Top-Down vs. Bottom-Up

Viele komplexere Dinge kann man von der Grundphilosophie auf zwei verschiedene Weisen angehen. Da gibt es einmal die Variante „Top-Down“, von einem abstrakten Prinzip auszugehen und dann erst in die Details, während sich Bottom-Up von den Details nach oben arbeitet. Freilich ist das nun recht grob beschrieben, aber für den Moment soll es reichen.

Ich möchte die Präsenz der Konzepte Top-Down und Bottom-Up im Bereich der Ernährung gerade ein wenig beleuchten, allerdings angewandt auf meine konkrete Situation. Ich will dabei keine Anleitung schreiben, sondern eher davon ausgehen, wie es mir mit der Planung meiner Ernährung und den Ratschlägen dazu von außen geht. Gerade die Colitis ulcerosa gibt an vielen Stellen den Bedarf, sich damit zu befassen, was man isst und was man essen sollte. Außerdem gibt das Vorhanden-(aber nicht zwingend dabei auch Aktiv-)sein der Krankheit gerne mal Freunden, Bekannten und Außenstehenden den Anlass, gefragt oder auch ungefragt Ratschläge zu geben.

Tendenziell bekommt man von außen oft Ratschläge, die auf Schlagworten für das ganze Konzept beruhen. Das sind dann ziemlich oft Top-Down-Ansätze. Ein Prinzip wird aufgestellt, benamt das Ernährungskonzept und das als Ganzes bekomme ich dann empfohlen. Eines der Musterbeispiele war, dass ein Bekannter mir zur Paläo-Diät riet. Das zugrundeliegende Prinzip ist klar: Esse nur das, was unseren Jäger- und Sammler-Vorfahren auch zur Verfügung stand. Neben industriell verarbeiteten Lebensmitteln schließt das auch Milchprodukte und diverse Ackerbau-Produkte, insbesondere moderner Züchtungen aus. Paläo oder oft auch als Paleo geschrieben geht ziemlich rum, gerade auch mit dem Ziel, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu lindern oder gar zu heilen. Nur um es vorweg zu nehmen: Ich bin keine Paleo-Anhängerin geworden. Ich werde das sicher auch keinem absprechen, denn dass es auch jenseits eines Placebo-Effekts Menschen, vielleicht vielen Menschen gut tut, werde ich sicher nicht in Abrede stellen.

Neben einer prinzipiellen, nicht-ernährungsphysiologischen Kritik an Paleo als Massenphänomen in dicht besiedelten Industrieländern störte mich an der Idee vor allem, dass ich zwar eine einfache Entscheidungsgrundlage hätte, was ich essen darf und was nicht, diese aber nicht auf meinem Ziel basierte. Die prinzipielle Kritik basiert auf der Tatsache, dass das „Revier“ eines Steinzeitmenschen, der sich als Jäger und Sammler durchschlug, ziemlich groß war und groß sein musste, um ihn zu ernähren. Obst, Gemüse und Pilze für den Sammler, Fleisch und Fisch für den Jäger erfordert jeweils eine gewisse Fläche. Ich hab’s nicht durchgerechnet, aber ich würde schwer bezweifeln, dass acht Milliarden Menschen selbst mit modernen Produktionsmethoden „Paleo“ leben können. Natürlich ist diese Kritik scheinheilig: Vieles, das ich esse, kann auch eventuell nicht in nachhaltiger Weise und der Menge, in der ich es konsumiere, für acht Milliarden Menschen von der Erde zur Verfügung gestellt werden. Ich will mein obiges prinzipielles Argument nicht „vergessen“, aber ich muss es seriöserweise wie im Vorsatz geschrieben abmildern. Natürlich ist das nur ein Nebenschauplatz, der Versuch, ein grundsätzliches, ein Top-Down-Argument zu finden, dass ich einfach keine Lust auf Paleo hatte. Naja, ganz so einfach „keine Lust“ ist es auch wieder nicht. Ich hatte Dinge vorgefunden, die in Paleo nicht reinpassten, mir aber nach meiner Erfahrung gut taten.

Selbstverständlich ist Paleo nur ein Beispiel. Da gibt es noch mehr – allerdings oft auch Zeug, das mir nicht empfohlen wurde. Gerade bei Diäten, die zum Abnehmen gestaltet sind, gibt’s da einen Haufen. Nicht, dass ich Prinzipien doof fände, im Gegenteil! Was ich bei Prinzipien allerdings viel wichtiger finde als bei klein-kleinem „Flickwerk“, ist die Konsistenz von Zweck und Konzept. Nennen wir mal das simpelste, abstrakteste, übergeordneteste Diät-Prinzip: Kalorienbilanz. Ich kann nicht abnehmen, wenn ich mehr Energie in Form von vom Körper verwertbaren, chemische Energie enthaltenden Stoffen pro Tag zu mir nehme als ich an Energie verbrauche. Das ist simpel, logisch und ermöglicht mir, meine Handlungen zu bewerten. Beim obigen Beispiel „Paleo“, ohne darauf herumreiten zu wollen (ähnliches gilt auch für andere Konzept-Diäten), benutze ich ein Prinzip. Dass dieses Prinzip meinem Ziel zuträglich ist, kann ich auf zwei Weisen belegen: Erstens auf abstrakte Weise. Ich schließe also von „Der Mensch hat sich evolutionär darauf eingestellt, Jäger und Sammler zu sein. Was er als Jäger und Sammler an Essen verfügbar hatte, muss also gut für den Menschen sein, denn der Mensch hat sich da hin entwickelt, dass diese Speisen und Getränke gut für ihn sind.“ Das ist hübsch, eingängig, aber in keinster Weise per se richtig. Natürlich KANN es richtig sein, aber es klingt erstmal nur richtig – denn unsere Situation heute ist definitiv anders als die jener Menschen, die als Jäger und Sammler lebten: Wir leben wohltemperiert, erheblich bewegungsärmer, auf andere Weise gestresst und vor allem auch viel länger als Steinzeitmenschen. Wenn z.B. die Colitis ulcerosa beim Menschen typischerweise Mitte 20 bis Mitte 30 ausbricht, ist dann der Schluss, dass wir sie als „Zivilisationskrankheit“ durch unsere Nicht-Steinzeiternährung erzeugen oder begünstigen, nicht ein recht weiter Schuss? Menschen werden erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit alt genug, dass Krankheiten, die nach dem dreißigsten Lebensjahr ausbrechen, überhaupt eine Relevanz besitzen. Der große, konzeptionelle Schluss, dass Jäger- und Sammlerernährung besser als Getreide und Milch für uns sei, beruht also auf einem Schluss vom nomadischen, körperlich beanspruchten, sein Adrenalin durch körperliche Tätigkeiten abbauenden Menschen mit einer Lebenserwartung von vielleicht 30 Jahren auf einen sesshaften, körperlich unterforderten, nicht-körperlich stark gestressten Menschen, dessen Lebenserwartung im Bereich von fast dem Dreifachen liegt! Dem möchte ich mich so nicht anschließen. Nochmal: Das ist erstens meine Ansicht und zweitens nur an Paleo als Beispiel durchexerziert. Natürlich gibt es noch ein „zweitens“: Ich kann empirisch nachzuweisen versuchen, dass die Entscheidungskriterien, nach denen ich bei einer Konzept-Diät meine Lebensmittel auswähle, einer Beispielgruppe gut tun. Das ist aufwändig, wird sicher auch gemacht, und wie die Datenlage für die verschiedenen Konzept-Diäten ist, weiß ich nicht.

Denn ich setze nicht auf einen Konzept-Ansatz. Natürlich habe ich einen Top-Down-Anteil in meinem Leben drin: mehr Kalorien raus als rein, wenn ich abnehmen will, etwa eine Balance, wenn ich das Gewicht halten will. Da sind noch mehr Prinzipien. Aber bei der Auswahl der konkreten Nahrungsmittel setze ich auf etwas anderes. Inhaltsstoffe, konkrete Erfahrungen der Verträglichkeit an anderen, ausprobieren, ob’s mir gut tut. Außerdem langsame Schritte, ein Lebensmittel, eine Veränderung testen, danach weiter umbauen. Das ist Bottom-Up, erlaubt kaum griffige Schlagworte, geht langsam voran. Es erlaubt mir allerdings, ein auf mich abgestimmtes Programm zu schaffen. Ich messe mich nicht an einem Riesenprinzip, das größer ist als ich. Vor solchen Prinzipien scheitere ich allzugerne und verbrenne damit meine Motivation für das Prinzip. Ich messe mich an meinem Fortschritt, baue langsam mehr ein, kann Erfolge in der Veränderung schrittweise definieren, erreichen und perpetuieren. Ganz davon abgesehen lässt mich nicht jeder Misserfolg gemessen am Riesenprinzip sofort in die Ausredenschiene fallen, in der ich die die Schlussfolgerung von meinem Ziel auf das Prinzip in Frage stelle – und das oft genug mit Recht!

Daher breche ich meine Lanze für das Bottom-Up-Prinzip.

Ich lerne …

Natürlich lerne ich an vielen Stellen. Ich lerne die Abläufe meiner neuen Arbeit. Ich lerne beim Laufen über meinen Körper. Immer wieder lerne ich neue Dinge in den vermeintlich einfachen Welten der Spiele, die ich spiele – zum Beispiel in Minecraft und auch in Guild Wars 2.

Was ich gestern konkret gelernt habe, hat jedoch mit meiner Ernährung zu tun. In einem Gespräch mit einem eigentlich beruflichen Kontakt fielen nebenbei ein paar Worte über Ernährung, und prompt bekam ich den Grund geliefert, warum man Kerne und Nüsse vor dem Verzehr einweichen sollte, wenn man sie öfter isst. Es geht um die Phytin-Säure, die Mineralstoffe als unlösliche – und damit nicht vom Dünndarm resorbierbare – Komplexe bindet. Da es mir bei den Kürbis- und Sesamkernen ja eigentlich vor allem um Mineralstoffe geht, ist das gar nicht mal so unwichtig zu wissen. Die Kürbis- und Sesamkerne werden nun also künftig immer und nicht nur manchmal schon über Nacht eingeweicht …

Hier wollte ich nun „Man lernt nie aus!“ schreiben, quasi als Schlusssatz. An dieser Stelle kann ich mir aber nie – auch hier und jetzt nicht – verkneifen, einen kleinen Witz mit der Interpunktion zu treiben. „Man lernt nie. Aus!“

 

Sesam öffne dich!

Ich habe vor einiger Zeit über die Umstellung meines Frühstücks auf Haferkleie, Obst, Magerquark und Milch oder Hafer- bzw. Reismilch geschrieben. Nun habe ich meinem Frühstück eine weitere Komponente hinzugefügt: Sesam!

Es geht dabei neben dem Calcium auch um die Zufuhr an Magnesium. Einerseits treibe ich eine Menge Sport – vor allem in Form des Laufens, andererseits gehöre ich ohnehin zu den Menschen, die eher leicht zu schwitzen anfangen und dementsprechend viele Mineralstoffe über den Schweiß verlieren. Zusammen mit der Neigung, Verspannungen zu bekommen, ist Magnesium ein Mineralstoff, den bei der Ernährung zu beachten für mich wichtig ist. Neben der Banane ist daher in letzter Zeit zunehmend auch der Esslöffel Sesam im morgendlichen Müsli zu einem Standard geworden. Zur Zeit verwende ich einen ungeschälten weißen Sesam, aber der Plan ist, irgendwann zum schwarzen Sesam überzugehen – im Endeffekt: Wenn der aktuelle Vorrat aufgebraucht ist. Ich durfte feststellen, dass wohl wirklich das Magnesium nicht gerade die starke Stelle meines Mineralhaushalts gewesen ist, denn seit ich den Sesam meinem Frühstück zusetze, merke ich Verbesserungen in der Neigung meines Körpers zu Verspannungen. Es ist ja auch für mich als Colitis-Ulcerosa-Patientin nicht gerade unwahrscheinlich, dass die Aufnahme von Magnesium im Darm nicht optimal ist. Mit künstlichem Zusatz von Magnesium habe ich ganz schlechte Erfahrungen gemacht – das Zeug macht Durchfall, und im Endeffekt lande ich dann über eine Verringerung der Darm-Verweildauer des Mesalazins, mit dem ich behandelt werde, recht schnell beim Triggern eines Schubs, was dann die Magnesium-Problematik, sofern vorhanden, noch verschärft. Da war der Sesam, zusammen mit der Haferkleie, eine willkommene Lösung.

Und so wächst die Zutatenliste meines morgendlichen Müsli-Rituals weiter. Derzeit bin ich am Überlegen, was da als nächstes kommen könnte – Eisen ist durch Leinsamen ja schon abgedeckt, Kalium sollte so weit auch passen. Vor zwanzig Monaten habe ich noch gar nicht gefrühstückt, und nun habe ich einen Cocktail, der in Sachen Nährstoffen abgestimmt ist und ich immer mehr einspielt. Es ist eingestandenerweise durchaus ein skurriles Gefühl, wie viel sich im vergangenen Jahr verändert hat: Mehr Laufen, mehr Obst, Frühstück mit Haferkleie, Sesam und Leinsamen optimiert … wenn sich so viel bewegt, frage ich mich: Geht das jetzt so weiter mit der Entwicklung? Oder habe ich vielleicht schon en Plateau erreicht, auf dem sich meine Entwicklung in Sachen Ernährung – begleitend zur Marathon-Vorbereitung – erst einmal eingestellt hat? Es bleibt spannend!

Eff-de-de

FdD … das ist eine Abkürzung, die ich zur Zeit gelegentlich benutze. Wie in meinen Statistiken zu sechs Monaten Laufen zu sehen war, befand sich über die Lauferei, die Frühstücksumstellung und dergleichen mein Gewicht im freien Fall, ebenso wie der Körperfettanteil in grober Abschätzung. Der Trend hat sich fortgesetzt:

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Beim Fettanteil habe ich nun wirklich nichts dagegen, aber 63kg sind wirklich die untere Grenze dessen, was ich wiegen möchte. Da die Waage nun auch schon einmal unter 63kg anzeigte, wurde mir immer klarer: So geht das nicht weiter. Da ich aber sehr gerne Sport betreibe, konnte ich kaum am Kalorienverbrauch etwas ändern. Also muss ich jetzt darauf achten, dass ich mehr esse. Kurz: Ich bin in der komfortablen Situation, wo andere FdH („Friss die Hälfte“) machen, sollte ich zumindest bis zum Abfangen meines Gewichts FdD („Friss das Doppelte“) machen. Das hat sich nun auch schon bewährt – innerhalb der Oktoberdaten schwankt das Gewicht nun um 64kg herum, während der Körperfettanteil noch immer eine Tendenz nach unten aufweist. Damit kann ich gut leben – wenn von Oktober auf November die lila Gewichtskurve ausflacht und die gelbe Körperfettanteils-(Abschätzungs)-Kurve weiter absinkt, wäre das genau das, was ich haben möchte. Und bis dahin werde ich zwar weiter darauf achten, WAS ich in mich hineinschaufle, der zweiten Portion aber durchaus nicht abgeneigt sein … bevor’s wieder über die 67kg hochgeht, kann ich ja mit mehr Sport und/oder weniger Essen gegensteuern.

Ich weiß, dass viele Menschen eher das gegenläufige Problem haben – auch deswegen kommt mir meines hier so skurril vor. Nichtsdestotrotz fände ich unter 63kg, gar unter 60kg zu fallen, bei meinen 174cm Körperhöhe schlichtweg indiskutabel.

Powerdrink für nach dem Training

Einen solchen habe ich für mich entdeckt. Nach längeren Läufen sind die Glykogen-Speicher beansprucht und zugleich hat man den Muskeln was zu tun gegeben, so dass sie Material brauchen, um sich zu vergrößern oder gegebenenfalls zu reparieren. Also: Eiweiß braucht man dann und Kohlenhydrate.

Genau für diese Anwendung nach dem Training stehen zur Zeit meist ein bis drei Becher Buttermilch im Kühlschrank, zumal dabei auch Kalium und Calcium rumkommen, die man nach dem Training auch brauchen kann. Somit ist nach langen Läufen der Becher Buttermilch eine angenehme Gewohnheit geworden, der mich mit dem versorgt, was ich nach dem Laufen brauche – und dabei auch noch für mich lecker ist. Mein Mann sagt zwar „Bäh!“, aber er muss das ja auch nicht trinken.

Klar, es ist nicht das einzige, was ich nach einem Lauf von fünfzehn oder mehr Kilometern zu mir nehme, aber der Becher Buttermilch gehört definitiv zu meinen Nach-Trainings-Gewohnheiten.

Viel Trinken

Ich erinnere mich an meine erste Zeit „im Internet“. Es war Anfang der 2000er oder auch „Nuller-Jahre“, ich lebte in meiner Studentenbude und hatte im Gegensatz zu „Zuhause“ bei meinen Eltern eine Verbindung zwischen meinem ISDN-Anschluss und meinem Rechner. Ich trieb mich in Rollenspiel-Chats herum und lernte dabei – über meine Kommilitonen hinaus – weitere neue Leute kennen. Ich erwähne das deswegen, weil mir damals und in Form einer dieser Personen erstmals ein bestimmtes Phänomen begegnete:

Eine – in diesem Falle weibliche – Person klagte über Schwindel und Kopfschmerzen. Als die Leute im Offtopic-Channel des Chats (also jenem, in dem kein Rollenspiel betrieben wurde) fragten, ob sie auch genug getrunken habe, klang in meinen Augen sogar ein gewisser Stolz aus ihrer Antwort: Sie habe an diesem Tag erst 250ml getrunken. Da war es bereits früher Abend! Ich habe in meiner Schulzeit nicht immer gesunde Dinge getrunken (meistens eher nicht), aber GENUG getrunken habe ich immer. Ich wusste, läge ich unter einer bestimmten Menge der Flüssigkeitszufuhr, hätte ich genau diese Symptome. Der Zusammenhang war der betreffenden Person nicht wirklich klar zu machen.

Als ich, etwas später, an einem heißen Abend mit Kopfschmerzen herumsaß und Wasser trank, frische Luft hereinließ, Wasser trank, eine Kleinigkeit aß und dabei auf Mineralstoffe achtete, Wasser trank, den Nacken streckte, Wasser trank … Ihr versteht das Muster, oder? – Jedenfalls wurde ich dann gewarnt, an zu viel Wasser sei schonmal jemand gestorben. Mittlerweile weiß ich, unter welchen Umständen das passierte: Die entsprechende Person schwitzte viel, betätigte sich sportlich und trank nur relativ mineralstoffarmes Wasser. Da fehlten dann natürlich Mineralstoffe. Insofern kann ich die Unkenrufe ob der damals getrunkenen acht Liter Wasser und des massiven Durchspülens an jenem Tag inzwischen lässig zurückweisen.

Ich gehöre auch heute noch zu den „Vieltrinkern“. Wenn ich meinem Körper zu wenig Flüssigkeit zuführe, merke ich recht schnell, dass ich unkonzentriert werde. Klar, man muss darauf achten, dass Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium und wie sie alle heißen nicht zu viel ausgespült – oder eher: ausreichend nachgefüllt werden. Man rennt natürlich das eine oder andere Mal auf die Toilette, aber stellt dafür auch sicher, dass die Harnwege nicht nur ihrer Funktion als Wasserabfuhr, sondern auch als Reststoffabfuhr des Körpers gerecht werden können. Heute trinke ich aber ungern ganz pures Wasser – meistens kommt meine Flüssigkeitszufuhr in Form von Tees und Aufgussgetränken zustande: Morgens stehen vier Tassen verschiedenen Tees auf dem Frühstückstisch, von meinem Mann und mir liebevoll „die Batterie“ genannt. Das sind so ca. ein bis 1,2 Liter Flüssigkeit – Kamille ist oft dabei, auch Pfefferminz – verschiedenes Anderes auch, ich steh‘ inzwischen wieder ganz heftig auf Fenchel und einen Früchtetee mit schwarzer Johannisbeere. Auch Grüntee ist meist dabei, zumindest über den Tag hinweg. Auch auf der Arbeit bin ich mit drei Tassen Tee, wie Bierkrüge bei einer (schlechten, sind ja nur drei) Festzeltbedienung auf den Fingern aufgereiht, auf dem Weg von der Teeküche zum Büro ein vertrauter Anblick, der gelegentlich auch bespöttelt wird. Meist komme ich auf drei bis fünf Liter Flüssigkeit pro Tag. Zwei oder drei Tässchen Espresso sind auch dabei, meist eher aus Genuss als zum Wachbleiben. Denn trinke ich Espresso und zu wenig Flüssigkeit dazu, werde ich auf noch viel unangenehmere Weise müde als ganz ohne den Kaffee.

Als ich vor einiger Zeit bei einer Ärztin vom Fach (also einer Urologin) einen Termin hatte, fragte ich – damals noch ein bisschen verunsichert von allen möglichen Unkenrufen – ob man zu viel trinken könne. Sie erklärte, dass bei hinreichender Mineralstoffzufuhr „zu viel trinken“ für die meisten Menschen schlichtweg logistisch auf der Basis ihrer Tätigkeiten nicht möglich wäre. Natürlich gäbe es extreme Szenarien, mit viel Wasser, arm an gelösten Stoffen, und sonst nichts – oder nur Essen, das wenig gelöste Salze enthielte, aber das seien wirkliche Extremfälle. Mit meinen drei bis fünf Litern pro Tag war sie glücklich, weniger ginge auch, aber wenn ich mich damit wohl fühle, solle ich das machen, denn ein „Zuviel“ sei das bei weitem nicht.

So halte ich das nun auch. Gerade, während ich diesen Beitrag tippe, sitze ich beim Frühstück. Das Schälchen mit Haferkleien, Heidelbeeren und Magerquark ist schon leer, die zweite Hälfte der „Batterie“, also der vier Pötte Tee, ist noch in Arbeit. Mein Körper mag’s. Nicht alle Kopfschmerzen und nicht alle Probleme kommen vom zu wenig Trinken – ich kann also natürlich, wie jeder andere auch, nicht jedes Problemchen mit erhöhter Wasserzufuhr lösen. Wenn ich aber zu wenig trinke, kann ich drauf warten, dass mir der Kopf wehtut. Das kommt so sicher wie das berühmte „Amen in der Kirche“ in der berüchtigten Redensart. Und so behalte ich das viele Trinken bei und genieße, was es mit mir macht. Über Unkenrufer, Spötter und Bedenkenträger kann ich mittlerweile nur grinsen, manchmal kokettiere ich auch mit dem Spott – und ändere natürlich dennoch nichts.

Die Maschine …

… ist eine Bezeichnung, die ich gelegentlich für meinen Körper verwende. Das ist nun nicht so respektlos gegenüber dem Heim für meine Seele und meinen Geist, wie es den Anschein haben könnte. Ich benutze diese Bezeichnung vor allem beim Sport.

Beim Laufen merke ich sehr gut, wie viele verschiedene Teile meines Körpers zusammenspielen. Das Herz schlägt schneller, das Blut wird anders verteilt, beim Erzeugen mechanischer Leistung produzierte Abwärme muss abgeführt werden, die Versorgung mit Sauerstoff und Entsorgung von Kohlendioxid über die Atmung wird umgeregelt … manchmal, wenn ich genau in mich reinhöre, merke ich auch andere Veränderungen. Gerade als Person mit Colitis ulcerosa „höre“ ich natürlich auch auf meinen Verdauungstrakt und bemerke manchmal, wie er abhängig von Intensität des Laufens und abhängig von Tagesform und Krankheitszustand unterschiedlich reagiert.

Auf der Oberfläche kommen solche etwas skurril-witzigen Anmerkungen wie „Ich stehe in einer Pfütze aus Kühlmittel-Kondensat“, wenn ich nach einem intensiven Lauf oder nach einem Lauf bei angenehm sommerlicher Temperatur gefühlt oder auch buchstäblich im eigenen Schweiß stehe. Auch der Vergleich mit dem Nachfüllen von Kühlmittel bei „offenem Volumenregelsystem“, in einem Analogon zu Kraftwerks-Kühlsystemen, fällt unter diese Kategorie. Eigentlich geht der Vergleich aber tiefer. Der menschliche Organismus und seine Leistungsfähigkeit sind ein faszinierendes Feld. Bei sehr vielen Stoffen finde ich spannend, dass sie gebraucht werden und wofür eigentlich – unsere Nerven zum Beispiel sind ja keine Leitungen im Sinne von Kupferdraht, sie leiten über elektrisch spannungsempfindliche Poren und ein im leit-bereiten Zustand bestehendes Ungleichgewicht von Kalium- und Natrium-Ionen inner- beziehungsweise außerhalb der Nervenzelle. Plötzlich wird auch klar, warum Kalium so wichtig ist – und die Kartoffeln als Kalium-Quelle sind dann nicht mehr nur Energiequelle durch ihre Stärke, sondern versorgen auch den Körper mit Kalium … in einer intensiv salz-benutzenden Gesellschaft wie der unseren ist die Sorge um den Natrium-Mangel glaube ich dann eher unbegründet. Dann ist da das Eisen für die Sauerstoffspeicherung in Blut (Hämoglobin) und Muskeln (Myoglobin) …

Für mich ist immer wieder spannend, was wie und wo funktioniert, mit welchen Mitteln der Körper Aufgaben erledigt, die auch in künstlichen Maschinen – weitgehend weniger „kreativ“ – gelöst werden müssen. Energieerzeugung, Energietransport, Abfuhr von Abwärme und Reststoffen, Speicherung, Freisetzung und Regelung von Vorgängen, all das kriegt der Körper in bemerkenswerter Harmonie mit erstaunlich vielfältigen und effizienten Methoden hin – wenn man ihn lässt, es gelegentlich auch abruft und ihn hinreichend mit den dafür benötigten Stoffen versorgt.

Wenn ich nun aber laufe, die direkte Reaktion meines Herzschlags auf Veränderungen der Intensität spüre und auf der Pulsuhr sehe, die Wärmeproduktion und -abfuhr über das Schwitzen und das Wärmegefühl erfühle, den Atemrhythmus beobachte, auch die unterschiedliche Dynamik beim Abspringen bei unterschiedlichem Tempo registriere – dann ist die Bezeichnung „die Maschine“ für den Körper eine Verneigung, zumindest gemäß des Gefühls, das ich dabei habe. „Die Maschine läuft“ schließlich sage ich gerne mal, wenn ich mich mit einer zufriedenstellenden Leistung beim Laufen so richtig rundum pudelwohl fühle – ein sehr angenehmes Gefühl. Maschine mit emotional behafteter Sensorik und Steuerung … meine Maschine. Tolles Ding, diese Maschine!

Frühstücks-Umstellung

Nachdem ich mit dem Laufen nun ziemlich in meinem Rhythmus drin bin, beginne ich, andere Dinge zu prüfen, wie alles vielleicht noch besser funktionieren kann. Technisch gesehen will ich ja nicht nur ein bisschen schneller und fitter werden, sondern noch dazu auch noch ein bisschen leichter.

Nicht, dass ich im Moment dick wäre, das nicht. Aber ich bin schwerer als vor einem Jahr, und das merklich. Außerdem merke ich, dass ich zwar ganz gut ins Laufen wieder hineingekommen bin, aber da ist durchaus noch Luft nach oben. Seit einigen Wochen habe ich wirklich grundsätzlich ein Frühstück angesetzt, und halte das auch konsequent ein. Natürlich fing es erstmal mit „Joghurt und Cerealie“ an, ergänzt durch etwas Obst – vor allem die von mir heißgeliebten Heidelbeeren. Mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich versteckten Zucker im Cereal vermeiden will – nicht, dass Zucker grundsätzlich unerwünscht wäre, ich esse leidenschaftlich gerne süß. Kurz und gut, ich habe ein paar Gedanken gewälzt und bin nun am Testen einer neuen Zusammensetzung meines Frühstücks, in dem ein bisschen weniger leicht verwertbare Zucker drin sind, etwas weniger Stärke und Fett, dafür mehr Eiweiß und mehr Ballaststoffe. Nachgelesen habe ich erst über die Zeit – zunächst einmal ist es auch ein Versuchsballon, sich aus Magerquark, Haferkleie und Heidel- und Himbeeren ein Frühstück zusammenzubasteln.

Wenn man dann nachliest, nachdem man eine Entscheidung getroffen hat, es mal zu versuchen, schwirrt einem der Kopf: ist es nun gut, dass zum Beispiel meine Haferkleie-Entscheidung mir schlecht wasserlösliche Ballaststoffe zuführt, die im Darm besser fermentierbar sind als Weizenkleie? Wie ist das mit dem tierischen Eiweiß im Magerquark, das enthält ja schwefelhaltige Aminosäuren, die im Darm zu Schwefelwasserstoff abgebaut werden können, was wiederum die Freisetzung von Butyrat hemmt, welches aber für die Energieversorgung der Dickdarmschleimhaut bedeutend ist?

Im Endeffekt werde ich Feintuning betreiben, wenn ich ein bisschen Erfahrung mit der neuen Frühstücksgewohnheit gesammelt habe. Allerdings bin ich mit dem, was ich gelesen habe, tendenziell schon recht glücklich, das scheint für mich zu passen. Genug Flüssigkeit, um mit der eindickenden Eigenschaft der Haferkleie klarzukommen, nehme ich ja ohnehin zu mir – 3-5 Liter in Form von Tee und Wasser am Tag, Kaffee und hin und wieder doch mal ein anderes Getränk (mit Zucker und/oder Kohlensäure) ist da nicht eingerechnet. Ich bin sehr gespannt, wie sich das in Kombination mit dem Laufen auswirken wird. Als kurzfristige Sache kann ich jedenfalls sagen: Es schmeckt mir auf jeden Fall, allen (nicht direkt auf mich bezogenen, aber durchaus von mir gehörten) Unkenrufen in Sachen Kleie und Magerquark von verschiedenen Seiten zum Trotz.

So ganz nebenbei: Genüsse, die eventuell auch mit einem Ernährungsplan nicht voll kompatibel sind, will ich mir für’s Abendessen nicht verbieten. Da habe ich im Moment keinen „Gesund-Zwang“ drin, sondern da wird gegessen, worauf mein Mann und ich Lust haben, ohne einen Plan. Solange es für uns beide funktioniert, muss da ja auch kein Plan oder Zwang rein.