Der verlorene Youtube-Superhit

Gestern gab es für mich ja eine Erinnerung an die Autofahrzeit. Über diese habe ich während des Staus gebloggt, aber nun in der Rückschau… weiß ich noch etwas mehr, was genau eigentlich passiert und abgelaufen ist.

Zur Ursache des Staus: Es gab einen Unfall. Ein leerer Linienbus auf einer Transfer-Fahrt fuhr wohl auf einen an der Ampel stehenden LKW auf. Das geschah am westlichen Ende des mehrstreifig und baulich getrennt ausgeführten Teilstücks der B462 und blockierte für etwa eine bis zwei Stunden wegen Unfallaufnahme sowie Rettungseinsatz die nach Westen führende Richtungsfahrbahn. Das Ergebnis war ein Rückstau von der Autobahnanschlussstelle Rastatt Nord bis zur Ausfahrt auf die L67 nach Muggensturm bzw. Kuppenheim. So weit, so klar.

Weniger klar war die Situation in selbigem Stau. Wir standen dort zu viert in einem Fahrzeug, auf der Rückfahrt von einem Außendienst: Meine Chefin, zwei Kollegen und ich. Wie auch die meisten anderen Fahrer machten wir, als der Stau sich abzeichnete, die Rettungsgasse frei. Einige mussten noch nachziehen, als dann die Polizei kam, aber das lief so weit gut. Wir standen in der Höhe des Einfädelstreifens auf die B462 von der L67 aus – und trauten gleich mal zum Auftakt unseren Augen nicht: Ein Fahrzeug scherte aus und folgte der Polizei durch die Rettungsgasse, um sich weiter vorne reinzudrängeln. Wobei – „trauten unseren Augen nicht“ ist eigentlich falsch. Traurig ist es, dass wir alle nicht erstaunt waren, dass jemand das tat – man sieht das einfach zu oft. Dann standen wir erst einmal eine Weile. Unten auf der L67 fuhren LKW riskant von der Auffahrt auf die Bundesstraße rückwärts zurück auf die Landesstraße, um den Stau via Muggensturm zu umfahren, ansonsten war Stillstand.

…und dann ging es los. Erste Fahrzeuge kamen durch die Rettungsgasse entgegen der regulären Fahrtrichtung der Richtungsfahrbahn. Zuerst vermuteten wir noch, dass die Polizei aufgrund einer sehr langen zu erwarteten Sperrung das Ganze so steuerte, aber dann war da ein Polizist, der auf der Fahrbahn stand und die Leute zurücksortierte, sie sollten sich wieder in die richtige Richtung einordnen und nicht auf die L67 hinten um den Stau herum abfahren. Wir waren verwirrt: Hatten wir doch unterstellt, niemand würde auf einer autobahnartig ausgebauten Straße gegen die Richtung fahren, wenn es nicht von der Polizei angewiesen sei, erst recht nicht in einem Stau durch die Rettungsgasse zwischen langen Reihen in richtiger Richtung stehender Fahrzeuge…

…eine Fahrerin jedoch schoß erstmal den Vogel ab: Der Polizist wollte sie wieder zum umdrehen und sich in die Reihe einordnen anweisen, sie schüttelte, für uns klar sichtbar den Kopf und fuhr weiter auf den Polizisten zu! Zum Glück fügte sie sich dann doch noch! Zunehmend zeichnete sich für uns ein Bild ab: Einerseits drehten sich die Autos von gegen die normale Fahrtrichtung wieder in Fahrtrichtung, andererseits hatten wir das Spalier in die eine und die dazwischen fahrenden Fahrzeuge in die andere Richtung, die dann wieder in das Spalier eingeordnet wurden, in zunehmender Hektik und zunehmendem Durcheinander. Passte der Polizist mal nicht auf – später noch ein zweiter – drehten wieder Fahrer um und versuchten, hinter uns die Abfahrt zu nehmen…

So traurig das alles ist, weil offenkundig die Anweisungen der Sicherheitskräfte ignoriert wurden – teilweise im Moment des Wegschauens, teilweise ungeniert unter den Augen der Ordnungshüter! – und offenkundig ebenso Verkehrsregeln und Menschenverstand nicht zählten, wir hätten uns eine Drohne gewünscht. Für ein Video aus der Luft, auf dem man das Spalier der eine Rettungsgasse bildenden Fahrzeuge und die dazwischen in Gegenrichtung fahrenden Fahrzeuge gesehen hätte, dazu das drehen umeinander am Anfang und Ende des Staus… und darüber im Falle der fahrenden Fahrzeuge der Zillertaler Hochzeitsmarsch, in den Dreh-Bereichen ein Strauß-Walzer…

Der verlorene Youtube-Hit des Jahres 2020 schlechthin. So skurril, schmerzlich FALSCH und zugleich unglaublich tragikomisch…