Ein guter Ratgeber

Ich habe in den letzten Jahren eine Sache festgestellt: Mein früheres Ich ist eigentlich ein ganz guter Ratgeber, was Serien und Filme angeht – zumindest für mich.

Vieles von den Dingen, die ich „damals“ im Fernsehen gesehen habe, möchte ich heute auf gar keinen Fall wieder ansehen. Warum nehme ich mein früheres Ich dann als einen guten Ratgeber an? Nun – das ist recht einfach. Mein früheres Ich hat manche Dinge mit anderen angeschaut, weil sie eben angeschaut wurden, weil die anderen sie mochten. Da war das beinahe schon obligatorische „Eine schrecklich nette Familie“ oder auch „Alle unter einem Dach“. Den brachialkomischen Gestalten eines Steve Urcle oder einer einer Kelly Bundy konnte ich nicht so viel abgewinnen. Auch der Rest blieb für mich blass. „Der Prinz von Bel Air“ und „Baywatch“ gehörten auch damals zu dem Zeug, was in meinem Umfeld gemeinsam geschaut wurde. Ich würde vielleicht nicht ganz so weit gehen, wie ich nun dazu neige, zu gehen. Aber die Neigung ist durchaus da, all diesen Kram mit „Alles Schrott!“ zu kommentieren.

Was ich damals gerne anschaute, was ich für mich anschaute, wofür ich auch das Fernsehprogramm konsultierte, waren neben „Star Trek: The Next Generation“ auch „Cybill“ und „Full House“, etwas später „Space Rangers: Fort Hope“, „Space: Above and Beyond“, „Mission Seaview“/“Voyage to the Bottom of the Sea“ oder „Forever Knight“/“Nick Knight, der Vampircop“. Star Trek: TNG hat mich direkter verfolgt, all die anderen habe ich irgendwann wiederentdeckt. Viel Kram aus den späten Achtzigern und Neunzigern, den ich einfach mal so sah, weil’s halt lief, würde ich heute nicht mehr anfassen. Aber die von meinem früheren Selbst empfohlenen, deren Sendeplätze ich kannte, bei denen ich das Wegzappen verhinderte oder ganz bewusst selbst im richtigen Moment vor den Fernseher ging, die kann und will ich noch heute gerne ansehen. Ich habe basierend auf dem Rat meines früheren Selbst noch wenige Enttäuschungen erlebt. All diese Serien, die ich damals geliebt habe, die ich damals geschaut habe, auch wenn niemand mitschauen oder alle wegzappen wollten, finde ich größtenteils besser gealtert als den restlichen Kram.

Versteht mich nicht falsch: Ich habe mich verändert seit dieser Zeit, an manchen Stellen sehr stark, an manchen Stellen immer noch genug. Aber was mein damaliges Selbst wirklich über das Desinteresse der anderen hinweg, selbst über einen eigentlich viel zu tief in der Nacht liegenden Sendeplatz zu schauen durchsetzte, das gefällt mir noch immer.

Wie kam ich jetzt drauf? Nun – wir schauen gerade „Voyage to the Bottom of the Sea“. Neben den recht menschlichen Zügen der Besatzung der Seaview, den trotz allen Wiederholungen und Logiklücken noch immer tollen Plots, fiel mir nicht zuletzt auf, dass ich Del Monroe als Seaman Kowalski noch immer ziemlich hübsch finde. „Voyage to the Bottom of the Sea“ kennen sehr wenige. Auch bei „Cybill“, bei dem Alicia Witt als Zoe noch immer einer meiner liebsten weiblichen Fernseh-Charaktere ist, herrscht oft das große Kopfschütteln. Dass gerade auch das Zeug es für mich noch immer wert ist, geschaut zu werden – das hat mich draufgebracht, dass mein früheres Selbst als Ratgeber doch ganz gut taugt, vor allem dort, wo’s allein auf weiter Flur war mit seiner Bevorzugung.

Hoch sollen sie leben, die Serien-90er!

Wir leben in einer Zeit von Fernseh- oder äquivalenten Serien. Game Of Thrones und The Big Bang Theory sind nur zwei Beispiele für Serien, die sehr prominent in Social- und auch klassischen Medien behandelt werden und Debatten, Gespräche und dergleichen beherrschen.

Ich für meinen Teil empfinde bei sehr vielen Serien aus den 90ern, in denen ich mein zweites Lebensjahrzehnt verbracht habe, etwas zwischen Nostalgie, Heimatgefühlen und dem Wunsch, dass manche Serien weitergeführt worden wären oder weitergeführt werden. Nichts gegen die aktuellen, bestimmt nicht! Ich schaue sehr gerne „The Big Bang Theory“, ich habe „How I Met Your Mother“ genossen, auf den Rückstand Aufholen bei „Game Of Thrones“ freue ich mich auch schon. Irgendwann (bald, wenn es nach meinem Wunsch geht, nicht so bald, wenn ich es realistisch betrachte) sind auch „The Flash“, „Arrow“ und „Supergirl“ echt nötig.

Aber wie gesagt: Aus den Neunzigern, da komme ich her. Ich spreche nicht über so einen Quatsch wie „Baywatch“, den meine Mama, meine kleine Schwester und ich zugegebenerweise im Hobbyraum (oder eigentlich eher „Keller-Wohnzimmer“) meines Elternhauses geschaut haben – ich spreche über anderes.

Für mich sind da zwei Star Trek Serien ganz wichtig: „The Next Generation“ (zu Deutsch: „Das nächste Jahrhundert“) mit Patrick Stewart, Brent Spiner, Gates McFadden und so weiter … und „Deep Space Nine“ mit Avery Brooks, Terry Farrell, Armin Shimerman und Rene Auberjonois. Diese beiden Serien haben mich geprägt, vor allem „The Next Generation“ war für mich eine große Identifikation, ein großes Bild, in dem auch moralische Grundsätze für mein reales Leben gelegt und verkündet wurden. Aber ich spreche auch über andere Dinge, die mir nicht so präsent waren. Wie am Montag geschrieben, ist da „Cybill“ mit Cybill Shepherd, Christine Baranski und Alicia Witt! Was habe ich das geliebt, und die Serie ist auch gut gealtert: Wir haben sie gerade erst wieder angeschaut, mein Mann und ich, und ich habe es genossen. Dann wäre da noch zu nennen: Babylon 5 – die Zeit war einfach reif für sozialere Space Operas mit Stations-Themen. Aber ich will mich gar nicht in den großen, bekannten Teilen ergehen.

Gerade schauen mein Mann und ich eine Serie an, die ich Ende der 90er auf meinem eigenen Fernseher gesehen habe – in meinem Zimmer in meinem Elternhaus, in der zwölften und dreizehnten Klasse. Am Dienstag war immer die erste Stunde frei für mich, also tolerierten meine Eltern, dass ich montagnachts bis nach Mitternacht Fernsehen schaute – und da lief „Nick Knight, der Vampircop“. Da ich zu dieser Zeit auch Vampire: The Masquerade spielte, war diese düstere, von moralischen Themen, aber auch von Traurigkeit, Übersättigung und dem verzweifelten Wunsch nach einem Ausweg, andererseits auch Rückfällen in die (Blut-)Sucht geprägten Serie für mich eine Offenbarung. Weit mehr, als es das nah an Vampire: The Masquerade angelehnte „Clan der Vampire“ war. Das lief zeitweise auch auf den Sendeplätzen, aber an „Forever Knight“, so der englische Originaltitel von „Nick Knight“, kam es nie ran. Auf diesem berüchtigten Doppelslot lief auch noch eine andere Serie, deren Nicht-Fortsetzung mir beim erneuten Anschauen wieder so sauer aufgestoßen ist – „Space: Above And Beyond“ (im Deutschen: „Space 2063“). Nicht auf diesem Slot ausgestrahlt, aber für mich ebenfalls sehr prägend, war der kurzweilige Trash von „Space Rangers: Fort Hope“, den ich heute noch sehr genieße. All dieses Zeugs steht noch in meinem Schrank – und ich guck’s immer wieder gerne, nur wegen der Zeit viel zu selten an.

Natürlich waren die 90er auch eine Zeit der Sitcoms. Ich muss gestehen, mit solchen Dingen wie „Alle unter einem Dach“ oder der „Bill Cosby Show“ konnte ich nie so richtig viel anfangen. „Full House“ dagegen und die oben erwähnte „Cybill“, das waren eher meine Sitcoms, dazu natürlich das kultige „Hör‘ mal, wer da hämmert“ mit Tim Allen.

Was bleibt, sind DVDs und Watchlists auf Netzdiensten mit Serien – und das Gefühl, dass trotz der grandiosen Serien der aktuellen Zeit die großartigsten, wichtigsten, persönlichsten Serien in der Vergangenheit liegen. Zwar nicht aus den Neunzigern, aber göttlich: „Firefly“. Natürlich „Star Trek: The Next Generation“ und „Babylon 5″ sowie Star Trek: Deep Space Nine“. Aber mein Herz hängt fast noch mehr an diesen Dingen, die lange, lange nur sehr schwer in Deutschland zu kriegen waren, die ich zu Geburtstagen geschenkt bekommen habe und die sich allesamt als viel besser gealtert als befürchtet erwiesen haben – eben „Space: Above and Beyond“, „Forever Knight“, „Cybill“, „Space Rangers: Fort Hope“. Ein Hoch auf die Nostalgie!

Wiederentdeckt: Cybill

Vor einiger Zeit kam mir über „The Big Bang Theory“ und Christine Baranskis dortige Darstellung von Beverly Hofstadter, dass ich diese Darstellerin schon woanders gesehen hatte – in einer Rolle, die für mich die Konnotationen bei Christine Baranskis Schauspiel sehr geprägt hatte.

Es geht dabei um „Cybill“, wo sie neben Cybill Shepherd, Alicia Witt, Alan Rosenberg und Tim Maculan zu den über die volle Länge der Serie wichtige Charaktere spielenden Schauspielern gehört. Spaßigerweise kam mir beim etwas Nachlesen die Erkenntnis, dass Chuck Lorre (der Produzent unter anderem von The Big Bang Theory), der auch die Idee zu „Cybill“ hatte (oder zumindest in den Credits dafür erwähnt wurde) und Christine Baranski schon sehr oft zusammengearbeitet haben.

Nun, aber zum eigentlichen Thema: Die Serie Cybill. In den Neunziger, als die Serie das erste Mal im Fernsehen war, hatte ich immer das Gefühl, ich sei in meinem Kreis die Einzige mit Interesse an der Serie. „Alle unter einem Dach“ oder dergleichen, das war immer gern gesehen, aber „Cybill“ schien, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, meinem Umfeld immer etwas zum Wegzappen zu sein. Insbesondere an der oft sehr bleich geschminkten Zoey (gespielt von Alicia Witt) störten sich auch die Jungs meines Umfelds, dabei empfand ich damals die scharfzüngige, sarkastische, rebellische Zoey mit ihren oft abweichenden Ansichten und der Tendenz, ihre geschiedenen Eltern furchtbar peinlich zu finden, als eine tolle Identifikationsfigur. Den Satz: „Wie, mein Freund zieht zu uns? Das könnt Ihr nicht machen! Ich brauche jeden Morgen drei Stunden, um auszusehen, als wäre es mir egal, wie ich aussehe!“ habe ich oft zitiert, er hat mich zutiefst beeindruckt und ich kann darin sehr gut eine Ambivalenz zum Thema „Aussehen“ und „Styling“ erkennen, die mir auch nicht fremd ist. Auch die Aussage in einer Rezension, Zoey Woodbine sei der erste weibliche Nerd der TV-Seriengeschichte gewesen, mag vielleicht nicht zwingend wahr sein – aber sie hat mich zum Kopfnicken und eine Saite in mir zum Schwingen gebracht. Gepaart mit der zu Eso-Sachen neigenden, immer wieder über die Altersdiskriminierung gegenüber Schauspielerinnen lamentierende Cybill, der rachsüchtigen, scheinbar oberflächlichen Maryann Thorpe und der göttlichen Gestalt des Kellners in Cybills liebstem Restaurant (gespielt von Tim Maculan) entstanden Geschichten, Unterhaltungen und Plots, die mich einfach berührt haben – zum Lachen, aber auch zum Nachdenken gebracht haben sie mich auch.

Laut Cybill Shepherd wurde die Serie damals abgesetzt, weil das Network die (verbale) Darstellung weibliche Sexualität und auch die feministischen Motive nicht mochte, sie endet daher mit einem richtig fiesen Cliffhanger nach der vierten Staffel. Heute kann ich mir fast nicht mehr vorstellen, dass sich damals Leute daran störten, aber … naja, eigentlich kann ich es doch. Die einzige wirklich prominent vorkommende männliche Gestalt ist Ira Woodbine, Cybills Ex-Mann und Zoeys Vater. Der Kellner spielt zwar eine wichtige, aber nichtsdestotrotz eine Nebenrolle, hauptsächlich geht es eben um Cybill, Maryann, Zoey und anfangs auch Rachel, Zoeys ältere Halbschwester aus Cybills erster Ehe. Wie Mutter und Tochter, wie die besten Freundinnen über Sexualität und ihre Rollen in der Gesellschaft sprechen, ist durchaus nicht so oft im Fernsehen zu sehen gewesen, damals.

Was mich allerdings sehr gefreut hat: Mein Mann hat die Serie mit geschaut. Wir haben gemeinsam alle 87 Folgen angeschaut, und nach ein bisschen Fremdeln am Anfang gefiel ihm die Serie dann selbst sehr gut. Mehr denn je ist mir auch klar geworden, dass eine „gesunde“ Mischung aus Maryann Thorpe und Zoey Woodbine für mich ein Ideal meiner selbst geworden ist – mein Mann meinte daraufhin: „Wieso? So bist Du doch!“

Insofern empfehle ich Cybill auch heute noch zum Mal wieder anschauen – vielleicht mehr denn je heute wieder.