Campus Run Uni Stuttgart – mein Bericht

Um es vorweg zu nehmen: Ich hab’s nicht geschafft, die zwölf Kilometer unter einer Stunde zu laufen. Aber ich war schnell, und ich habe auch ein gutes Ergebnis vorzuweisen.

Zunächst war mein Tag vor dem Campus Run von mehreren Dingen geprägt, die ich vor dem Lauf vielleicht nicht so gerne habe: erstens hatte ich nicht so durchgeschlafen, wie ich das wollte, zweitens war der Tag restlos voll mit einer Blockvorlesung und dritten hatte ich so halb mit der Blockvorlesung kollidierend noch einen Termin. Nicht unbedingt optimal, um sich mental und physisch drauf vorzubereiten, nicht unbedingt optimal, um genug zu trinken. Aber einerlei: Ich suche keine Ausrede, denn ich bin mit meinem Ergebnis zufrieden. Dass da eine emotionale Achterbahn dahinterstand, ist eine andere Sache, aber das hat mit dem eigentlichen Campus Run nicht so viel zu tun.

Der Startschuss des Laufs war für nach der Arbeit, oder zumindest so in etwa angesagt: halb fünf sollte es für den Zwölfer losgehen, eine Viertelstunde später für den Sechser. Ich rüstete mich also mit allem meinem Zeug, schloss den Rest im Büro ein und marschierte die anderthalb Kilometer zum Stadion, wo ich gegen vier ankam. Dort war schon ein bisschen was los, erstmal ging ich meinen Beutel an der Garderobe abgeben, dann ging es runter ins Stadion, in dem Start und Ziel sein sollten. Dort traf ich nicht nur auf meinen Vater – mit dem hatte ich gerechnet – sondern auch auf meine Schwester und deren Verlobten, die kurzerhand einfach mitgekommen waren. Mit ihnen stand ich dann eine Weile herum, während um mich herum alles immer voller wurde – fast 650 Läufer traten an, für die beiden Wettbewerbe zusammengenommen. Es gab Verpflegung durch die Fachschaft Sport an der Uni, natürlich wurden auch Sponsoren in Szene gesetzt. Weil die vom Sponsor unterstützten Shirts, die es zum Lauf gab, eher groß ausfielen, somit M etwas viel für mich war, und ich mich darin außerdem nicht wohlfühlte, trat ich in eigener Klamotte an. Kurz nach halb vier wurde dann angekündigt, dass der Sechs-Kilometer-Lauf demnächst gestartet würde – großes „Hä?“ bei den Läufern, die den Zwölfer laufen wollten und dachten, vor den „Sechsern“ zu starten. Letztlich korrigierte sich die Organisatorin vom Hochschulsport dann, und die Leute für die Zwölf Kilometer gingen an den Start – viele in den blauen Shirts, die ich verweigert hatte, aber auch eine Menge Leute in eigenen Sachen. Und dann kam der Startschuss, alles raste los wie verrückt und ich ließ mich mitreißen. Das war eine eingeschränkt gute Idee, denn als ich bei etwa zwei zurückgelegten Kilometern, nach einem Oval um die Schmetterlingswege zwischen Bioverfahrenstechnik und anderen Uni-Gebäuden mein Tempo checkte, lag ich bei 4:15/km und wusste, dass ich das unmöglich halten können würde – wieder mal zu schnell gestartet. Mist.

Bis mein Körper sich daran gewöhnt hatte, dass ich meinen Tempoverlust irgendwie abfangen wollte und musste, aber eben auch nicht die 4:15/km illusorischerweise durchlaufen wollte, hatte ich zwischen Wohnheimen und Parkplätzen dann einen der uni-typischsten, zugleich aber vielleicht nicht unbedingt den schönsten Streckenabschnitt hinter mir, da kam dann der schwierigste Abschnitt: Scharf links abbiegen, dort spitz den Berg hoch, über eine Brücke über den Pfaffenwaldringvor der Mensa, und dann entweder die Wiese oder die Treppe hinunter. Hier musste der Hochschulsport beim Abstecken der Strecke Kompromisse machen – heraus kam diese anspruchsvolle, um nicht zu sagen etwas doofe Passage. Danach ging es konstant den Berg hinauf, nicht stark, aber eben doch quer über den Campus durch die Schleife des Pfaffenwaldrings hinter den Gebäuden entlang über die Wege. Dort ist die Strecke wirklich schön. Ein bisschen enttäuscht realisierte ich an der Ecke des Gebäudes, in dem ich arbeite, dass von meinem Institut niemand an der Strecke stand – naja, vielleicht ja auf der zweiten Runde!

Bis dahin war meine Geschwindigkeit schon fast auf mein gewünschtes Renntempo abgefallen, aber ich merkte, so richtig gut lief es dennoch nicht. Zwischen dem neuen Gebäude Arena 2036 und älteren Gebäuden durch ging es zum Heizkraftwerk, wo die erste Wasserstelle war. Ich war zu beschäftigt mit mir, um einen Becher zu nehmen, bog auf den Pfaffenwaldring und dann ging es in den Wald – genau, den Pfaffenwald. Dort begann ich, mich besser zu fühlen. Ich verlor immer noch Tempo, war inzwischen langsamer als mein gewünschtes Tempo, aber so langsam auch richtig eingeordnet: Ich hielt das Tempo derer, die um mich liefen, das Überholen und Überholtwerden hielt sich trotz ziemlich deutlichem Gefühl, es überzogen zu haben, in etwa die Waage. Am höchsten Punkt des Kurses, am Grillplatz im Wald, richtig schön in Schatten und Wald, wundervoll zu laufen, merkte ich: Es geht wieder. Beim Runterlaufen zurück Richtung Stadion gewann ich sogar etwas Zeit, hatte Freude und kam wieder zu Atem. Erst in Richtung Stadion wurde es wieder schwierig, denn ich realisierte: Entweder meine Messung ist falsch, oder der Kurs ist ein bisschen länger … und ich war schon bei korrekter Messung durch meine App langsamer … das machte es schwer. Aber ich gab nicht auf: Ich zog nochmal an, lief ins Stadion. So recht habe ich nicht verstanden, WIESO ich das weiß, aber am Ende der Runde standen 6,45km auf meinem Display. Durch mein „Durchziehen“ habe ich eigentlich nicht die Zeit gehabt, auf das Display zu schauen. Aber: Im Stadion waren nicht nur meine Familie, sondern auch zwei Kollegen aus dem Sicherheitswesen, die mich kräftig, wirklich kräftig anfeuerten! Das gab richtig Extraschub.

Auf der zweiten Runde fing es dann an, dass ich wenig Zeit, aber viele Plätze im Rennen gut machte, immer wieder auch bei nochmal am Ende aufdrehenden Männern eine Weile, teils auch die letzte Hälfte der zweiten Runde das Tempo hielt und merkte: Der Kurs ist vielleicht länger als 12km, ich bin selbst mit meiner Messung, die ihn eventuell zu lang anzeigt, zu langsam für mein Ziel, aber es macht Spaß und es kommt was rum!

Im Ziel wurde ich dann von Begeisterung meiner Leute begrüßt, keiner wollte hören, dass ich mein Ziel nicht erreicht hatte – alle fanden klasse, was ich dann eben doch geschafft hatte. Und so ging es mir recht schnell besser: Von „Mist, Mist, Mist!“ wandelte sich die Stimmung zu: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weiterlaufen!“ und schließlich zu: „War die Runde vielleicht wirklich etwas länger? Andere sagen das auch – mindestens drei andere!“

Dann fiel mir auf, wie viele nach mir noch ins Ziel kamen, ich war umgeben von netten Leuten und ein Kollege aus der Chemie, ein deutlich erfahrenerer Läufer als ich, meinte: Der Kurs war länger als gesagt und er war sehr anspruchsvoll. Deine Zeit ist gut! Und ihm habe ich es dann auch geglaubt. Wir trieben uns dann noch vor Ort herum, ich musste ja noch meinen Beutel wieder holen, meinen Transponder abgeben und so weiter … und dann waren es nur noch zehn Minuten bis zur Siegerehrung, die ich mir eigentlich schenken wollte. Ich rechnete nicht mit Treppchen oder sonstwas, wusste genau: Dafür war ich zu schlecht. So stand ich da rum und dachte: „Eigentlich will ich weiter, was Essen … “ Und plötzlich bei der Ehrung für die schnellste Frau 30+ wurde mein Name aufgerufen! Ich wollte es nicht glauben, aber ich war die schnellste Frau jenseits der dreißig. Erst nachts nach dem Heimkommen fand ich heraus, dass ich auch so weit nicht vom Treppchen weg war: etwa drei Minuten zu langsam auf Platz fünf in der Frauen-Gesamtwertung über 12km.

Und so habe ich meine Ziel nicht erreicht. Nicht in der 12km-Messung meines GPS, erst recht nicht auf der vermessenen Strecke. Euphorisch bin ich dennoch: Ich habe mein Ziel zumindest nach meinem eigenen GPS nur knapp gerissen, und das auf einer schwierigen Strecke, dazu habe ich einen Altersklassen-Sieg eingefahren und besser abgeschnitten, als ich dachte. Nachdem ich meinen Arbeitsplatz noch meiner Familie gezeigt hatte, ging’s Essen und Trinken – und dann nach Hause.

Was ein Tag! Was ein Tag!