Spiel-„Zeug“

Über viele Jahre hinweg war Fantasy- und Horror-Rollenspiel meine mit Abstand bedeutendste Freizeitbeschäftigung. Inzwischen sind Sport und andere Dinge wichtig geworden, und die Zeit, sich regelmäßig mit einer Gruppe zu treffen, ist bei mir ebenso wie bei den Kandidaten für Mitspieler sehr begrenzt. Nur das alldonnerstägliche Chat-RPG-Solo mit meinem Nenn-Bruder besteht weiterhin.

Aber es wäre falsch zu sagen, dass ich keine Rollenspielerin mehr bin. Etwas so Prägendes, das mich so viel beschäftigt hat und aus dem ich immer noch so viele Geschichten in meinem Kopf und in Dokumenten auf meinem Rechner habe, bleibt ein Teil von mir, auch wenn ich nicht mehr allzuviel aktiv spiele. Zwar kaufe ich in der Regel keine neuen Regelwerke mehr, sondern befasse mich mit dem, was schon da ist – an Geschichten und Regelwerken. Aber dann wies mich eben mein Donnerstags-Spielpartner auf etwas hin, um das ich nicht herum kam.

Als niedlicher und kindertauglicher Spin-Off von „Das Schwarze Auge“ (DSA) gibt es nämlich nun „Die Schwarze Katze“. Es geht dabei um die „Erwachten“, einige Hundert Katzen in der aventurischen Hafenstadt Havena, die sich ihrer selbst bewusst sind und ihre ganz eigene Gesellschaft neben der menschlichen aufgebaut haben. Nicht alle Katzen in Havena sind „erwacht“, und dass sie erwacht sind, liegt wohl an einem magischen Ereignis. Auch zeigen die Erwachten den Menschen nicht, dass sie auch aufrecht gehen können, Kleidung besitzen und ihre eigenen Abenteuer erleben, Intrigen spinnen und Vergnügungen nachgehen. Viel mehr weiß ich noch nicht, aber ich kam wirklich nicht daran vorbei.

Bis jetzt habe ich mich mit dem Vorwort des Grundregelwerks auseinandergesetzt und schonmal reingelesen. Schön finde ich, dass sich das Regelwerk auch an Eltern und Lehrkräfte wendet, das Spiel also klar gedacht ist, dass Erwachsene es für Kinder leiten. Ein paar Erweiterungshefte gibt’s, und eine Auswahl davon habe ich mit bestellt.

Zwar sagt bereits das Vorwort, dass die Wechselwirkung mit Aventurien, der Welt des „großen“ DSA, meist eine Einbahnstraße sei – Entwicklungen in der Welt der Menschen haben Auswirkungen auf das Leben der erwachten Katzen, nicht aber umgekehrt. Ich für mich selbst schließe aber nicht aus, sollte ich mal wieder DSA leiten, dass die erwachten Katzen eine Rolle spielen, vielleicht sogar, dass meine Spielerhelden von einem der „Putzer“-Kommandos der Erwachten behelligt werden, um sicherzustellen, dass die von den Helden entdeckten, sprechenden, bekleideten und aufrecht gehenden „Erwachten“ nicht von den Spielerhelden als magische Geschöpfe identifiziert und „verpetzt“ werden.

Und selbst wenn’s nicht zum Spielen kommt, ist schon die Lektüre eine herrliche Sache – Rollenspiel und Katzen, genau meins.

Heldentum

Immer wieder stelle ich mir Helden vor – Gestalten, die etwas leisten, die sich einsetzen. Dann schreibe ich auch über diese und lasse sie Teil von Geschichten sein. Meist ist es mir wichtig, diese Helden mit Schwächen zu versehen, seien es nun Schwächen, an denen man sie greifen kann – wie Supermans Kryptonit – oder charakterliche Schwächen. Besonders die charakterlichen Schwächen interessieren mich. Dahingehend finde ich auch die Gestalt des „Superian“ in der Serie „The Tick“ sehr spannend: Ein Außerirdischer mit nahezu unbegrenzten Kräften, der aber unter Geltungssucht und dem Drang, gemocht zu werden, leidet und dahingehend oftmals Dinge tut, die ihn unsympatisch machen und zugleich das ihn umtreibende Ressentiment der Menschen anfeuern.

Auch bei meinen eigenen Figuren ist mir wichtig, dass sie auch solche Schwächen haben – wie schon gesagt: physische und charakterliche. Meine Schelmin „Aus dem Weg“ aus dem Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ zum Beispiel, sie hat einen unglaublich nervigen, derben Humor, was bei Schelmen ja nicht ungewöhnlich ist. Dazu hat sie – schelmentypisch – die derb-humoristischen Zaubersprüche … eine ungute Kombination, die Schelme verhasst werden lässt, gerade unter den anderen Spielern. Ich habe habe der lieben „Aus dem Weg“ eine Schwäche verpasst, die ihre Zauber beim Misslingen nicht einfach misslingen lassen – sondern auf sie zurückschlagen. Ich finde, es ist nur fair, wenn jemand Menschen dazu bringen kann, sich vor Lachen auf dem Boden zu wälzen, ihre Kleider in aller Öffentlichkeit von ihnen herunterrutschen zu lassen oder statt zu sprechen nur noch Vogelgezwitscher von sich zu geben, dasselbe auch befürchten muss. Sowas führt dann dazu, dass der entsprechende Charakter vorsichtig und verantwortungsbewusst mit solchen Sprüchen umgeht – oder, und nun sind wir bei „Aus dem Weg“, selbst die Würde und den Humor entwickeln muss, das zu ertragen, was sie im Dienste des Humors anderen antut. Vorsicht? Nein, danke! Wenn der nervige Typ auf dem Markt dem Zauber widersteht, dass seine Klamotten von um runterrutschen und „Aus dem Weg“ selbst mit einem Knäuel Kleider um die Füße nackt auf dem Markt steht, wird sie lachen, sich verbeugen und dann in aller Ruhe aus dem Klamottenknäuel steigen – „Practice what you preach!

Etwas weniger augenfällig, weniger lustig und weniger sympathisch habe ich eine Gestalt im „Howard-Goldstein-Vortex“ gestaltet. Elizabeth „Liz“ Ames ist die Anwältin von Esther Goldstein-Howard. Liz hat ihre Probleme mit ihrer Rolle als Begleiterin ihrer trauernden Chefin in der Öffentlichkeit, da ist sie noch nicht so richtig sicher und schwankt zwischen Scheu und Schärfe. Vor Gericht und in ihrem Büro jedoch mangelt es ihr nicht an Selbstvertrauen. Sie spielt die persönlichen Schwächen eines Konkurrenten in Kombination mit ihren persönlichen Schwächen gegen diesen aus, und solange sie es öffentlich tut, ist sie dabei nur die Provokateurin, die selbst ruhig bleibt. Hinter ihrer Bürotür aber, da nimmt sie das alles viel zu persönlich – feiert den Triumph eines vor Gericht auf ihre Provokation hin unflätig werdenden Gegners exzessiv mit Whisky, lässt sich von einem Klienten in ihrem Büro mit dem Whisky bedienen und zeigt ihren Triumph in fast schon exhibitionistischer Weise vor. Genau so nimmt sie es mit Wut, Trotz und Ärger sehr, eigentlich viel zu persönlich, wenn es mal nicht klappt. Kurz: Sie ist ein Mensch, der Triumph und Niederlage in für das Umfeld unangenehmer Weise auslebt.

Aber sie ist auch eine Heldin. Nach jenem Exzess mit den restlichen zwei Dritteln in einer Flasche Laphroaig Ten Years, den Liz nach ihrer erfolgreichen Provokation des Gegners betreibt, dabei ihren Klienten Thomas Arden wie einen Bittsteller oder Sekretär behandelt, hat sie verständlicherweise einen Kater, der schon fast Dimensionen eines sibirischen Tigers erreicht. Doch obwohl es ihr solchermaßen furchtbar geht, reagiert sie sofort auf den Hilferuf der Sekretärin Thomas Ardens – Aufwachen, Kotzen, Duschen und dann auf in den Kampf mit den Anwälten der Gegenseite! Doch sobald diese Schlacht gewonnen ist, bricht sie zusammen – aber nicht vorher. Und trotz aller Miststück-Attitüde ist sie an dieser Stelle … nun … eine Heldin!

Irgendwie möchte ich gleichzeitig, dass Liz nicht gemocht und doch gemocht wird. Bei mir ist das jedenfalls der Fall. Ich hoffe, das transportieren zu können.

Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag

Das ist der Grundsatz meiner Schelmin „Aus dem Weg“ im Rollenspielsystem „Das Schwarze Auge“ (DSA). Aus dem Weg ist ein menschliches Mädchen, das aber von Kobolden aufgezogen wurde. Schelme haben derbe Magie, die sie aber nur zum Spaß einsetzen können, nicht so sehr ziel- oder gar schadensgerichtet. Darunter sind Zauber wie der „Nackedei“, bei dem das Opfer am Ende mit seinen Kleidern als ein Knäuel um die Knöchel dasteht – nackt, natürlich. Viele dieser Zauber sind für wirklich heftige Streiche hervorragend geeignet, aber in meinen Augen muss der Schelm Spaß verstehen, um diese Dinge so anzuwenden, dass er nicht das Spiel sprengt – egal, ob als vom Spielleiter gesteuerte Figur der Hintergrundwelt oder als Spielercharakter.

Das führte dazu, dass ich Aus dem Weg (in Absprache mit meinem damaligen Spielleiter) den magischen Nachteil „Rückschlag“ verpasst habe – und gleich doppelt. Bei einfachem Rückschlag wirkt der Zauber, wenn er schief gegangen ist, mit halber Stärke auf den Zaubernden. Doppelt genommen, nun, wirkt der Zauber mit voller Stärke … für mich ein wichtiges Kontrollorgan bei einem Schelm. Der Schelm muss sich klar sein, wenn es nicht klappt, wirkt das auf mich, wie reagiere ich dann?

Bei einer dieser Szenen versuchte „Aus dem Weg“ auf einen allzuernsten Mann in einer Kneipe den Zauber „Lachkrampf“ zu zaubern. Der setzt einen außer Gefecht, ohne einem wirklich zu schaden: Man wälzt sich auf dem Boden und lacht, dass man fast keine Luft mehr bekommt, ist erstmal außer Gefecht und trägt wahrscheinlich auch einen Muskelkater davon. Was soll ich sagen? Es ging schief, ganz klar. Aus dem Weg verfiel in einen Lachkrampf und lag zur großen Schadenfreude aller umstehenden nach Luft japsend, sich vor Lachen krümmend neben ihrem Stuhl in der Taverne und konnte nicht mehr. Danach stand sie mühsam auf und erklärte, noch immer nach Luft ringend: „Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag!“

Vermutlich werde ich mir gestern beim Trek Monday einen Muskelkater angelacht haben. In „seaQuest DSV“ griff Dr. Kristin Westphalen in eine unter Druck stehende Magmakammer ein, in dem sie – als Wissenschaftlerin auf dem Boot, nicht als militärische Offizierin – neun Torpedos auf eine Schwachstelle der Magmakammer feuern ließ, somit einen Entlastungsausbruch auslöste. Dieser führte zur Bildung einer neuen Insel, während die andere Insel, auf der sich die Crew und einige Zivilisten noch herumtrieben, von einem explosionsartigen Ausbruch à la Mt. St. Helens oder Krakatoa verschont blieb. Über die geologische Korrektheit kann man streiten – allerdings führte Captain Bridger am Ende an, dass fünf Torpedos gereicht hätten, sie aber neun gefeuert hatte. Es sei nun die Frage, wer die Torpedos bezahle …

Da erklärte einer meiner Gäste: „Wie soll sie das auch wissen, wenn sie nicht darin geschult wird? Sie sollte mal auf einen Soft-Skills-Lehrgang.“ Es mag nun nicht so richtig lustig sein, dass der Zusammenhang zwischen Geologie und Explosionen von Torpedos für eine Wissenschaftlerin auf einem Forschungs-U-Boot unter militärischer Führung nun – sagen wir es vorsichtig – tendenziell eher in die Kategorie der Hard Skills gehört. Ich allerdings stellte mir einen Soft-Skills-Kurs vor, auf dem genau das gelehrt würde … und konnte mich vor lachen nicht mehr halten, fiel vom Sofa und krümmte mich zwischen Sofatisch und Sofa in einem wilden Lachkrampf.

Und da in „Aus dem Weg“ eine Menge von mir steckt, sagte ich danach in voller Inbrunst: „Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag!“