Memory

Das Grab meiner Mutter und ihrer Eltern.

Vergangene Woche Freitag ist mein Patenonkel gestorben, ganz unverhofft beim Schachspiel. Meine Großcousinen und meine Tante wollte ich damit auf keinen Fall allein lassen und so fuhren wir heute in meine alte Heimat zur Beerdigung in den Nachbarort meines alten Heimatorts.

Auf dem Heimweg drehten wir noch eine Schleife durch meinen Heimatort und besuchten auf dem Friedhof das Grab meiner Mutter und derer Eltern. Ich weiß, dass meine Mama es ohnehin weiß, aber ich habe ihr erzählt, dass ich nun wieder Rennrad fahre und ihr versprochen, dass ich nicht so wild Rad fahre wie früher. Wir gingen mit dem wohligen Gefühl, dass mein Mann – den sie im Leben nie kennengelernt hat – meiner Mutter nun viel vertrauter ist als die ersten Male, die er mit am Grab war.

Auf dem weiteren Heimweg fügte ich noch eine Schleife an – wir fuhren nicht direkt von Wimpfen wieder nach Bonfeld und dann auf die Autobahn, sondern die Erich-Sailer-Straße in Wimpfen raus Richtung Heinsheim, am Wimpfener Schwimmbad die Steige runter und Richtung Guttenberg. In umgekehrter Richtung hatte ich in einer denkwürdigen Rennrad-Tour vor über 23, vielleicht sogar vor 24 Jahren bis Heinsheim am Hinterrad meines Vaters im Windschatten gehangen und ihn dann, mit einer Kletterer-Attacke am Wimpfener Schwimmbad, für die „Bergwertung“ hinter mir gelassen. Mein Mann war durchaus beeindruckt von der damaligen Rennstrecke.

Nun sind wir wieder daheim und ich hänge Gedanken nach…

Social Media Erinnerungen

Zur Zeit schmeißt mich ein großes Social Media Netzwerk mit Erinnerungen zu, was ich 2013, 2014, 2015 und 2016 am jeweiligen Datum gepostet habe. Es ist nicht so, dass ich die dann teile – meistens eher nicht. Aber es macht einen doch nachdenklich und lässt einen die Entwicklung sehen, die seit dem abgelaufen ist.

Zum Beispiel am 20.07.2013 postete ich etwas über einen Lauf, der mich etwa anderthalb Stunden durch die nördliche Umgebung meines Wohnortes führte. Dabei begegnete ich meinem Mann, der am Fahrradfahren war. Nicht, dass ich ihn damals erst kennengelernt hätte, das war 2007, geheiratet haben wir 2011, wir wohnen seit 2010 zusammen. Aber im Jahr 2013 liefen sportliche Aktivitäten abgesehen vom Schwimmen stets getrennt ab – er fuhr Fahrrad, ich lief, er konnte aufgrund von Gelenkproblemen nicht laufen, ich wollte nicht mehr Fahrradfahren, erst recht nicht für sportliche Aktivität. Heute, 2017, vier Jahre später, trägt mein Mann Laufschuhe eines Aufbaus, den ich seit 2014 verwende, arbeitet sich an längere Laufstrecken heran und hat an seinem Laufstil gefeilt, so dass seine Gelenke und Schienbeine super mit dem Laufen klarkommen. Wir laufen gemeinsam.

An dieser Stelle kommt mir die Idee oder eher das Bild in den Sinn: Man scheint still zu stehen, im Jetzt zu leben, sich wenig zu entwickeln. Dann hält man kurz inne, dreht sich um und schaut zurück – und sieht den langen, kurvenreichen, oftmals steil ansteigenden Weg, den man bis hierher gekommen ist. Das ist übrigens frei nach Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister von Reinhold Ziegler.

Lustig auch, dass ich in oben erwähntem Posting auf Facebook 2013 ganz selbstverständlich „ungewohnt aussehender Mann“ geschrieben habe, auf dem Fahrrad, weil ich nicht in Erwägung gezogen habe, dass irgendjemand einen anderen als MEINEN Mann damit identifizieren könnte – und ungewohnt sah er aus, weil ich ihn selten mit Fahrradhelm gesehen hatte, damals. Heute würde ich das so nicht mehr schreiben. Ich finde es spannend, in dieser Hinsicht Rückschau zu halten.

BÖSE-Lauf

Was ist ein „BÖSE“-Lauf, werdet Ihr jetzt fragen. Müsste es nicht eigentlich heißen: „böser Lauf“?

Nein. Müsste es nicht. Analog zum „MÖBS“-Radweg, der Muggensturm, Ötigheim, Bietigheim und Steinmauern in einem Rundkurs verbindet, verbindet der BÖSE-Lauf Bietigheim, Ötigheim, Steinmauern und Elchesheim. Einen solchen habe ich soeben mal wieder absolviert – das erste Mal dieses Jahr, ich glaube sogar erstmals seit 2014. Böse ist der Lauf auch nicht – er streift oder durchquert die vier genannten Orte und endet wieder in Bietigheim – geht also von meiner Tür bis wieder zu meiner Haustür. Vierzehn Kilometer sind’s, wenn mich nicht der Übermut reitet, noch etwas dranzuhängen. Das ist heute geschehen – als ich vom Wasserwerk aus wieder auf den letzten 2,5km zurück nach Hause war, merkte ich, dass ich noch weiter laufen wollte. Also drehte ich noch eine Runde zum Handballverein, zur Kirche und dann über den städtischen Bauhof zurück, damit wurden 16,5km aus den 14 der „puren“ BÖSE-Tour.

Auf dem Lauf wurden Erinnerungen wach. Ich kam endlich mal wieder an der Stelle vorbei, wo ich im Jahr 2009 oder 2010 das erste Mal eine längere Strecke in meinem damals noch neuen (bzw. wenn’s 2009 war sogar noch zukünftigen) Wohnort lief und mich prompt verlaufen hatte. Damals gewann ich den Eindruck, dass alle Wege nach Steinmauern führen – beim ersten Mal verlaufen landete ich an der Weggabelung, über die ich heute Steinmauern verlassen habe – nur eben von der dritten Richtung aus, die ich heute ignoriert habe. Dort traf ich damals zwei Frauen, die ihre Hunde ausführten, und musste erstmal fragen: „Welcher Ort ist das? Wie komme ich zurück nach Bietigheim?“ Später habe ich mich noch mehrfach verlaufen – von Ötigheim aus war mein Ziel Elchesheim – ich landete in Steinmauern. Von Bietigheim wollte ich nach Elchesheim – Steinmauern. Einmal wollte ich von Steinmauern eine neue Strecke nach Hause laufen – Steinmauern! Es war immer diese Weggabelung. Nun bin ich diese Weggabelung aus Richtung Bietigheim seit Jahren nicht mehr angelaufen, sondern immer aus dem Ort, also aus Steinmauern gekommen und dann Richtung Elchesheim weitergelaufen – erfolgreich, übrigens, denn ich kam danach wirklich in Elchesheim durch.

Auf dem Weg von Steinmauern nach Elchesheim liegt auch jene kleine Wald-Strecke, sehr gerade, mit weichem Untergrund in der Mitte zwischen den Reifenspuren, auf der ich das erste Mal stärker aus dem Sprunggelenk abspringen übte, damals noch auf meinen alten Asics-Schuhen, die ich seit Jahren nicht mehr anhatte. Inzwischen laufe ich meine Fivefingers und meine Mizuno Waves und bin immer stärker aus dem Sprunggelenk am Laufen, was effizienter und schneller ist. Aber damals habe ich – dank untrainierter entsprechender Muskeln – auf genau dieser Strecke das erste Mal 150 Schritte in dem Laufstil absolviert, der heute mein Standard ist.

Dann kam ich auch an jenem Haus vorbei, das mal meine Rettung war. In Elchesheim, kurz vor dem Tennisplatz, wurde ich mal gerettet. Das kam so: Als ich nach Elchesheim reinlief, aus Richtung Steinmauern, begann es: Darmkrämpfe. Der Puls ging durch die Decke, ich fühlte mich mies. Etwas später ging es wieder. Fünfhundert Meter weiter dasselbe nochmal. Und dann, kurz vor dem Tennisplatz, ging es nicht weiter. Wirklich gar nicht. Es krampfte. Die Leute, die auf dem Hof dort grillten, boten mir an, bei ihnen auf die Toilette zu gehen – und ich schlug ein. Danach ging es mir gut und ich bin danach noch acht Kilometer gelaufen. Diese freundlichen Leute grüßten mich heute wieder von ihrer Terrasse aus. Ob sie sich an mich erinnern, habe ich aber nicht gefragt. Ich habe dieses Haus und seine Bewohner aber in guter Erinnerung.

Es ist schön, spürbar aus dem Schatten meines bisher besten Laufjahres, nämlich 2014, herauszutreten. Es ist schön, all die Erinnerungen auf der BÖSE-Tour wiederzufinden und vielleicht bald neue, hoffentlich nur positive, zu erzeugen.