Die liebe Trainingsintensität ist so ein Thema. Für lange Strecken läuft man bevorzugt lange Läufe in niedriger Intensität – so weit sind sich glaube ich alle einig. Vor einiger Zeit habe ich mich mit einer anderen Läuferin über die jeweiligen Kommentar-Sektionen zur beeindruckenden Wirkung von Läufen im Bereich um 150 Herzschläge in der Minute ausgetauscht. Außerdem kam dann noch eine Frage von einem Kommentator, ob meine Intensität beim langen Lauf nicht zu hoch gewesen sei. Das konnten wir gemeinsam ausräumen. Dennoch will ich nun mal mein, über einiges Lesen und Ausprobieren gesammeltes Verständnis von der Trainingsintensität darlegen – mich gegebenenfalls auch gerne korrigieren lassen. Vielleicht lerne ich ja auch etwas dabei.
Es gibt bei Ausdauersportarten, hier dem Laufen, unterschiedliche Belastungszonen, die auch für unterschiedliche Schwerpunkte in der Art stehen, wie der Körper seinen Energiebedarf deckt. Insbesondere den der Skelettmuskeln, die für die sportliche Betätigung verantwortlich sind, als auch für die Versorgung des Herz-Kreislauf-Systems, das den Nachschub an Energieträger und Sauerstoff transportiert. Je höher man „dreht“, je höher also die Belastung und damit die Herzfrequenz ist, um so mehr Energie muss bereitgestellt werden.
Ein Großteil der Last in niedrigen Belastungsbereichen kann aus Fett-Verbrennung gedeckt werden – Fett ist der Langzeitspeicher des Körpers, aber nicht ganz so schnell und effizient mobilisierbar wie „schnellere“ Energieträger des Körpers. Bei höherer Belastung wird mehr Energie benötigt, der Fett-Stoffwechsel stößt aber an seine Grenzen. Daher nimmt der Anteil der Nutzung von Glykogen im Körper zu – Fett wird weiter verbrannt, auch nicht weniger, aber das Glykogen kommt noch obenauf. Glykogen ist, vereinfacht gesprochen, für den Verbrauch durch den Körper aufbereiteter, zwischengespeicherter Zucker, stammt also aus Zucker und Kohlenhydraten. Bei höherer Belastung „verbrennt“ der Körper also Fett und Glykogen. Nun darf man sich das nicht wie einen Ofen mit einem Dampferzeuger darüber vorstellen, der dann über eine Turbine Muskelkraft macht. Mehrere Stationen des Abbau-Prozesses von Zucker-Einheiten aus dem Glykogen erzeugen jeweils eine Energieträger-Einheit, die die Muskeln benutzen können – das ATP. Dabei sind die ersten beiden Abbauprozessschritte der Zucker-Einheiten für den Körper effizienter – steigert man also die Belastung noch weiter, verstoffwechselt der Körper immer mehr Glykogen, lässt aber die ineffizienteren Schritte nach den ersten beiden weg. Die Leistung wird immer größer, aber es sammeln sich Stoffwechsel-Zwischenprodukte des Glykogens an, die normal unter Sauerstoffverbrauch direkt weiter verbrannt würden. Dieses Zwischenprodukt ist das berüchtigte Laktat, die Milchsäure. Die Belastungsbereiche nennt man Fettverbrennungszone (Fettverbrennung sorgt für den Großteil der Energie), aerobe Zone (Fettverbrennung läuft weiter, der Großteil der Energie wird durch vollständigen Abbau von Glykogen erzeugt) und anaerobe Zone (Fettverbrennung läuft, vollständige Verbrennung von Glykogen läuft, aber es läuft auch eine Menge unvollständige Verbrennung von Glykogen zu Laktat, weil daraus am schnellsten am meisten Energie erzeugt werden kann).
Ganz klar wird dadurch: In der Fettverbrennungszone kann ich ganz bequem lange laufen. In der aeroben Zone ist das schon anstrengender, und wenn das Glykogen „leer“ ist, fällt die Leistung stark ab. In der anaeroben Zone, besonders ziemlich weit in der anaeroben Zone, wenn ich also sehr viel Glykogen nur zu Laktat abbaue, geht mir schnell die Puste aus – denn auf Dauer funktioniert meine Leistungserzeugung nicht gut, wenn die Muskeln oder das Blut zu viel Laktat enthalten. Langstrecke laufe ich also in der aeroben Zone oder im unteren Bereich der anaeroben – ja länger die Strecke, um so aerober der Stoffwechsel, mit dem ich das durchhalten kann. So richtig krass anaerob kann ich kaum viel mehr als ein paar hundert Meter sprinten.
Selbstverständlich wird nicht bei Belastung X schlagartig ein Schalter umgelegt und ich bin nicht mehr in aerober, sondern in anaerober Zone. Die Übergänge sind graduell, fließend. Sinn und Zweck eines Trainings für die Langstrecke ist nun, erstens den Fettstoffwechsel effizienter zu nutzen, sozusagen die Muskeln mehr und größere Öfen für Fettverbrennung bauen zu lassen, zweitens die Vorräte an Glykogen, die der Körper bereithält, zu vergrößern und drittens den Stoffwechsel der Muskeln robuster gegen Laktat zu machen. Dafür gibt es optimale Zonen und optimale Trainingsformen – das Prinzip ist immer, dem Körper durch eine geeignete Belastung zu verdeutlichen, dass einer oder mehrere der genannten Leistungsparameter Fettverbrennung, Glykogenvorrat und Laktattoleranz nicht ausreichend sind. Der Körper reagiert darauf, in dem er in der Erholung nach dem Training das jeweilige Potential erhöht.
Es ist also wichtig, in welchem Bereich ich laufe. So weit, so klar. Wie man Belastung misst, ist der nächste, wichtige, entscheidende Punkt. Die am weitesten verbreitete Methode, die Belastung zu beurteilen, ist der Puls oder die Herzfrequenz. Das ist nicht exakt das gleiche, das soll aber hier egal sein. Natürlich kann ich alle meine Parameter, Zonengrenzen und so weiter in Einheiten der Herzfrequenz sportmedizinisch bestimmen lassen. Dabei wird üblicherweise die Belastung in Prozent angegeben und über die Herzfrequenz abgeschätzt. Die Leistungsdiagnostik ist allerdings ein bisschen Aufwand und daher sicher für wenige Hobbyläufer, wenn nicht die wenigsten praktikabel.
Aber es gibt gewisse Faustformeln. Dafür kann ich ein oder zwei Parameter benutzen – der gängigste und meistverwendete Parameter ist die maximale Herzfrequenz. Die maximale Herzfrequenz ist jene Zahl von Herzschlägen in einer geeigneten Zeiteinheit (Minuten sind üblich), die das Herz des Sportlers über eine gewisse, eher kurze Zeit bei maximaler Belastung leisten kann. Diese maximale Herzfrequenz sinkt mit dem Alter. Natürlich ist sie ein individueller Wert, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann, sich von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark mit dem Alter verringert und von Mensch zu Mensch unterschiedlich durch Training beeinflusst ist. Aber da all das kompliziert ist und die Unterschiede nicht so groß sind, werden üblicherweise Faustformeln angegeben. Die Definitionen weichen oft ein wenig voneinander ab, aber üblicherweise finden sich die Faustformeln mehr oder minder bei etwa 220 bis 230 abzüglich des Lebensalters zusammen, der ermittelte Wert ist dann die maximale Herzfrequenz in Schlägen pro Minute.
Gehe ich von mir aus – und das tu ich meistens, denn bei anderen muss ich spekulieren – sind das 226 (für Frauen) minus Lebensalter (38), also 188 Schläge in der Minute. Wenn ich mit 188 Schlägen in der Minute sportlich belastet durch die Gegend hechele, schlaucht das. Es schlaucht sogar ziemlich hart. Aber das bedeutet ja die maximale Herzfrequenz. Man kann auch versuchen, die maximale Herzfrequenz zu bestimmen. Es gibt – selbstverständlich immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießende – Selbsttests, die meistens mit Einlaufen, steigernder Belastung und Messung, dann Auslaufen verbunden sind. In einem solchen Test habe ich für mich eine maximale Herzfrequenz von 191 bestimmt, was ganz gut mit der Alters-Faustformel übereinstimmt. Ich habe den Test übrigens mehrfach durchgeführt, da es natürlich immer tagesform- und ausführungsabhängige Abweichungen geben kann – das Ergebnis blieb sich mehr oder minder gleich.
Wenn ich ganz simpel rangehe, kann ich nun meine Belastung als Prozentsatz meines Maximalpulses definieren und bin fertig. Mir greift das zu kurz. Schließlich trainiere ich mein Herz, so dass es größer wird und mit einem Schlag mehr sauerstoffgesättigtes Blut von den Lungen zu den Muskeln pumpen kann. Daraus folgt natürlich, dass mein Herz in Ruhe, wenn ich wenig Energie brauche, langsamer schlagen kann und dabei doch dieselbe Menge sauerstoffgesättigten Blutes zu meinen Zellen pumpt. Der Puls, die Herzfrequenz in Ruhe sinken also mit größerem Herzen – man spricht vom Ruhepuls. Unter meinen Ruhepuls kann ich kaum gehen, denn dann wird mein Körper in seinen Grundfunktionen nicht mehr richtig versorgt. Der Bereich, in dem mein Körper sich durch die Herzfrequenz an von mir abgerufene Leistung anpassen kann, liegt also zwischen Ruhe- und Maximalpuls. Wer bereits 80 Schläge in der Minute für den Erhalt der Ruhefunktionen des Körpers braucht, wird bei 150 Herzschlägen in der Minute sicher stärker belastet sein als einer, dessen Ruhepuls, sagen wir, bei sehr trainierten 40 liegt. Es liegt also nahe, bei der Belastung den Ruhepuls als 0%, den Maximalpuls als 100% zu definieren. Mein Ruhepuls im Mittel der letzten Monate liegt bei 55 bis 57 Schlägen in der Minute.
Will ich also ausrechnen, bei welchem Prozentsatz meiner maximalen Belastung ich liege, ziehe ich von der tatsächlich im Training gemessenen Herzfrequenz den Ruhepuls ab. Beispielsweise laufe ich einen langen Lauf, bei dem ich meinen Fettstoffwechsel trainieren will – der soll im aeroben Breich liegen, so dass der Fettstoffwechsel nicht reicht, aber der Körper spürt, wenn er sich ein bisschen anpasst, kann’s doch reichen – ich will ihn ja da hin kitzeln, mehr von der Energie aus Fett zu machen, damit meine Glykogen-Reserven länger halten. Also berechne ich die Belastung, wie gesagt, ich ziehe von beispielsweise (recht hohen) 157 bpm meinen Ruhepuls ab – erhalte also 100 bpm über meinem Ruhepuls. Um nun herauszufinden, wie viel Prozent meiner maximalen Leistung das sind, teile ich diese 100 bpm über Ruhepuls durch den Unterschied zwischen Maximalpuls und Ruhepuls, bei mir 191-57=136 bpm. 100 geteilt durch 136 ergibt 0,735, die bpm kürzen sich weg. Meine Belastung ist also 73,5%.
Wo genau die Zonen Fettverbrennung, aerob und anaerob beginnen und enden, in Einheiten der prozentualen Belastung, da findet man manchmal leicht unterschiedliche Werte, aber der Übergang von aerob zu anaerob liegt immer irgendwo im Bereich von 65-80%. Warum das so unterschiedlich ist? Tja – vermutlich rechnen die einen mit Prozent des Maximalpulses und die anderen mit Prozent des Maximalpulses abzüglich des Ruhepulses.
Wie gehe ich nun meine Trainingssteuerung konkret an?
- Ich messe (über meine Pulsuhr) regelmäßig mehrfach in der Woche meinen Ruhepuls. Diesen trage ich ein. Da der Ruhepuls abhängig von Tagesform, Trainingsstand und auch vorangegangenen Trainings ist – je härter das Training, um so länger ist der Puls noch über den niedrigsten Ruhepuls erhöht, da der Körper noch mehr Sauerstoff braucht, um z.B. Laktat abzubauen – mittele ich über ganze Monate.
- Ich messe immer mal wieder, mehrfach im Jahr durch eine geeignete Methode (Selbsttest oder Besuch beim Mediziner) meinen maximalen Puls. Wenn ich nicht gerade in dem Monat gemessen habe, senke ich jeden Monat die maximale Herzfrequenz seit der letzten Messung um einen Zwölftelschlag – im Jahr also um einen Herzschlag in der Minute. Das entspricht der Entwicklung, von der auch die Faustformeln ausgehen.
- Ich rechne aus den Monatsmittelwerten einen Belastungspuls mit einer vorgegebenen Intensität in Prozent aus – und zwar nach der Formel: Ruhepuls plus Intensität in Prozent mal Herzfrequenzreserve. Die Herzfrequenzreserve ist dabei Maximalpuls minus Ruhepuls. Derzeit habe ich 70% angesetzt.
- Dieser 70%-Belastungspuls schwankt um 150, abhängig von leichten Schwankungen des Ruhepulses über die Monate. Für lange Ausdauereinheiten strebe ich an, bei dieser 70%-Belastung zu liegen. Lieg‘ ich mal etwas drüber, ist das nicht so wild, ein anderes Mal liege ich wieder drunter. Ich schaue nicht permanent auf die Pulsuhr, vertraue auch meinem Gefühl – resette das Gefühl aber gelegentlich über einen Vergleich von 70%-Soll und tatsächlich gelaufener Belastung.

Ich lade Euch ein, wenn Ihr mehr oder anderes wisst, dieses einzubringen. Ich habe mir das so zusammengestückelt, indem ich an verschiedenen Stellen gelesen habe. Da ich bisher nicht so schlecht damit gefahren bin, lade ich jeden ein, der hier ein Aha-Erlebnis hatte, sich mein Verständnis anzueignen und mir im Anschluss zu berichten, ob das für ihn oder sie auch funktioniert – aber auch gegebenenfalls mehr wissenden Kommentatoren hier Aufmerksamkeit zu schenken.