Für’s Regal, zum Blättern, für’s Herz

Ich bin keine Tänzerin, ich betreibe Ausdauersport. Aber es gibt ja nicht nur „selbst betreiben“, sondern auch noch „gerne anschauen“. Während ich ganz gut, recht weit und ausdauernd sowie nicht ganz langsam laufe, gerne, aber noch ein wenig ausbaufähig Rennrad fahre und ziemlich ausbaufähig skate, gibt es auch ein paar Sportarten, die ich sehr gerne ansehe – live ebenso wie im Fernsehen. Dazu gehören neben Radrennen (es gibt kaum etwas Spannenderes für mich!) und American Football (das mich taktisch anspricht) auch schöne und tänzerische Sportarten. Bei den wettbewerbsmäßig ausgeübten Disziplinen bei den Olympischen Spielen (wo man bergige oder hügelige Radrennen sowie American Football ja eher vergeblich sucht) sind das im Winter Eiskunstlaufen und im Sommer Turnen.

Aber beim tänzerischen Sport gibt es für mich noch eine Krönung, die ganz ohne Wettkampf immer wieder meine Begeisterung weckt: Ballett. Ich selbst habe nie getanzt, aber begeistert zugesehen, als meine Schwester tanzte. Die Vortanztage ihrer Ballettschule fand ich immer ganz großartig, und dass ich mit meiner Mama und meiner Schwester damals in der Heilbronner Harmonie „Schwanensee“ von einem reisenden russischen Ensemble aufgeführt gesehen habe, war eine Offenbarung. In Bild, Ton (Tschaikowski!), auf Video und vor allem live im Theater ist Ballett etwas, für das ich mich begeistern kann und immer wieder begeistere.

Nun hat sich durch eine Fügung (ich hatte bei einer Kollegin „Sorry“ zu sagen) ergeben, dass ich ihr jenes stilisierte Bild einer in einer Linie durchgezogenen Ballerina-Silhouette schenkte, das auch in meiner Küche hängt und mich immer glücklich macht, wenn ich es sehe. Sie hat selbst getanzt – und zwar gut! Schöne, großartige, zu einer Rolle gehörende Tutus verdienen sich Ballettschülerinnen durch hartes Üben, und die Bilder, die sie mir gezeigt hat, sprechen eine sehr deutliche Sprache, dass sie erfolgreich geübt hat und gut genug war, dass sie eben Auftritte in großem Tutu hatte. Das Bild, das ich ihr geschenkt hatte, bekam in ihrem Regal einen Platz – direkt neben etwas, das ich dann auf dem Bild als Buch identifizierte. Die darauf abgebildete Tänzerin zeigt genau dieselbe Position auf Spitze wie die stilisierte Tänzerin auf dem geschenkten Bild.

Und wie soll ich sagen: Die Erklärungen der Kollegin, das Buch stelle eine bebilderte Führung durch die Geschichte des klassischen Balletts dar, machten mir sehr deutlich, dass Freude für mich zwischen diesen Buchdeckeln stecken würde. So konnte ich nicht widerstehen…

Die beiden Herren (Tiger und Wolf) fremdeln ein bisschen mit der Kunst des klassischen Tanzes, das Schneeleopardenmädchen dagegen ist hin und weg. Der kleine Wolf hat seinen Charme später noch an einer Abbildung von Margot Fonteyn ausprobiert, seiner Aussage nach erfolgreich.

Ein bisschen geblättert und mich gefreut habe ich schon – Bilder angesehen, Abschnitte gelesen, erstmal zu Schwanensee, zu Galina Ulanowa, Margot Fonteyn, dem Nussknacker, Peter Tschaikowski und zum sowjetischen Ballett, weil mich ja immer noch reizt, mal etwas mehr von der Choreographie des „Roten Mohn“ zu sehen. Der Band wird mich sicher noch lange immer wieder begleiten und mir damit ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Nur einen Ehrenplatz braucht das Buch noch. Aber das kommt dann schon noch.

Gelesen: Tim Krabbé – Das Rennen

Da ich nun Rennrad fahre – genau genommen ja WIEDER Rennrad fahre, wurde mir von Ma San ein Buch empfohlen. Es geht um „Das Rennen“ von Tim Krabbé, in der deutschen Übersetzung. Bereits die ersten Zeilen, die durchaus öfter mal zitiert werden, hatten mich:

„Meyrueis, Lozère, 26. Juni 1977. Warm, bewölkter Himmel. Ich nehme meine Sachen aus dem Auto und setze mein Fahrrad zusammen. Von Straßencafés aus schauen Touristen und Einwohner zu. Nicht-Rennfahrer. Die Leere in ihrem Leben schockiert mich.“

Aus: Tim Krabbé – Das Rennen

Das gilt allerdings nicht nur für das Radrennfahren. Auch Laufwettkämpfe haben so einen Sog und so ein Gefühl des Abgehobenseins, auch wenn das Rennrad mit all seiner Technik und auch der Rennzirkus des Radrennens es betonen. Ich selbst bin – vor langer Zeit – nur ein Rennen gefahren. Es war das Scheuerbergrennen in der Nähe von Heilbronn, ein Einzel-Bergzeitfahren über eine nicht allzu große Distanz und nicht allzu viele Höhenmeter. Ich habe es nicht gewonnen, aber mein Teenager-Ich schnitt für den damaligen Anspruch ganz gut ab. Aus Überanstrengung nahm ich eine Fanta zu mir, nachdem ich über den etwas flacheren Gipfel gesprintet war, und kotzte sie instantan wieder in die Büsche.

Wenn ich den obigen Absatz so lese, frage ich mich: Klang ich auch vor der Lektüre von „Das Rennen“ schon so, oder kam das erst dadurch?

Was in „Das Rennen“ passiert, ist erstaunlich schnell gesagt: Tim Krabbé nimmt, als Amateurradfahrer, an einem bergigen, schweren Radrennen in den französischen Cevennen teil. Es ist die Mont-Aigoual-Rundfahrt, deren namensgebender Berg in der Tour de France 2020 als Bergankunft Etappenziel war. Dazu beschreibt er Rennfahrertypen, Rennsituationen und seine Taktik, seine Gefühle, seine Einstellung in greifbaren Begriffen und über Anekdoten und Exkurse.

Klingt simpel? Ist es auch! Aber in diesem simplen Konzept, in dem ein Haufen Erfahrung mit Radrennfahren und ein Haufen Einfühlung in den Radrennsport und seine Geschichte, seine Gestalten stecken, liegt Genialität. Für mich, die ich selbst in den Neunzigerjahren den Profiradsport verfolgt und bejubelt habe, 2004 dann schließlich in L’Alpe d’Huez beim Contre la Montre an der Außenseite einer Serpentine, in Sichtweite der „Flamme rouge“ den Schweiß der Rennfahrer abbekam, war das Buch wohlige Nostalgie, das Lernen von Anekdoten und gestalt-, ja, wortgewordene Offenbarung dessen, was einem auf dem Rennrad, selbst ohne Rennen, aber mit der Erfahrung von Laufwettkämpfen intus, so durch den Kopf schießt.

Tim Krabbé charakterisiert die Leute, mit denen er fährt, gegen die er fährt, vergleicht sie mit bekannten Gestalten. Durch eine gewisse Hingabe zum Verfolgen der Tour de France in den Jahren, in denen ich selbst hobbymäßig fuhr und auch später noch, waren mir Fahrer wie Bernard Hinault, Jacques Anquetil, Lucien van Impe, Federico Bahamontes, Gino Bartali und Fausto Coppi schon ein Begriff, Eddy Mercks natürlich auch. Wie wichtig die Psychologie, die Taktik und das Gefühl sind, und wie sehr sie einander widersprechen und doch zusammenwirken, das charakterisiert und karikiert Tim Krabbé oft in wenigen Sätzen eines Absatzes. Eben noch spricht die Vernunft, geißelt den Angriff eines Mitfahrers, Gegners als sinnlos und zu früh, im nächsten Moment wird sich Krabbé bewusst, dass er selbst gerade angreift und dass es gut ist! Auch das schnelle Wandeln vom Gegner im Feld zum Verbündeten in der Ausreißergruppe wieder zum Gegner beim Sprint, auch das zeichnet er in einer Weise nach, die der Faszination einer schweren Bergetappe der Tour de France erklärt, aber nicht entzaubert.

In der Mischung aus Anekdoten und dem Drama eines Rennens, in dem die Chancen hin und her wogen, fängt Tim Krabbé die Faszination Radsport in einer Weise ein, die sonst wohl nur für jemanden, der zumindest Ausdauersport-Rennen und Rennradfahren kennt, zugänglich wäre.

Die Fortsetzung des Anekdotischen aus „Das Rennen“ begleitet mich gerade in Form von Tim Krabbés „Die Vierzehnte Etappe“, aber ohne die Mont-Aigoual-Rundfahrt als Kulisse ist es nicht ganz so das, was „Das Rennen“ in mir weckte. Zugleich schießen mir selbst ein Haufen Anekdoten durch den Kopf… aus meinem eigenen Nicht-Rennen-Rennradfahren früher und heute, aber auch aus dem Schauen von Radrennen. Wohlig eingepackt, in sportliche Faszination und Nostalgie.

Alte Bekannte

Wie Euch Lesern der Highway Tales vielleicht schon aufgefallen ist, lese ich gerne die Bücher von Tom Clancy aus dem Jack-Ryan-Universum. Ich habe mittlerweile doch schon einige davon gelesen:

„Jagd auf Roter Oktober“ hat er als erstes geschrieben und es war auch mein erster Clancy. Danach habe ich „Der Kardinal im Kreml“, „Der Schattenkrieg“ und schließlich „Im Zeichen des Drachen“ gelesen. Schon dabei merkte ich, dass Gestalten wieder auftauchten, sich weiter entwickelten. Neben Jack Ryan entwickelte sich John Clark zu einer wichtigen Gestalt, aber auch Bart Mancuso, den man anfangs als Skipper der „Dallas“ kennenlernt, das Ehepaar Foley und KGB-Mann Golowko, die in „Der Kardinal im Kreml“ eine wichtige Rolle spielen, zu meiner Freude auch SONAR-Mann Ronald Jones treten wieder auf. Allerdings zeigte ich an diesen Gestalten auch der Bruch, den ich erzeugte, indem ich aus der Not der physisch vorhandenen Bücher zwischen „Der Schattenkrieg“ und „Im Zeichen des Drachens“ einen Haufen Bücher ausließ. Ein zerstörtes Capitol, ein Präsident Jack Ryan („WHAT?“, fragte ich mich), das Ehepaar Foley an der Spitze der CIA, ich merkte: Mir fehlte einiges.

Also holte ich per eBook „Echo aller Furcht“, „Ehrenschuld“, „Befehl von oben“ und „Operation Rainbow“ nach. Die Lücken schlossen sich, mehr denn je kam alles zusammen und ich konnte langsam den Werdegang von einem Haufen Gestalten nachvollziehen. Neben den oben genannten bekam Manuel „Portagee“ Oreza eine weitere Geschichte, Dan Murray, Pat O’Day, Andrea Price-O’Day und diverse weitere gewannen Profil. Ich bekam – am Beispiel von Andrea – auch mit, dass Clancy nicht nur bei Arnold van Damm einen netten kleinen Grinser in die Namen eingebaut hatte.

Nachdem ich zuerst in chronologischer Reihenfolge der Romanereignisse gelesen, dann gewaltig gesprungen war und schließlich, wiederum chronologisch, die Lücke geschlossen hatte, hätte ich weiter machen können. Aber da es auch drei „Prequel-Romane“, zwei zu Jack Ryan und einen zu John Clark gibt, zog ich diese erstmal vor. In „Gnadenlos“, dem in „Jack-Ryan-Universums-Zeit“ frühesten, bin ich gerade knapp über die Hälfte, danach kommen die anderen beiden.

Nun durfte ich feststellen, dass die Menge an Charakteren, die man über mehrere Bücher verfolgen darf, nicht kleiner wird. Wie schon in „Im Zeichen des Drachen“ zu erahnen, trat Portagee Oreza in Clarks Vorgeschichte auf, aber da sind noch viele andere – ich wollte ja „Yay!“ rufen, als Admiral Greer in „Gnadenlos“ seinen ersten Auftritt hinlegte, und das Auftreten eines Polizisten namens Emmett Ryan, genannt „Em“ begriff ich im ersten Moment gar nicht richtig – Jack Ryans Vater! Nun lief mir dann eben auch noch Joshua Painter über den Weg, der in „Jagd auf Roter Oktober“ bereits vorkam. Ich finde es faszinierend und spannend, wie neben der Handlung Clancy einen Flickenteppich aus durchgehenden Biographien webt.

Genau das hat mir in einem anderen Universum echt gefehlt, nämlich in C.J. Cherryhs „Allianz-Union-Universum“. Ansätze gab es, aber gerade so, dass man es vermisst, dass es nicht mehr sind. Wahrscheinlich hätte mich C.J. Cherryhs Werk noch viel mehr beeindruckt, wenn sie so mit Charakteren und Biographien über den gesamten Handlungsbogen gearbeitet hätte wie Clancy im Jack-Ryan-Universum.

Pläne – Howard-Goldstein-Vortex Ebook

Mein aktuelles Schreib-Projekt, der Howard-Goldstein-Vortex, wächst und wächst. Nun ist es für mich sehr schön, das Projekt episodenweise, eine jede Woche, zu veröffentlichen. Durch die Blog-Form freilich hilft zwar der Index, Stück für Stück zu navigieren, aber im Blog selbst stehen die Episoden in umgekehrter Reihenfolge.

Nun kam mir vor einiger Zeit die Idee, mit Abschluss der ersten Staffel und dem Übergang zur neuen, zweiten Staffel die bisherigen Folgen zu einem Ebook-Format zusammenzukompilieren und als Download anzubieten. Dann kann man’s lässig auf dem Ebook-Reader in richtiger Reihenfolge lesen. Freilich dauert es noch eine Weile, vermutlich bis in den Januar, bis Staffel 1 vollständig ist. Aber die Idee reift schon eine Weile und so dachte ich, ich schreibe sie hier mal auf.

Dann werde ich die bestehenden Episoden zusammennehmen, noch einmal auf Fehler gegenlesen, den Cast als weiteres Kapitel dazunehmen und dann alles in ePub-Format bringen. Ob ich das Ganze dann hier auf der Veröffentlichungen-Seite und/oder auf dem Howard-Goldstein-Vortex zum Download anbieten kann, muss ich schauen. Oder eher: WIE ich es technisch mache, muss ich schauen, DASS ich es tun werde, steht fest.

Nach dem Buch ist vor dem Buch

Ich bin ein Fan der Jack-Ryan-Reihe von Tom Clancy. Nicht so sehr wegen Jack Ryan selbst – als jungen Analysten mag ich ihn ganz gerne, bei seinen Ansichten später, in Amt und Würden, bin ich manchmal skeptisch.

Aber mir liegt die Mischung aus Technik, Taktik und Bedrohung, die ich auch als Kritik an der militärischen Lösung von Konflikten verstehe oder vielleicht nur verstehen will. Das mochte ich an „Jagd auf Roter Oktober“, das – nach dem Film – mein Einstieg war. Das Buch fand ich sogar erheblich besser, weil es glaubhafter und technischer ist als der Film. Nicht, dass ich den Film nicht mögen würde – ich liebe ihn sogar. Dennoch, Clancy lesen ist nochmal was anderes. Daher habe ich auch – von der Jack-Ryan-Serie bei Amazon abgesehen – bisher keine weiteren Bildschirm- oder Leinwandadaptionen von Clancy-Büchern gesehen. Von den Büchern fehlen mir noch etliche, gelesen habe ich „Jagd auf Roter Oktober“, „Der Kardinal im Kreml“ und „Der Schattenkrieg“, zuletzt dann noch „Im Zeichen des Drachen“.

Die riesige Lücke an Handlung, Charakterentwicklung und Karriere zwischen ersteren drei und letzterem hat mich schon ziemlich drausgebracht, aber ich konnte „Im Zeichen des Drachen“ dennoch recht schnell nicht mehr abbrechen. Nun habe ich es durch und mich hungert es danach zu erfahren, was dazu geführt hat, dass Jack Ryan, Bart Mancuso, Al Gregory, Ed und Mary Pat Foley, Dan Murray, Sergej Golowko, Gennadij Bondarenko und all die anderen nun an den Orten, in den Ämtern und Karrieren sind, wo sie in „Im Zeichen des Drachen“ sind. Also habe ich „Echo aller Furcht“ als eBook gekauft und auf meinen Reader geladen – und siehe da: Prompt taucht die nächste Gestalt auf, die ich bereits in ihrem späteren Ich kenne: Arnold van Damm, der Stabschef des Präsidenten.

Nun bin ich mal gespannt, wie sich das Buch entwickelt …

Wie das Leben so spielt

Ich gehe auf dem Weg von der Bahn zur Arbeit seit dem zweiten Juli 2018 fast stets an einem Laden vorbei, der in Karlsruhe am Lidellplatz sein Schaufenster hat. Es ist ein Laden voller Zeug und Kram, also diverses Gebrauchtes, das größtenteils den Eindruck erweckt, nicht praktisch, sondern künstlerisch und/oder schön zu sein. Ich hasse und liebe solche Läden zugleich, denn es gibt so viele tolle Dinge dort – aber ich bin so gar kein Mensch, der tatsächlich viel umdekoriert. Dekoration soll beständig sein, nicht ständig wechseln, sie soll nicht im Weg sein und nicht überladen wirken. Das schränkt die Zahl der dekorativen Gegenstände stark ein, da die Zahl der Plätze dafür beschränkt und ein Mehrfachbesetzen der Plätze durch Dekorations-Veränderung über die Zeit meine Sache nicht ist.

Nun blieb aber der Wunsch nach einem bestimmten Objekt in der Auslage konstant seit – nun, seit ich dort vorbeilaufe, glaube ich. Es dreht sich um ein Buch, „Träume in Samt und Seide“, das Opern-Kostüme darstellt. Es ist dick, schwer und gebunden, kein Taschenbuch, und ich habe schon oft davor gestanden und mich gefragt, welche Schätze sich zwischen den Buchdeckeln verstecken. Nun habe ich gestern beschlossen, mich dazu durchzuringen, das Buch zu kaufen. Der Laden hat nicht unbedingt dauernd auf, da die Besitzerin ihn nur nebenbei betreibt – das vertröstete mich auf heute. Als ich dann vor dem Laden stand, war die Besitzerin gerade am Öffnen. Sie fragte, was ich suche, und ich erklärte, ich hätte schon gefunden – und deutete auf das Buch. Ihr entgleisten beinahe die Gesichtszüge: Das Buch sei reserviert – und zwar seit drei Tagen. Erst seit drei Tagen! Eine angehende Kostümdesignerin hatte die Besitzerin bei einer gemeinsamen Fahrt auf eine Messe in Frankreich angesprochen, ob sie das Buch haben könne. Besagte Messe war auch der Grund, warum der Laden gestern zu war.

Nun haben binnen weniger Tage zwei Frauen, die völlig unterschiedliche Dinge tun und seit vielen Monaten an der Schaufensterauslage vorbeilaufen und das Buch sehen, die Idee, nun endlich zuzuschlagen. Das ist ein Ding!

Ich gab der Besitzerin meine Kontaktdaten, falls sie das Buch wieder bekommt. Ich möchte lokale Läden unterstützen und werde daher erst einmal abwarten – denn ich habe gesehen, es gibt das Buch auch antiquarisch bei Online-Händlern gebrauchter Bücher. Mal sehen, wann die Besitzerin sich meldet – ich bin gespannt. Gleichzeitig bin ich auch noch amüsiert und zugleich begeistert, dass ich nach mehreren Monaten „Anlauf“ nun um ein paar Tage zu spät komme, und das Rennen gegen eine junge Dame verliere, die in ihrem Beruf sicher mehr mit dem Buch anfangen kann als ich. Ich hoffte nur auf Ästhetik, sie wird anhand der Inspirationen aus dem Buch neue Ästhetik schaffen. Das bedeutet was, finde ich.

„Anybody Out There“ von Ben Miller

Auf den Blogbeitrag von Fiktion fetzt zum oben genannten Buch hin habe ich mir Ben Millers Buch über die Suche nach außerirdischem Leben gekauft und bin dann eine Weile nicht zum Lesen gekommen. Inzwischen jedoch habe ich es gelesen – und ich bin begeistert.

Ben Miller entführt auf sehr unterhaltsame Weise in die Suche nach außerirdischem Leben – aber er wird dabei auch sehr grundsätzlich. Nach der Einführung über UFO-Sichtungen und SETI spannt er den Bogen anhand der Drake-Formel vom unglaublich fein abgestimmten Universum in Sachen Physik, das optimale Bedingungen für das Entstehen von Leben bietet, über die Chemie und Biochemie, bis schließlich zu uns und all dem anderen Leben auf der Erde, das nun einmal unsere einzige Referenzgruppe ist. Anhand derer erläutert er, was wir von außerirdischem Leben zu erwarten haben und was nicht – und endet genau dort, wo er in SciFi abgleiten würde, wenn er den erwartungsvoll guckenden Leser befriedigen wollte.

Für mich als Physikerin mit Interesse für Biologie war einiges nur Wiederholung, daher kann ich nicht beurteilen, wie verständlich er bei den Details in seinen Fußnoten ist – im Text selbst jedoch bleibt er in einem Bereich, den zu lesen sehr angenehm ist, selbst wenn man Vorkenntnisse ausblendet. Letztlich kommt dabei auch der Humor nicht zu kurz – Überschriften aus Liedtiteln (wie auch der Buchtitel aus einem Shakespeare’s-Sister-Song) und gelegentliches ironisierendes Abstandnehmen inklusive.

Am Ende wollte ich lesen, dass wir bereits einen Kontakt gefunden haben und er nicht ist, wie eines der Beispiele, aber eben doch aus den Methoden, die zur Vermutung der Gestalt und Kommunikationsfähigkeit außerirdischen Lebens Ben Miller über das Buch hin etabliert hat. Natürlich kommt es nicht dazu – diese Sensation wäre mit aller Hoffnung und Panik, die so etwas auslöst, den Medien nicht entgangen. Wer eine Räuberpistole über UFOs erwartet, wird enttäuscht, auch wenn auch von UFO-Sichtungen die Rede ist. Viel wichtiger und das Buch dominierend ist aber die auf Verständlichkeit herunter gebrochene wissenschaftliche Annäherung an außerirdisches Leben, die zum Beispiel das SETI-Projekt beherrscht – auch wenn ich persönlich in zweierlei Hinsicht STI – the Search for Terrestrian Intelligence – fast spannender fände. Die eine bringt auch Ben Miller auf, denn auch auf unserer Erde ist noch so manches, (vergleichsweise) nah mit uns verwandtes Leben intelligent und nicht so bekannt, wie es sein könnte – zum anderen frage ich mich manchmal, ob wir selbst so schlau sind, auch wenn wir Speicherung von Information außerhalb unserer Gene, Ackerbau, Sprache und Gesellschaft entwickelt haben.

Aber ich gleite ab – das hier sollte eigentlich eine eindeutige Leseempfehlung sein.

Gelesen: A Higher Loyalty

Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war „A Higher Loyalty“ von James Comey. James Comey kennt man aus den Nachrichten: Es war der ehemalige Direktor des FBI, der mit drei öffentlichen Statements zum Verlauf der Ermittlungen über die Verwendung eines privaten Mailservers für geheime Informationen in Hillary Clintons Zeit als Außenministerin während der letzten US-Präsidentschaftswahl auffiel und später von Donald Trump gefeuert wurde.

Das Buch setzt allerdings deutlich früher ein. Comey berichtet über seine Zeit als Jugendlicher, seine Prägung durch Ereignisse in dieser Zeit und wie es ihn dazu drängte, Anwalt zu werden. Viele der Weggefährten, über die er schreibt, haben im Laufe der Zeit eine Bedeutung gewonnen – oder bei seinen Begegnungen bereits Bedeutungen gehabt. Darunter sind drei Präsidenten der USA: George W. Bush, unter dem Comey Deputy Attorney General, mehr oder minder schlecht übersetzt stellvertretender Justizminister der USA war, Barack Obama, der Comey zum FBI-Direktor und Nachfolger von Robert Mueller machte, sowie Donald Trump, der Comey als FBI-Direktor vor Ablauf seiner zehnjährigen Amtszeit entließ. Noch etwas früher angesetzt: Comey arbeitete im Büro von Rudolph Giuliani, bevor dieser Bürgermeister von New York und später Anwalt von Donald Trump wurde – denn Giuliani war zu Beginn von Comeys Karriere US Attorney für Manhattan und Comey arbeitet bei ihm.

Manches davon wusste ich, einiges habe ich erst aus dem Buch erfahren. Neben dem Nachzeichnen seiner Karriere hebt Comey aber auf etwas ab, das ihm zumindest nach der Art, wie das Buch verfasst ist, sehr bedeutend erscheint. Schon der Untertitel spricht von „Truth, Lies and Leadership“. Comey erklärt sein Verständnis einer moralischen, ethischen Führung, von „ethical leadership“. Das Buch ist also mehr als eine Biographie oder ein Nachzeichnen seiner Karriere – und auch mehr als eine Abrechnung mit Donald Trump, auch wenn es im vorletzten Kapitel Züge derselben trägt.

Mich haben Comeys Ideen zu Moral, zu ethischer Führung und zu dem, was man machen darf und soll und was nicht, durchaus beeindruckt. Sicher, als Autor, der über sich selbst schreibt, ist das auch sein Ziel. Dennoch untermauert er viele seiner Ideen von dem, was er „to do the right thing“ nennt, mit Erfahrungen als Opfer und Täter von Mobbing in der Schule, dem Umgang seiner Frau und seiner selbst mit dem Tod ihres neugeborenen Sohns, einem Erlebnis mit einem gesuchten Verbrecher in seiner Kindheit in New Jersey und einigem mehr. Zudem stellt er Führung von „ethical leaders“ der Führung in Mafia-Clans gegenüber, die durch bedingungslose Loyalität und Lügen führen, in denen Hierarchie absolut ist und der Boss in seiner Position bestärkt werden will und werden muss. Insbesondere Barack Obama stellt er an dieser Stelle als jemanden dar, der Ratschläge annimmt, der andere Sichtweisen hören will – im Gegensatz vor allem zu Donald Trump, nach Comeys Darstellung, aber auch im Gegensatz zu George W. Bush, dem er in merklicher Sympathie zugetan ist.

Comeys Darstellung deckt sich an vielen Stellen mit dem, wie man in Europa oder in Deutschland, als Leserin liberaler bis linker Medien, die Ereignisse gesehen hat, beschreibt teils ein wenig tiefer. Außerdem beobachtet Comey sehr genau, er stellt immer wieder Eigenheiten in Habitus, Gestik und Mimik insbesondere der drei genannten Präsidenten dar und zieht daraus seine Schlüsse. Auch Obama, der als Demokrat den Republikaner Comey als FBI-Direktor berief und für den er voll des Lobes ist, kommt nicht ganz ohne Kritik weg – Comey analysiert aus seiner Perspektive auf eine Meeting eine gewisse Hybris Obamas beim Thema des Verstehens komplexer Zusammenhänge. Freilich sind die gelegentlichen Gehässigkeiten Bushs und auch das Umgeben mit Beratern, die – aus Comeys Sicht – moralisch fragwürdig agieren, durchaus ebenfalls nicht so wild wie das, was man in Comeys Bericht über seine Interaktionen mit Trump schreibt, aber Obama kommt doch am besten weg.

Interessant fand ich auch Comeys Analyse im letzten Abschnitt, Epilog genannt. Hier deutet er die Trump-Ära als eine Chance. Er ist zwar tief besorgt über die Schäden, die Trumps Präsidentschaft Comeys Ansicht nach anrichtet, aber er sieht auch die Chance darin, dass ein Präsident nach Trump ethische Führung, eine Bindung an die Wahrheit und ein aus der Idee von „checks and balances“ resultierendes Agieren in einer Stärke zu betonen haben wird, wie das seit Watergate nicht mehr der Fall war. Darin sieht er auch die Chance, dass der Kongress mächtiger wird und die monolithische Stellung des Präsidenten weiter eingeschränkt wird, eine Comeys Ansicht nach eindeutig gute Entwicklung.

Sicherlich muss man beachten, dass Comey aus einer Perspektive heraus schreibt. Möglicherweise sollte man auch überlegen, was er damit bezweckt, seine Moral- und Führungsvorstellungen so auszubreiten. Aber selbst unter Abzug der Perspektive und unter der Prämisse, dass Comeys „höhere Loyalität“ tatsächlich Land, Wahrheit und Moral gehört, und nicht nur sich selbst, muss ich sagen, hat er mich überzeugt – davon, dass es mindestens in etwa so war, wie er es beschrieben hat. Aber auch davon, dass die Ideen eines unabhängigen FBI, einer Beschränkung der Macht des Präsidenten, eine Trennung von politischen und nicht-politischen Staatsorganisationen und ein Führungsstil, wie er ihn als „ethical leadership“ definiert, ein Gut an sich sind.

Ich würde das Buch zu lesen empfehlen – sicherlich nicht, wenn man ganz leichte Lektüre haben will oder wenn man nicht über aktuelles Weltgeschehen lesen möchte. Sollte man aber einen Einblick und zugleich ein Buch über Führung lesen wollen, kriegt’s von mir ein Label „empfehlenswert“.

Mord im Orient-Express (2017er-Film und mein Kopf)

Wir waren nochmal im Kino! Nach Jahren, in denen wir kaum ins Kino gegangen waren, sind es dieses Jahr sehr viele Filme gewesen – zumindest für unsere Verhältnisse. Dieses Mal war es auf Empfehlung von Freunden, die die neue Verfilmung von „Mord im Orient-Express“, vielleicht DIE Hercule-Poirot-Geschichte schlechthin.

Ich habe vor langer, langer Zeit das Buch gelesen, zwar in deutscher Übersetzung, aber eben doch den Stoff, wie er im Buche steht. Ja, das Wortspiel war beabsichtigt. Persönlich war ich der Ansicht, man kann Agatha Christie nicht wirklich sensibel verfilmen, zumal ich zwar die Miss-Marple-Filme mit Margaret Rutherford kenne und mochte, aber nur abgetrennt von den Miss-Marple-Büchern. Denn Miss Marple ist ganz anders als in den Filmen, wenn man die Bücher liest. So ähnlich dachte ich über Poirot, bis mein Mann die Serie mit David Suchet anschleppte – die vielleicht sensibelste, akkurateste Umsetzung des schwierigen Belgiers, die ich mir vorstellen konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Serie mit einem Schauspieler dem Bild, das ich mir von Poirot gemacht hatte, so nahe hätte kommen können wie David Suchet.

Daher ging ich mit deutlich vorsichtigen Erwartungen gestern ins Kino. Erst recht, da ich wusste, dass einige Änderungen vorgenommen worden waren an der Geschichte. Aber wie soll ich sagen? Die Umsetzung des Stoffes ist näher am „Spirit“ von Hercule Poirot und näher am Spirit der Buchvorlage als an den Buchstaben der Vorlage. Natürlich, man hat Dr. Constantin wegrationalisiert und Colonel Arbuthnot eine Arzt-Karriere gegeben, das schwedische Kindermädchen war nun eine Hispanic, gespielt von Penelope Cruz – und so weiter. Aber hey, darauf kommt es nicht an. Auch, dass Poirot härter, vielleicht ein wenig direkter agierte als im Buch, spielte keine Rolle für mein Gefallen am Film. Ich fand die Umsetzung großartig, auch die zeitliche Raffung, die insgesamte Straffung und modernere Darstellung der Geschichte und ihrer Figuren. Der Film funktioniert für mich standalone und in Bezug auf das Buch hervorragend, macht aber auch Lust auf mehr und beflügelt meine Phantasie, wie eine Verfilmung des Stoffes noch sein könnte – ohne den Film selbst als eine Version abzuwerten, die mich gut unterhalten und sehr gefreut hat.

Als ich damals allerdings das Buch gelesen habe, waren in meiner Vorstellung Oberst Arbuthnot und Gräfin Andrenyi meine optischen Highlights, der rote Kimono aus glänzenderer Seide. Das war in der neuen Verfilmung anders – wo ich Daisy Ridley in Star Wars cool fand, aber nicht mehr, war sie als Mary Debenham mit anderer Frisur und anderer Kleidung eine Gestalt zum Verlieben – Dr. Arbuthnot blieb allerdings mein rein optisches Highlight, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als in meiner Vorstellung beim Lesen des Buchs. Ich glaube, eine deutlich nähere Verfilmung des Buchs mit David Suchet als Poirot, gemischt mit einer verdüsterten Optik des Films „Moulin Rouge“ wäre meine Version gewesen. Aber das wäre dann auch ein Film, der nur mich angesprochen hätte – so war’s dann wahrscheinlich gut, dass bei dieser Verfilmung andere Entscheidungen getroffen wurden. Top war die Besetzung allemal und alle Gestalten waren passend besetzt und für mich akkurat gespielt – obwohl ich mir, unabhängig von möglicherweise anderer Beschreibung, Gräfin Andrenyi immer als schwarzhaarig vorgestellt habe.

Bei Gelegenheit muss ich mal die existierende Verfilmung von „Mord im Orient Express“ mit David Suchet beschaffen und anschauen. Mal sehen, ob ich dann noch immer eine eigene Version in meinem Kopf brauche. Wobei ich davon ausgehen würde – ich brauche zum meisten eine eigene Version in meinem Kopf – zumindest von dem, das mich wirklich anspricht.

Vorstellung meines Buchs auf Youtube

Der zugegebenermaßen voreingenommene Ehemann der Autorin – also mein Ehemann, um genau zu sein, hat Am Rand des Strömungsabrisses auf seinem Youtube Kanal vorgestellt. Wenn Ihr aus seiner Perspektive einen Blick auf mein Erstlingswerk werfen möchtet, schaut doch mal rein:

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Hauptsächlich macht er allerdings Let’s Plays und das schon über einer lange Zeit sehr regelmäßig – auch da lohnt es sich, mal hineinzuschauen, wenn Ihr Euch dafür interessiert.