Hilfsbereitschaft

Es ist scheinbar Konsens, dass die Leute einander nicht mehr helfen. Dass sie einfach vorbeirennen, dass sie zu sehr mit sich und ihren Problemen beschäftigt sind, um sich um andere zu kümmern. Diese Entwicklung ist eventuell nicht zu leugnen, aber sie ist nicht total.

Das durfte ich heute morgen erfahren. Bei mir machen die Kopfschmerzen ihrer Bezeichnung – Clusterkopfschmerz – mal wieder alle Ehre. Es clustert zur Zeit, ich habe heute wieder Schmerzen gehabt. Es gibt einige Auslöser, und ich habe diese Auslöser vom Dienstag vielleicht durch Sport in den Donnerstag verschoben, vielleicht war’s auch ein bisschen viel Kompensation durch Sport. Jedenfalls sehe ich den Auslöser für den aktuellen Anfall immer noch in einigen nicht schönen Dingen, die Dienstag passiert sind und meinem Mann sehr zusetzten – ich fühle mit ihm, wollte helfen und konnte es nur bedingt. Das setzte dann mir zu. Warum auch immer, jedenfalls wachte ich heute früh auf und es drückte in der rechten Schläfe, und zwar ganz schön feste. Da ich aber nicht davor kapitulieren wollte, dachte ich mir: Etwas frische Luft und der Weg zum Bahnhof wird’s schon richten! Ich machte mich also nach Tee und Frühstück auf zum Bahnhof. Tatsächlich wurde es für den Moment besser, aber in der Bahn dann wieder schlimmer. In Karlsruhe stieg ich zwei Stationen vor dem Kronenplatz aus, an der Werderstraße. Das hatte zwei Überlegungen zur Ursache: Einerseits hoffte ich, mit einem kleinen Spaziergang durch den kühlen, klaren Morgen die Schmerzen so zurückdrängen zu können, dass ich hätte arbeiten können – oder mich zumindest im Büro persönlich krank melden. Andererseits waren insbesondere am Albtalbahnhof einige Leute eingestiegen, die parfümiert oder anderweitig intensiv riechend waren. Zusammen mit den Kopfschmerzen war es zu viel für mich.

Ich stand also an der Werderstraße, lehnte mit dem Kopf gegen einen Laternen- oder Oberleitungspfahl und atmete die kühle Morgenluft ein und aus. Da kam die erste – eine Frau fragte, ob alles in Ordnung sei, ob ich Hilfe bräuchte. Ich sagte ihr wahrheitsgemäß, dass ich nur starke Kopfschmerzen hätte und es schon ginge. So richtig ging es dann aber nicht, und ich gab einen Teil meines Frühstücks wieder her, in die kargen Büsche zwischen Radweg und Bahnsteig. Da kam die zweite Frau und fragte, ob ich Hilfe bräuchte. Ich sagte ihr, dass ich nur wieder nach Hause müsse, mich mit der Idee, arbeiten gehen zu wollen, übernommen hatte. Sie fragte, ob ich Begleitung bräuchte, ich verneinte das und meinte auch, dass ich wohl nicht verlangen könne, mich wieder bis fast nach Rastatt zu bringen. Zumindest meinte ich das, wahrscheinlich habe ich nur gesagt, dass ich Richtung Rastatt wieder müsse und das schon alleine schaffen würde. Dass ich mich bei beiden Helferinnen bedankt habe, weiß ich aber noch, und das ist mir auch sehr wichtig! Ich meldete mich also per Mail vom Handy aus krank und fuhr nach Hause, wo ich ins Bett fiel.

Inzwischen ist es wieder fast gut, auch wenn ich ziemlich KO bin – obwohl ich den ganzen Tag im Bett lag. Aber ich bin beeindruckt davon, wie hilfsbereit die Menschen sind, wenn man so aussieht, als ginge es einem mies. Ich meine, mir ging es auch mies und wenn ich nur halb so fertig ausgesehen habe, wie ich mich fühlte, hätte ich mir auch Hilfe angeboten, wäre ich jemand anders gewesen. Dennoch – die Hilfeangebote sind eine Hoffnung in einer Zeit, in der die Hilfsbereitschaft zurückgeht. Ein Zeichen, dass sie noch da ist und wiederkommen kann. Ein GUTES Zeichen!

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