Am Freitag war neben der Nachfreude vom Ballett noch etwas anderes angesagt – naja, nicht nur „etwas“ anderes, sondern eine ganzen Menge andere Dinge. Das entscheidende „Ding“ für diese Erzählung jedoch ist, dass mein Mann sein Pedelec wieder von der Inspektion holen musste. Ich vereinbarte mit ihm, dass er mit unserem Auto zum Radladen und mit dem Pedelec nach Hause fahren würde. Ich wollte das Auto dann abholen.
An sich kein Problem. Wir wohnen an der Bahnlinie von Karlsruhe nach Rastatt – an einer der beiden. Sein Arbeitsort Malsch, in dem auch der Radladen ist, liegt an der anderen. So muss man zwar, wenn man zum Beispiel von Bietigheim nach Malsch möchte, entweder über Rastatt oder über Karlsruhe fahren. Ist man aber schon in Rastatt oder Karlsruhe, ist der Unterschied, nach Malsch oder Bietigheim zu fahren, marginal. Also beabsichtigte ich, statt mit der S7/S8 nach Bietigheim mit der S71/S81 nach Malsch zu fahren und von dort mit dem Auto nach Hause zu fahren. Ich packte Freitagfrüh den Ersatzschlüssel für mein Auto an meinen Schlüssel – checkte noch, ob er mein Auto auch aufschlösse, was er tat – und fuhr per Bahn zur Arbeit. Wie vereinbart fand ich dann, nach einem recht langen und dank einiger Besprechungen anstrengenden Arbeitstag und einer Fahrt mit der S1 zum Karlsruher Hauptbahnhof, dort Umstieg in die S81 und kurzem Spaziergang durch Regen und Sturm mein Aygolein vor dem Radladen vor, schloss es auf, setzte mich ans Steuer, drehte den Schlüssel und …
Rotierte. Genau wie der Motor: Er rotierte, zündete aber nicht. Vier, fünf Versuche startete ich, dann rief ich meinen Mann an. Der hatte schon ein schlechtes Gewissen, aber er konnte nun ja wirklich nichts dafür. Dass ich leicht auf Toilette musste, Kopfschmerzen hatte und müde war, also nur noch heim wollte, verbesserte die Situation nicht wirklich, änderte aber auch nichts, rein gar nichts an der Schuld-Situation. Ich eruierte, woran es liegen könne, nachdem ich den ADAC angerufen und mir eine Wartezeit von gut einer Stunde hatte ankündigen lassen. Öl, Wasser, Batterie? Nein, alles in Ordnung. Freilich, eine Freundin schrieb mir, dass auch bei ihrem Auto bei schwacher Batterie mal die Zündung nicht, das Drehen des Motors aber schon funktioniert hatte. War das Problem mangelnde Wartung? Eigentlich auch nicht, die letzte Inspektion ist zwar nahezu ein Jahr und etwa 10000 Kilometer her, aber das ist noch in den normalen Intervallen. Freilich, dass ich am Rande der Intervalle bin, mit der Wartung, tat meinem Gefühl, eventuell doch am Versagen meines Autos schuld zu sein, nicht gut. Zwischendrin meldete sich noch das schlimme kleine Kind in meinem Kopf, das brüllte: „Sechsmal ist dein Mann nun mit Deinem Auto gefahren, seit es unseres ist, und schon sowas!“ Aber das ist Verhalten eines Kindes und da will ich eigentlich raus sein. DASS solche Stimmen nicht nur in mir, sondern in vielen anderen Erwachsenen auch heute noch vorhanden sind, daran zweifle ich nicht einen Moment. Wir geben es nur ungern zu, dass die reflexhafte Suche nach einem anderen Schuldigen immer noch da ist, auch wenn wir ihr nicht nachgeben. Vielleicht streiten wir das besonders gerne ab, WENN wir dem manchmal nachgeben!
Das Timing war auch wieder spitze – prompt, als ich endlich beschlossen hatte, statt am Auto zu warten, in einem nahegelegenen Café auf Toilette zu gehen, rief der ADAC-Mensch an, er sei gleich da. Ich tigerte also mit weiterhin nervös machendem Druck auf dem Entwässerungssystem zurück zu meinem streikenden Fahrzeug und wartete auf den Herrn vom ADAC. Der kam dann auch in Gestalt eines gelben Fahrzeugs mit gelb gekleidetem, dunkelhaarigen und durchaus hübschen Fahrer, der sich erstmal zeigen ließ, wo das Problem lag. Er bestätigte mir, dass die Batterie stark klänge, daran lag’s nicht. Dann checkte er, ob wir Zündstrom hätten – und TADA! – da lag der Hase im Pfeffer. So weit, so gut: Wir hatten also keinen Zündstrom, nur wieso nicht? Mein gelber Engel checkte die Sicherungen und stellte fest, dass die alle drin und intakt waren. Dann hängte er sein Auslesegerät an mein Aygolein und entlockte ihm alle seine Geheimnisse: Er WOLLTE nicht. Die Wegfahrsperre ging nicht raus. Da erfuhr ich etwas, was für mich eingestandenerweise wirklich neu war: Dass der Schlüssel passt und zum Drehen des ganzen Geräts mit Batteriestrom ausreicht, genügt nicht. Eine Programmierung des Schlüssels muss ebenfalls vorhanden sein, damit die Wegfahrsperre rausgeht. Wenn Schlüssel lange liegen, verlieren sie manchmal diese Programmierung, eröffnete mir mein gelber Engel. Sie sollten die nicht verlieren, aber manchmal, ganz selten, tun sie’s eben doch. Also gewann ich eine Freifahrt im ADAC-Fahrzeug nach Hause, um den Hauptschlüssel zu holen und endlich den Blasendruck loszuwerden, eine weitere Fahrt zurück nach Malsch, um es mit dem stets benutzten Hauptschlüssel zu probieren. Unterwegs unterhielten wir uns über Kfz-Mechanikertum – mein Großvater hatte eine Werkstatt, an der ich mich statt im Kindergarten gerne aufhielt, als ich noch ein Kind war – und über Strahlenschutz, also meine Arbeit. Es stellte sich heraus, dass eine für mich sehr faszinierende Stelle, an der Strahlenschutz notwendig ist, auch zu den potentiellen Arbeitgebern meines ADAC-Manns gehört hätte: Eine Firma in Karlsruhe, bei der Motoren getestet werden, unter anderem durch Aktivieren von Bauteilen und Messung der Radioaktivität im Altöl. So kann man genau messen, wo eigentlich Verschleiß auftritt, also an welchen Teilen.
So vergingen die beiden Fahrten recht kurzweilig und – ich löse es auf – das Auto sprang an, mit dem richtigen Schlüssel. Ich fuhr nach Hause und freute mich, dass der Tag endlich „durch“ war. Zweieinhalb Extra-Stunden hatte mich die Aktion gekostet, in müde, mit Kopfschmerzen und allem drum und dran war das natürlich nicht unbedingt ein Vergnügen. Beim Aussteigen zuhause fand ich dann noch die Zange, mit der der Herr vom ADAC die Sicherungen gecheckt hatte – die holte er im Laufe des Samstags ab. Ich lag da allerdings in meinem Bett und schlief mit rasenden Kopfschmerzen, die sicher auch was mit dem stürmischen Wetterwechsel, vor allem aber mit der Kombination aus langem, wunderschönem Donnerstag und langem, anstrengenden und nicht ganz so wunderschönen Freitag zu tun hatten.