Gestern verschlug es mich dienstlich mal wieder auf die Bundesautobahn 8. Ich war vom Büro in Bruchsal mit einem Ford S-Max Richtung Stuttgart unterwegs, hatte das Karlsruher Dreieck bereits hinter mich gebracht und fuhr ohne Hast auf der linken Spur aus dem Pfinztal hinauf Richtung Pforzheim. Wie immer auf der dreispurigen Richtungsfahrbahn mit einiger Steigung waren die beiden rechten Spuren von LKW und langsamen anderen Fahrzeugen eingenommen – die rechte mehr, die mittlere etwas weniger. Es regnete, mal mehr, mal weniger, der Himmel war grau, der Verkehr lief langsam, aber zunächst scheinbar beständig. Mit etwas Abbremsen vor LKW, die auf der mittleren Spur den Berg hinaufschnauften, und etwas mehr Tempo in den Lücken dazwischen war durchaus eine gewisse Schwingung im Tempo – aber das ist ja so weit nicht schlimm. Wenn ein etwas schnellerer LKW auf der mittleren Spur fährt, scheren ja immer einige aus, die das Rechtsfahrgebot etwas strenger nehmen, während andere bei weniger als 200 oder 300 Meter hintereinander fahrenden, etwas schnelleren LKW das nicht für lohnenswert halten, und die Ausscherer mit den Spurhaltern zu verheiraten, das kostet eben etwas Tempo.
Wenn, ja wenn die Ausscherer nur dort auf die linke Spur ausscheren, wo es geht. Denjenigen, der einfach „herausgeschnibbelt“ ist, wie meine Großmutter das gesagt hätte, habe ich nicht gesehen. „Herausschnibbeln“ meint dabei das „Schneiden“ eines anderen Fahrzeugs, also das Wechseln auf eine andere Spur, auch wenn die Lücke zu kurz und insbesondere der Abstand zum künftigen Hintermann zu gering ist. Jedenfalls bremste, sehr wahrscheinlich aufgrund eines solchen „Herausschnibbelns“ einige Fahrzeuge vor mir der Lieferwagen vor mit plötzlich massiv ab. Ich hatte mich zwar bemüht, aber wie alle um mich herum hatte ich nicht den Abstand gehalten, den ich hatte halten wollen – und so schaffte ich es mit gerade noch einem halben Meter Abstand zum Heck des Vordermanns, meinen Dienstwagen zum Stehen zu bringen. Bei meinem Hintermann war’s noch knapper, der war aber immerhin dann geistesgegenwärtig genug, nicht nur zu bremsen, sondern auch die Warnblinkanlage anzuschalten.
Nach kurzem Schockmoment ging es weiter, es hatte keine Auffahrunfälle gegeben. Nur eben fast. Aber es war ein sehr knappes „fast“. Zu knapp, für meinen Geschmack.
Freilich geißele ich nun den unachtsamen oder rücksichtslosen „Herausschnibbler“, aber mindestens ebenso, wenn nicht noch mehr trägt der allgemein mangelnde Abstand auf Autobahnen zu solchen Gefahrensituationen bei. Ich hatte – und das möchte ich betonen – mehr Abstand zum Vordermann als mindestens drei Fahrzeuge hinter mir zu ihren jeweiligen Vorderleuten. Aber auch mein Abstand war zu knapp, genau wie die Abstände auf dem Fahrstreifen rechts neben mir. Der Verursacher der Situation hat übrigens vermutlich gar nicht gemerkt, was er angerichtet hat. Für ihn wurde gebremst, aber das merkte er schon nur eingeschränkt. Dass die Hinterleute der Hinterleute immer heftiger zu bremsen hatten, weil allgemein zu wenig Abstand herrscht, und so eine Welle rückwärts durch den Verkehr läuft, kriegt der Verursacher der Welle auf der Autobahn in aller Regel nicht mit. Und so geben wir uns weiter alle der Illusion hin, dass wir toll fahren und nur die anderen spinnen. Letztlich ist aber jeder, der sich am Spiel mit zu geringem Abstand und zu häufigen Spurwechseln beteiligt, also de facto JEDER auf der Autobahn, Teil des Problems. Davon nehme ich mich explizit nicht aus, obwohl ich es besser weiß und danach handeln sollte. Oft geht das nicht. Manchmal tut man’s aber auch einfach nicht. Aus Eile, Gewohnheit, Unachtsamkeit. EIGENTLICH ist das fahrlässige Gefährdung von Eigentum und Unversehrtheit anderer. Sollte man sich mal klar machen. Immer wieder – und jeder. Auch die arrogant-besserwisserische Autorin dieser Zeilen.