Wenn Du es am wenigsten erwartest …

Ich fürchte, hierfür muss ich – mal wieder – weiter ausholen. Nun ja … um ehrlich zu sein: Ich LIEBE es, weit auszuholen!

Es war vor langer Zeit, zumindest auf meiner Skala. Anfang bis Mitte der sogenannten „Nuller-Jahre“. Ich spielte das Spiel „BEHIND“, das damals als Hybride aus Kartenspiel und Tabletop auf den Markt kam, entwickelt von Michael Palm und Sebastian Jakob, vertrieben von Fishtank. Außerdem war ich viel in der Kulturruine unterwegs, einem Karlsruher Gothic-Club. In dieser Zeit lernte ich etliche Leute kennen, und in diese Zeit fiel es auch, dass einer meiner BEHIND-Mitspieler, nämlich Kai aus Saarbrücken, mich das erste Mal auf Konzerte mitnahm – Konzerte der „schwarzen Szene“. Das erste Konzert dieser Art für mich fand dementsprechend auch in Saarbrücken statt. Es gab in dieser Zeit ein reges Hin- und Herfahren zwischen Saarbrücken, Speyer und Karlsruhe, denn die BEHIND-Spieler des Südwestens kamen immer in Mannschaftsstärke zu den Turnieren in der jeweils anderen Stadt. Was sind wir die Strecke hoch- und runtergefahren! Für die Karlsruher war’s in Mühlburg auf die B10, Rheinbrücke, A65 bis Landau, B10 über Annweiler bis nach Pirmasens, A8 bis zum Kreuz Neunkirchen, A6 und A620 nach Saarbrücken zu den Turnieren im Zock! Bei uns wechselten die Locations, aber die Saarbrücker waren immer da, wenn wir riefen. Und war gerade kein Turnier bei uns oder bei denen, dann traf man sich in Speyer. Denkwürdig mein Verfahrer, als ich in Speyer zu früh von der B9 abfuhr und das Straßenschild verkündete, wir seien auf dem Holzweg. Ernsthaft: Wir wendeten in einer Straße, die den klangvollen Namen „Holzweg“ trug!

Lang ist es her. Ich schweife ab, ja. Es mag meine blanke Arroganz sein, aber ich habe den Eindruck, dass einer der Pfeiler der gemeinsamen BEHIND-Südwest-Truppe die Freundschaft zwischen Kai und mir war. Kai begleitete mich durch einige verrückte Zeiten, und nahm mich – womit ich zurück beim Aufhänger bin – mit auf mein erstes Grufti-Konzert in der Garage in Saarbrücken. Die Band war Blutengel, die ich heute nicht mehr hören würde, aber hey, wir waren jung und wussten es nicht besser! Das zweite Konzert in der Garage erlebte ich dann schon NACH meinem ersten WGT, aber wieder mit Kai, dieses Mal erste Reihe Mitte, dieses Mal auch „was Gescheites“, was die Musik angeht: Apoptygma Berzerk. Bei „Love Never Dies“ hatte ich einmal Stefan Groths Mikrofon über mich gehalten und sang aus vollem Hals und sicher nicht tonsicher „Love is forever!“ hinein.

Doch die Dinge ändern sich. Der offizielle Support für BEHIND starb einen unwürdigen Tod, mein Leben ging über Beziehungen, Promotion und Arbeit in Stuttgart weiter, Kais Leben ging über Beziehungen, Jobwechsel und einen Umzug nach Bremen weiter. Beide sehr beschäftigt, bekamen wir zuletzt nichtmal einen Facebook-Message-Wechsel im Jahr hin.

Gestern Abend reiste ich nun wieder einmal nach Saarbrücken. Es ist lang her, seit ich die Strecke von Karlsruhe über den Rhein, nach Landau, vorbei am Trifels, die Tunnel und Steigstrecken der B10 hinauf, in Pirmasens auf die A8 gefahren bin. Bei der Stadtautobahn A620 an der Saar kam ein Gefühl von brutalster Nostalgie auf, als ich an der Wilhelm-Heinrich-Brücke abfuhr und mich erinnerte, dass wir meist eine Ausfahrt vorher, an der Bismarck-Brücke zum Zock! abgefahren waren. Dann stand ich in der Garage, erste Reihe Mitte wie damals bei Apoptygma Berzerk, und wartete auf VNV Nation. Nostalgisch schrieb ich Kai, dass ich genau dort stand, wo wir vor langer Zeit gemeinsam bei Apoptygma Berzerk gestanden hatten … in der Garage. Zurück kam: „In Saarbrücken?!?“

Lange Rede, kurzer Sinn: Kai war in Saarbrücken, obwohl er weiterhin in Bremen lebt! Nach dem Konzert saßen wir noch in dem Restaurant an der Ecke Bleichstraße/Mainzer Straße und redeten zwei Stunden, bis der Laden schloss, über die alten Zeiten und wo das Leben uns so hingespült hatte. Vieles ist anders, aber erstaunlich vieles ist geblieben – manches gut, wie unsere Freundschaft, manches nicht so gut, wie wiederkehrende Probleme. Wie das Leben eben so spielt!

Sagen und tun

Gestern Abend war ich auf einem Konzert – bei VNV Nation auf dem zweiten Europa-Teil der Tour zum Album Noire. Es war ein tolles Konzert, jedenfalls für mich, doch darum geht es mir hier gar nicht.

Ich kam mit ein wenig Verspätung auf dem Heidelberger Hauptbahnhof an und stand so nicht ganz vorne in der Warteschlange vor dem Einlass. Das führte dazu, dass für mich nur noch am Bühnenrand ein Platz in der vordersten Reihe war. Neben mir, in Richtung Bühnenmitte, war eine recht raumgreifende Vierergruppe. Zwei der Frauen der Gruppe aus insgesamt drei Frauen und einem Mann standen vorne an der Absperrung und nahmen viel Platz ein – mehr, als sie für ihre Körper gebraucht hätten. Nun gut, dachte ich mir. Später dann tauchten hinter mir eine Frau mit Rollator und ein Pärchen auf, der Mann im Rollstuhl. Die Vierergruppe neben mir begann sich zu unterhalten, warum es denn keinen Rollstuhl-Bereich gäbe, oder man diese Leute nicht vor die Absperrung ließe. Auf die Idee, den Rollstuhlfahrer und seine wirklich nicht hochgewachsene Freundin vor an die Absperrung zu lassen und dahinter zu stehen, kamen sie nicht. Ich brauchte zugegebenermaßen auch einen Moment, aber kurz bevor das Konzert losging, tauschte ich mit dem Pärchen mit Rollstuhlfahrer den Platz und schuf so auch eine direkte Sichtlinie der Dame mit Rollator auf die Bühne.

Eigentlich sollte das selbstverständlich sein. Ich sollte nicht so lange brauchen, so etwas zu tun. Auch Kinder, die ja nun wirklich nicht den Blick versperren, aber außer vorne an der Absperrung nun wirklich schlechte Chancen haben, was zu sehen, sollte man nach vorne lassen. Das taten dieses Mal recht wenige. Eigentlich bin ich das vom Publikum bei VNV Nation anders gewohnt. Aus meiner Sicht handeln die Texte auch – nicht nur, aber eben auch – davon, sich umeinander zu kümmern. Insbesondere „Illusion“ macht da einen Vorstoß. Vielleicht war’s ein schlechter Tag, ich habe ja auch recht lange gebraucht, bis ich von dämlichem Egoismus abgerückt bin.

Für mich ist manchmal erschreckend, wie sehr wir Deutschen uns von unserem überregelten Staat aus der Verantwortung nehmen lassen. Es wird geschimpft, dass sich nicht besser um die Schwachen, Gehandicapten oder Kranken gekümmert wird. Aber selbst mal einen Platz in der ersten Reihe aufgeben, um jemanden vorzulassen, über den man ja doch drübergucken kann, der aber hinter einem selbst nichts sehen könnte, dafür brauchen wir lang; wenn wir es überhaupt tun. So wichtig ich es finde, dass der Staat sich um die Dinge kümmert – es sollte auch die Gesellschaft sein, die das tut. Und die Gesellschaft, das ist nicht irgendetwas Abstraktes. Das sind wir alle, und wer, wenn nicht ein erster Teil der Gesellschaft, nämlich wir selbst, kann damit anfangen?

Im Endeffekt wurde ich mit frohen, dankbaren – und nicht zuletzt unheimlich vom Konzert begeisterten, sehr engagiert mitmachenden Menschen um mich herum belohnt. Die Stimmung in der Ecke, in die ich dann doch ein Stück weiter hinein zurückgesetzt das Konzert miterlebte, war gigantisch!

Vernünftig sein ist doof

Heute wollte ich eigentlich auf den Hockenheimring-Lauf gehen – oder eher dort antreten. Leider war heute früh beim Aufstehen mein Mann, der mich begleiten wollte, mit Kopfschmerzen geschlagen und klagte über Halsschmerzen – ich selbst hatte eine laufende Nase. Das letzte Mal, als ich nach krankem Mann und mit ganz leichten Anzeichen einer Erkältung auf einen Wettkampf ging, wurde daraus eine vierzehntägige Trainingspause.

Also schrieb ich dem Bekannten, der mich über seinen Facebook-Status mit der Idee des Hochenheimring-Laufs angefixt hatte, in seinen Status eine Entschuldigung, dass wir nicht kämen, und wir legten uns wieder ins Bett. Inzwischen ist uns beiden besser und ich finde es super-ärgerlich, nicht angetreten zu sein. Andererseits wäre die Erkältung, die ich mir letztes Mal eingefangen hatte, der Killer für den Spaß am Konzert morgen Abend in Hamburg gewesen.

So oder so – ich habe vernünftig gehandelt, finde es aber doof, dass ich nicht angetreten bin. Vernünftig sein ist – vernünftig. Aber doof.

Nämlich!

Euphorie!

Heute in der Mittagspause erreichte mich die Nachricht, die schon als aufregende News für heute um 12:00 angekündigt war …

„Exciting News on Monday at 12:00!“, so kündigte Ronan Harris es an. Meine Mittagspause nutzte ich dazu, Tickets zu kaufen – denn es waren Tourdaten zum neuen Album „Noire“ von VNV Nation sowie Tickets, die in den Verkauf gingen!

Und somit werde ich VNV dieses Jahr viermal sehen: Auf dem E-tropolis im März, in Stuttgart und Frankfurt im Oktober und nochmal im Oktober in Hamburg! Ich bin völlig von der Rolle und durch den Wind, so freue ich mich!

Wieso?

Ich weiß, dass auf Festivals nicht nur Hardcore-Fans von Bands sind, und jeder seine Berechtigung auch ganz weit vorne hat.

Aber sechs oder mehr Zigaretten während eines Konzerts zu rauchen, wenn man in der ersten Reihe steht, Bier trinken, die Hälfte der Zeit mit dem begucken anderer Konzertbesucher, mit Rücken zur Band verbringen und dann immer mehr Platz beanspruchen, andere beim rückfordern des Platzes aber maßregeln…

Das hat, bei aller Toleranz, in der ersten Reihe eines Konzerts nichts zu suchen. Auch sonst nicht, aber in der ersten Reihe habe ich genau das erlebt.

Euphorie, Heulkrampf und das tollste Kind der Welt

Zurück vom Konzert von VNV Nation im Jazzhaus Freiburg sitze ich nun wieder vor meinem Rechner, weiß genau, dass morgen erstmal viel Tee nötig sein wird, um mich wieder mit der Stimme zum Rollenspiel Leiten auszustatten und bin noch völlig geflasht von dieser wundervollen Automatic-Empires-Show!

Ich möchte gar nicht zu tief einsteigen in die Musik – auch wenn ich totaler Fan bin. Was ich an VNV-Konzerten unheimlich schätze, ist die enorme Präsenz, das Charisma und den Enthusiasmus von Ronan Harris und seiner Crew, darunter der ruhigere, aber nicht minder präsente Mark Jackson an den Drums. Dazu kommt ein euphorisches, enthusiastisches Publikum und eine freundliche Atmosphäre unter den Fans, die von Rücksicht und aufeinander achten geprägt ist. Deswegen war es auch für keinen ein Problem, auch für keinen eine Einschränkung oder gar ein Faktor, Angst um sie zu haben, als ein Papa seiner kleinen Tochter einen Platz in der ersten Reihe erbat. Das Mädchen sprach nur Französisch, hatte adäquaten Hörschutz dabei und hört – laut dem Papa – bereits seit dem Kindergarten Bands wie VNV Nation und Hocico. Der Vater vertraute den Fans in der ersten Reihe auch so weit, dass er nicht sich selbst direkt dahinter dazustellte, sondern seinen Platz in der dritten Reihe nahm und seine Tochter direkt vor der Bühne in Sicherheit wusste. Tatsächlich ging die Kleine total ab, sie war begeistert, ging mit und hielt, bis auf einen kurzen Ausflug, um auf’s Klo zu gehen oder was zu Trinken, das gesamte Konzert durch. Ich war völlig begeistert von der Kleinen, die dann auch, als sie etwas stiller dastand und ich besorgt fragte: „Ça va?“, wie der Vater es getan hatte, heftig nickte, später wieder voll dabei war. Als Ronan Harris sie fragte, ob sie Spaß habe, verstand sie ihn nicht – dann habe ich Ronan zugerufen, dass sie Französisch spreche: „French!“, und später forderte er in unsere Ecke nicht nur auf: „Go!“ und „Auf geht’s!“, sondern auch „Allez!“. Zwei Stunden erste Reihe auf einem Konzert, halb so groß wie die Leute um sich herum, zu keinem Zeitpunkt Angst – alle Achtung! Und dann der Musikgeschmack …

Für mich selbst war es ein Konzert voller blanker Euphorie und Begeisterung. Ich habe über „Futureperfect“ zu VNV gefunden, die Band mit „Matter+Form“ heiß lieben gelernt und nenne „Automatic“ inzwischen mit Inbrunst mein Lieblingsalbum, auch wenn die anderen auch toll sind. Mit „Empires“ kann ich allerdings auch einiges anfangen, so dass viele, eigentlich die meisten Lieder für mich nicht nur bekannt, sondern auch vertraut, geliebt und zum mitsingen waren. Dazu kamen absolut begeisterte weitere Fans um mich herum, und bei einigen Liedern haben wir alle lautstark mitgesungen – großartig.

Bei „Photon“ schließlich erwischte es mich heftig – ich wurde von Gefühlen übermannt, glücklich, melancholisch, begeistert und allgemein emotional konnte ich nur noch weinen und mitwippen. Auch hier bemerkten es die anderen und fragten, ob alles okay sei – meine Begleitung, die meine Reaktionen schon kennt, versicherte – wahrheitsgemäß – dass alles okay sei. Ich hing emotional so in den Seilen, dass ich das nicht konnte. Später ging es wieder, es war sehr heilsam – in einer Intensität, wie ich das oft nur bei VNV-Nation-Konzerten erlebe.

Nun werde ich erstmal völlig erledigt in mein Bett fallen!

Tonight’s the night …

Ich fahre wieder zu Automatic Empires, zu VNV Nation! Yay!

Heute Abend läuft wieder ein Konzert der Automatic-Empires-Reihe von VNV Nation und ich fahre mit einer Freundin da hin. Ich bin schon ganz hibbelig und begeistert und durchgedreht darüber!

VNV Nation ist für mich: Ausklinken, Heulen, Singen, Tanzen, Lachen und alles draußen vergessen. Ronan Harris forderte im LKA Longhorn in Stuttgart auf der „Transnational“-Tour dazu auf, alles, was einen bedrückt, beschäftigt und so weiter, nach draußen zu verbannen, zu singen, zu tanzen, irgendetwas zu tun, und eine gute Zeit zu haben. Und dann spielte er „Resolution“, natürlich aus „Automatic“. Das ist eines der beiden Alben, um die es heute Abend geht. Das wird GROSS!