Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, meine Mediathek hier in Sachen Speicherplatz zu schonen, indem ich künftige Videos nachbearbeitet auf Youtube veröffentliche und dann hier verlinke. Da aber nun (bis auf acht Ecken des Teppichs im Bestrahlungsraum – da fehlen noch je vier Tile modified 2×2 in Dreiecksform in dark turquoise bzw. medium azure) auch die Ionentherapie fertig ist, muss ich doch nochmal…
Da ein paar Fragen aufkamen, als ich das Modell und das Video davon meinen Freunden gezeigt habe: Ionentherapie ist eine Form der Strahlenherapie in der Behandlung von Krebs. Dabei werden beschleunigte Protonen oder auch schwerere Atomkerne als Strahlung verwendet. Um zu erklären, warum das besonders ist, mache ich einen kleinen Exkurs in die „konventionelle“ Strahlentherapie.
Konventionelle Strahlentherapie verwendet beschleunigte Elektronen und bestrahlt den Tumor entweder mit den schnellen Elektronen oder mit der Strahlung, die bei deren Abbremsen in einem Metalltarget entsteht. Diese Bremsstrahlung entspricht besonders harter Röntgenstrahlung. Damit umgebendes Gewebe geschont wird und nur die Tumorzellen von der Strahlung zerstört werden, bestrahlt man meist aus mehreren verschiedenen Richtungen – eine bewegliche Strahlführung (Gantry) wird also benutzt. Brems- und Elektronenstrahlung richten aber auf ihrem Weg durch den Körper, während sie sich abschwächen, immer weniger Schaden an – würde ich aus einer Richtung bestrahlen und der Tumor sitzt in zehn Zentimetern Tiefe unter der Haut, würde die Haut und das zwischen Tumor und Haut liegende Gewebe mehr Strahlung abbekommen als der Tumor selbst. Daher die bewegliche Strahlführung.
Alternativ können auch radioaktive Stoffe genutzt werden – gebräuchlich sind Afterloading und das sogenannte Gamma-Knife. Im ersteren Falle wird (meistens in einer vorhandenen Körperhöhle) ein Applikationsschlauch gelegt, damit weder der Patient noch der Arzt lange der Strahlung ausgesetzt sind, bevor der Strahler am Ort des Tumors ist, und dann automatisch in dem Schlauch ein Strahler dorthin bewegt, dort kurz belassen und wieder zurückgezogen. Das eignet sich natürlich nur für Tumore, die nah an natürlichen oder chirurgisch schaffbaren Kanälen liegen. Das Gamma-Knife widerum setzt auf viele „kleinere“ Strahler, deren Strahlen sich an einem Punkt kreuzen – und diesen Punkt richtet man auf den Tumor. Wieder kriegt von jedem Strahler von außen die Haut mehr ab als der Tumor, aber durch das Überkreuzen wird dann doch der Tumor vor allem, das umgebende Gewebe weniger bestrahlt.
Daneben gibt es noch Therapie mit offenen, im Rahmen von Medikamenten in den Körper gebrachten radioaktiven Stoffen, zum Beispiel radioaktives Iod bei Schilddrüsenkrebs. Natürlich kriegt auch der Rest des Körpers dabei etwas ab, bevor das Iod in der Schulddrüse angekommen ist – aber das funktioniert dennoch recht gut.
Ionentherapie ergänzt die genannten Werkzeuge nun. Denn es gibt durchaus tief im Körper liegende Tumore, die von Gewebe umgeben sind, das unbedingt geschont werden muss. Es wäre also echt schön, wenn es Strahlung gäbe, die auf ihrem Weg zum Tumor wenig Schaden anrichtet, am Tumor selbst aber auf kurzer Strecke fast alle ihre Energie deponiert und somit an den Tumorzellen einen großen Schaden anrichtet. Elektronen, Bremsstrahlung, Gammastrahlung, sie alle verhalten sich nicht so. Wäre doch schön, wenn… indes, solche Strahlung gibt es. Atomkerne wie Protonen (Atomkern des Wasserstoffs) oder Kohlenstoff-Kerne… eigentlich alle Atomkerne haben nämlich die Eigenschaft, dass sie bei bestimmter Geschwindigkeit (oder eher Bewegungsenergie) „minimalionisierend“ sind. Sie bewegen sich also mit großem Tempo durch zum Beispiel gen Körper und geben nur ganz wenig Energie ab. Wären sie schneller, würden sie mehr Schaden anrichten, wären sie langsamer, ebenfalls.
Wenn man nun die Geschwindigkeit bzw. Bewegungsenergie der Ionen richtig wählt und sehr genau weiß, wie viel Gewebe zwischen der Haut und dem Tumor liegt, kann man dafür sorgen, dass die Ionen im zu schonenden Gewebe „minimalionisierend“ sind, aber mit diesem geringen Energieverlust genau am Beginn des Tumors so langsam werden, dass sie nicht mehr minimalionisierend sind – und binnen kurzer Strecke all ihre Energie abgeben und dabei am Tumor enormen Strahlenschaden anrichten. Diesen „Berg“ oder „Gipfel“ der Energieabgabe nennt man den Bragg-Peak. Den Bragg-Peak macht sich die Ionentherapie zu nutze – Protonen, Kohlenstoff-Ionen oder auch andere Atomkerne werden passgenau so schnell auf den Körper gestrahlt, dass sie beim Eindringen und bis zum Beginn des Tumors minimalionisierend sind und dann die Tumorzellen – bildlich gesprochen – regelrecht verbrennen. Leider ist die Methode aufwändig – man braucht dafür einen Teilchenbeschleuniger, und zwar einen etwas größeren als für konventionelle Strahlentherapie mit Linearbeschleuniger.
Natürlich kann man immer besser werden. Wie bei konventioneller Strahlentherapie kann man umgebendes Gewebe auch noch zusätzlich schützen, in dem man nacheinander von verschiedenen Seiten einstrahlt, die Strahlen haben dann ihren Bragg-Peak im Tumor und kreuzen sich im Tumor. Ionen ablenken ist aber ein bisschen aufwändiger als Elektronen ablenken…
Wenn Ihr nun nur Bahnhof verstanden habt, erklären Euch zum Beispiel die Seiten des Heidelberger Ionentherapiezentrums oder auch der Wikipedia-Eintrag dazu gerne mehr oder besser, als ich das hier kann. Genau vom Gantry, der beweglichen Strahlführung des Heidelberger Ionentherapiezentrums, habe ich mich aber inspirieren lassen, als ich an meinem Beschleuniger LAToyA CoRE das Particle Therapy System PaTSy gebaut habe. Und genau dieses ist heute fertig geworden:
Ein Kommentar zu „Und doch noch eins…“