Heute war ich auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs, wo ich auf einer Schriftrolle folgenden Text laß:
Jorge Luís Borges (1899 -1987)
“Wenn ich mein Leben
noch einmal leben könnte, im nächsten Leben,
würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.
Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde nicht so gesund leben, würde mehr riskieren.
Ich würde mehr reisen, mehr Sonnenuntergänge betrachten,
mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen.
Ich würde an mehr Orte gehen, wo ich vorher noch nie war.
Ich würde mehr Eis essen and weniger dicke Bohnen.
Ich würde mehr echte Probleme als eingebildete haben.
Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten.
Freilich hatte ich auch Momente der Freude, aber wenn ich noch einmal anfangen könnte,
würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls du es noch nicht weißt, aus diesen besteht nämlich das Leben, nur aus Augenblicken.
Vergiß nicht das Jetzt!
Ich war einer derjenigen, die nirgendwo hingingen
ohne ein Thermometer, eine Wärmeflasche, einen Regenschirm und Fallschirm.
Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich leichter reisen.
Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen.
Ich würde mehr Karussel fahren, mir mehr Sonnenaufgänge ansehen und mehr mit Kindern spielen,
wenn ich das Leben noch vor mir hätte.
Aber sehen Sie… ich bin 85 Jahre alt und weiß, daß ich bald sterben werde.”
Ich fand den Text einfach toll, da er mir wieder einmal bestätigt, dass wir manche Dinge einfach nicht so wichtig nehmen sollten. Und in gewisser Weise habe mir dies auch bereits zu eigen gemacht, gehe großteils recht unbeschwert durchs Leben und lasse die Dinge auf mich zukommen.
Leider muss ich allerdings immer wieder feststellen, dass es für die eigene Umwelt gar nicht so einfach zu sein scheint, dies zu akzeptieren. Immer wieder wird nachgefragt, ob man sich dies oder jenes gut überlegt hat oder warum man nicht verbindlich durchgetaktet jede Minute seines Lebens verbringt, wenn man z.B. jemandem sagt: „…weiß ich noch nicht, werd ich sehen, wenn es soweit ist und geb dir dann Bescheid“.
Klar kann ich verstehen, dass andere Leute gerne feste Absprachen haben wollen und wenn ich mich mal mit jemandem auf etwas geeinigt habe, dann halte ich mich auch daran (von ein paar Minuten Verspätung bei Terminen vielleicht abgesehen). Aber aus genau diesem Grund möchte ich eben auch keine Zusagen machen, wenn ich es einfach nicht abschätzen kann, sondern gönne mir gerne den Luxus der Spontanität. Ich bin aber auch niemandem böse, wenn er mir dann sagt, dass er das nicht möchte und lieber mit jemandem anderen etwas plant. Mache ich eben was anderes … es lebe die Spontanität.
Aber ich schweife gerade ein wenig vom Weihnachtsmarkt ab… denn zum Zeitpunkt des Lesens wußte ich noch nicht, dass ich etwa eine Stunde später am Telefon hängen und wieder einmal einem Teil meiner unmittelbaren Umwelt Rechenschaft darüber ablegen sollte, was ich schon wieder gemacht habe und warum ich nicht aus dem stehgreif mit jedem Detail dazu aufwarten kann. Natürlich machen sie sich Sorgen und wollen nur das Beste für mich, aber vielleicht geht es mir mit dieser Entscheidung einfach gut, weil die Gründe für mich und eventuell auch nur für mich die richtigen waren.
Und in diesem Fall ist der Grund recht einfach, die Gelegenheit war da, das Endergebnis sieht gut aus und die Details sind festgelegt, warum sollte ich sie mir also alle merken… aber erklär das mal deiner Umwelt.
Zumindest ging mir der Text den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf und daher vielleicht eine Bitte:
Lasst eure Mitmenschen einfach sein wie sie sind, denn so lange sie damit glücklich werden und niemandem ernsthaft schaden, sind sie vielleicht die entspannteren Menschen.
…und danke Talianna, dass du bereits so ein Mensch für mich bist.