Lauf-Phantasie

Am Sonntag, als ich morgens aufstand, um zur Teezeremonie-Vorführung im Japangarten in Karlsruhe als Helferin aufzubrechen, hatte ich Kopfschmerzen. Fiese Kopfschmerzen. Wie so oft wusste ich: „Laufe oder falle den Tag lang aus.“ Das war die Ansage meines Körpers, und ich wusste ganz genau, dass das Ultimatum ernst gemeint war. Also schnürte ich meine Laufschuhe, zog mich an und ging los. Oder eher: Ich lief los.

Beim Laufen wurde es langsam besser und in meinem Kopf formte sich ein Bild, wahrscheinlich basierend auf einem Traum in der Nacht zuvor, der nicht unbeträchtlich mit dem Wettkampf vergangenen Donnerstag zu tun hatte. Um das Ganze zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen.

Mein bester Freund und ich spielen jeden Donnerstag gemeinsam über Chat Rollenspiel. Dabei kommt es nicht auf ein Spielsystem, nicht auf Würfel, Abenteuer, Erfolge an. Es kommt auch nicht auf große Geschichten an, sondern vor allem auf die Charaktere, auf Figuren, die durch ihre etwas verrückten Features interessant werden, zugleich aber menschlich, sehr menschlich sind, Probleme, Ängste und Freuden haben. Vor langer Zeit entstand aus einer (alkoholfreien, da nur metaphorischen) Schnapslaune heraus eine dieser Gestalten: Dr. phil. Laura Kraft, ursprünglich gestaltet für das Rollenspiel Scion, bzw. für dessen Hintergrundwelt, später dann übergeführt in die riesige, soziale, im Sportumfeld stattfindende ShadowRun-Gesellschaft, die wir betreiben. Laura ist Archäologin, sie ist eine Expertin für die Geschichte Südostasiens, speziell Malaysia und die großen Sunda-Inseln. Ihre Feldarbeit findet weitgehend auf Sumatra statt, und sie ist durchaus auch in Entwicklungshilfe engagiert – nicht nur, weil ihr das einen Bonus gibt, wenn sie dort arbeiten will, sondern auch, weil es ihr wirklich am Herzen liegt. Vor allem aber ist Laura Sportlerin. Ihre Kindheit war davon geprägt, dass sie das anständige Mädchen sein sollte, tanzen und bestenfalls turnen, eine Banklehre machen und dann heiraten und Kinder kriegen. Das jedenfalls hatte ihre Mutter im Sinn, während Lauras Brüder Kampfsport machen und erfolgreiche Karrieren anstreben sollten. Allerdings waren Lauras Brüder Komplizen, als sie statt Nähkurs lieber ins Taekwondo gehen und laufen wollte. Sie brach aus, studierte Archäologie und arbeitet an der Uni, macht Feldarbeit für ihren Professor, der lieber in seiner Bibliothek sitzt. Als Läuferin und Kampfsportlerin mit Turn- und Tanzerfahrung ist sie natürlich hochgradig sportlich und das nimmt in ihren Hobbies – neben dem Erlernen der modernen Sprachen ihrer Forschungsregion – auch den weitaus größten Raum ein.

Archäologin, Kampfsportlerin, Feldforschung? Ich weiß, das klingt nach … naja, Indiana Jones, Sidney Fox oder eben … Lara Croft. Den Namen habe ich ihr bewusst verpasst, ich bin ja meistens gemein zu meinen Charakteren. Irgendwann bekamen ihre Studenten ein Bild von Laura in Shorts, mit einem Gurt für ein Messer und einem für Werkzeuge an den Schenkeln, Wanderstiefeln, einem Top und langem Zopf in die Finger. Recht schnell war das Top in helles Blaugrün umgephotoshopt, und plötzlich stand in der Fachschaft ein Pappaufsteller mit Dr. phil. Laura Kraft in „Tomb-Raider“-Aufmachung herum. Natürlich hasste Laura diese Assoziation zunächst. Sie fühlte sich nicht ernst genommen, außerdem besteht sie darauf, dass sie keine „Abenteuer-Archäologin“ oder gar „Grabräuberin“ ist, sondern ernsthafte Feldforschung betreibt. Allerdings hielt sich das Bild nachhaltig, und noch dazu gibt es da einen Konkurrenten und wirklichen Abenteurer namens Marcus Jones, der mit Indiana Jones kokettiert und Laura immer wieder damit aufzieht. Ungünstig nur, dass sowohl Marcus als auch Laura eine gegenseitige Anziehung spüren – und irgendwann meinte Marcus, Laura solle doch das Bild als Kompliment nehmen, sie wisse ja selbst, dass sie ernsthafte Wissenschaftlerin sei … und so kam es dazu, dass einmal in einem der Rollenspiel-Abende mit meinem besten Freund Laura Kraft vorkam, die in Lara-Croft-Verkleidung einen Laufwettkampf mitlief.

Genau diese Phantasie hatte ich nun, während ich am Sonntagmorgen meine Kopfschmerzen weglief, um noch an der Teezeremonie-Vorführung als Helferin teilnehmen zu können und den Rest der Gruppe nicht hängen zu lassen. Vor meinem inneren Auge lief Laura Kraft in Verkleidung auf den letzten mehreren Hundert Metern eines Laufwettkampfes, hielt das Tempo einer Gruppe Männer und wurde von ihren Studenten und ihren Freunden in passenden Verkleidungen am Rand der Strecke angefeuert. Ein starkes, motivierendes Bild, das natürlich nur im Kontext meiner Phantasie halbwegs verständlich ist. Aber ich liebe das Bild und hoffe, es noch das eine oder andere Mal zum Laufen mitnehmen zu können.

Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag

Das ist der Grundsatz meiner Schelmin „Aus dem Weg“ im Rollenspielsystem „Das Schwarze Auge“ (DSA). Aus dem Weg ist ein menschliches Mädchen, das aber von Kobolden aufgezogen wurde. Schelme haben derbe Magie, die sie aber nur zum Spaß einsetzen können, nicht so sehr ziel- oder gar schadensgerichtet. Darunter sind Zauber wie der „Nackedei“, bei dem das Opfer am Ende mit seinen Kleidern als ein Knäuel um die Knöchel dasteht – nackt, natürlich. Viele dieser Zauber sind für wirklich heftige Streiche hervorragend geeignet, aber in meinen Augen muss der Schelm Spaß verstehen, um diese Dinge so anzuwenden, dass er nicht das Spiel sprengt – egal, ob als vom Spielleiter gesteuerte Figur der Hintergrundwelt oder als Spielercharakter.

Das führte dazu, dass ich Aus dem Weg (in Absprache mit meinem damaligen Spielleiter) den magischen Nachteil „Rückschlag“ verpasst habe – und gleich doppelt. Bei einfachem Rückschlag wirkt der Zauber, wenn er schief gegangen ist, mit halber Stärke auf den Zaubernden. Doppelt genommen, nun, wirkt der Zauber mit voller Stärke … für mich ein wichtiges Kontrollorgan bei einem Schelm. Der Schelm muss sich klar sein, wenn es nicht klappt, wirkt das auf mich, wie reagiere ich dann?

Bei einer dieser Szenen versuchte „Aus dem Weg“ auf einen allzuernsten Mann in einer Kneipe den Zauber „Lachkrampf“ zu zaubern. Der setzt einen außer Gefecht, ohne einem wirklich zu schaden: Man wälzt sich auf dem Boden und lacht, dass man fast keine Luft mehr bekommt, ist erstmal außer Gefecht und trägt wahrscheinlich auch einen Muskelkater davon. Was soll ich sagen? Es ging schief, ganz klar. Aus dem Weg verfiel in einen Lachkrampf und lag zur großen Schadenfreude aller umstehenden nach Luft japsend, sich vor Lachen krümmend neben ihrem Stuhl in der Taverne und konnte nicht mehr. Danach stand sie mühsam auf und erklärte, noch immer nach Luft ringend: „Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag!“

Vermutlich werde ich mir gestern beim Trek Monday einen Muskelkater angelacht haben. In „seaQuest DSV“ griff Dr. Kristin Westphalen in eine unter Druck stehende Magmakammer ein, in dem sie – als Wissenschaftlerin auf dem Boot, nicht als militärische Offizierin – neun Torpedos auf eine Schwachstelle der Magmakammer feuern ließ, somit einen Entlastungsausbruch auslöste. Dieser führte zur Bildung einer neuen Insel, während die andere Insel, auf der sich die Crew und einige Zivilisten noch herumtrieben, von einem explosionsartigen Ausbruch à la Mt. St. Helens oder Krakatoa verschont blieb. Über die geologische Korrektheit kann man streiten – allerdings führte Captain Bridger am Ende an, dass fünf Torpedos gereicht hätten, sie aber neun gefeuert hatte. Es sei nun die Frage, wer die Torpedos bezahle …

Da erklärte einer meiner Gäste: „Wie soll sie das auch wissen, wenn sie nicht darin geschult wird? Sie sollte mal auf einen Soft-Skills-Lehrgang.“ Es mag nun nicht so richtig lustig sein, dass der Zusammenhang zwischen Geologie und Explosionen von Torpedos für eine Wissenschaftlerin auf einem Forschungs-U-Boot unter militärischer Führung nun – sagen wir es vorsichtig – tendenziell eher in die Kategorie der Hard Skills gehört. Ich allerdings stellte mir einen Soft-Skills-Kurs vor, auf dem genau das gelehrt würde … und konnte mich vor lachen nicht mehr halten, fiel vom Sofa und krümmte mich zwischen Sofatisch und Sofa in einem wilden Lachkrampf.

Und da in „Aus dem Weg“ eine Menge von mir steckt, sagte ich danach in voller Inbrunst: „Ein Tag, an dem man mit Bauchschmerzen vor Lachen ins Bett geht, ist ein guter Tag!“

Wie passend …

Das Lauftraining – naja, das ist übertrieben: Die Laufaktionen, die zur Zeit zu meiner großen Begeisterung ein vitaler, angenehmer und auch erfolgreicher Teil meines Alltags geworden sind, korrespondierten am Dienstagabend mit meinen Gedanken an die Serie, die mein Mann und ich gerade schauen.

Es geht dabei um die DC-Serie „Flash“. Auch hier ist das Laufen wichtig, auch hier geht es um Tempo und das drumherum. Vielleicht ist der Vergleich, die Assoziation etwas weit hergeholt. Beim Laufen, schneller Werden, bei der Freude an der Bewegung kommt diese Assoziation bei mir allerdings unvermeidlich, da eben meistens beim Abendessen mit meinem Mann „Flash“ über den Bildschirm flimmert. Wir haben mit der ersten Staffel wieder angefangen, weil wir doch einiges davon vergessen hatten, seit dem letzten Mal. Danach soll’s mit Staffel 2 und später dann auch mit „Arrow“ und „Supergirl“ weitergehen.

Ich bin ja eigentlich eher ein Fan von Wonder Woman. Und als ich da so meine Runde drehte, kurz vor dem Wieder-Heimkommen, blitzte so der Gedanke durch den Kopf: „Flash, das ist irgendwie passend zum Laufen. Aber ich bin Wonder Woman, in meinem Geist. Wie wäre das wohl, wenn Flash und Wonder Woman gemeinsam Laufen gehen? Wie, wenn es Barry Allen und Diana Prince sind? Wer ist wohl schneller?“

Wer schneller ist, hängt sicher vom Comic ab, aber da auch der Kryptonier Superman mit Flashs Tempo seine Probleme hat, würde ich Dianas Stärken eher woanders sehen. Aber schnell ist sie sicher auch.

Stell ich mir nun Flash oder Wonderwoman als Identifikation beim Laufen vor?

Fragen über Fragen. Passend ist der Flash dennoch zu meiner Lauf-Leidenschaft.

Nummernschildspaß

Heute auf der Autobahn fuhr vor mir her:

Ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen BOR-CK … selbst wenn ich mir die Zahl gemerkt hätte, ich würde sie wegen des Datenschutzes nicht posten. Der lustige Part daran war, dass das nächste Auto das Kennzeichen BIR-CK hatte. Natürlich kann man nun anhand der Häufigkeit der Kennzeichen von Borken und Birkenfeld berechnen, wie wahrscheinlich das ist, einige hundert Kilometer vom jeweiligen Ort entfernt. Ich fand vor allem lustig, im ersten Fall einen (falsch geschriebenen) Bestandteil der Baumrinde herauslesen zu können und im zweiten Fall einen (ebenfalls falsch geschriebenen) Baum. Besonders auffällig war’s natürlich, fünf Buchstaben (so viele dreibuchstabige Kennzeichen gibt es ja gar nicht) auf einem Kennzeichen zu sehen, und direkt danach ein anderes, nur um einen Buchstaben davon verschiedenes Kennzeichen – das weckt natürlich den für Assoziationen zuständigen Teil meines Kopfs!