So lange es dabei bleibt, ist ja alles bestens!