Auf freiem Feld

Heute stürmt es. So weit, so klar. Bis Windstärke neun war angesagt, ich machte mir da keine Gedanken. So ganz vage ist mir in Erinnerung, dass ich ein Symbol eines Blitzes unter der dunklen Wolke auf meiner Wetterapp gesehen hatte – aber hey, es stürmt doch nur, nicht?

Also lief ich los. Da ich mein Geld noch im Gürtel hatte, den ich aber beim Spaziergang zum Bäcker VOR dem Lauf nicht rum hatte, lief ich einen Umweg zur Bank und zum Bäcker, lud dann Geldbeutel und Brot nach knapp fünf Kilometern Lauf zuhause ab. Dann ging es wieder auf die Straße. Da der Wind aus Südwesten kam, eine lange Gerade meiner typischen Laufstrecken aber südwest-nordöstlich verläuft, führte mein Weg erstmal im Schutz der Häuser nach Südwesten – ich wollte auf der langen Gerade auf freiem Feld den Rückenwind genießen und mich von ihm tragen lassen. Nach einigen Kilometern war ich in Ötigheim, unterquerte die alte Bahnstrecke, überquerte B36 und neue Bahnstrecke und war auf meinem Weg – der Wind blies mit Macht von hinten. Nach der kleinen Biegung weg von der B36 lief ich sogar exakt mit dem Wind, der immer mehr auffrischte. Über dem Schwarzwald, nach rechts vorne geschaut, hingen graue Wolken mit Regenstreifen drunter, links von Frankreich kam’s düster. Ich dachte mir so: „Ich laufe parallel zum Wind, das zieht an mir vorbei, überholt mich und trifft bei Karlsruhe auf die Steigung zum letzten bisschen Schwarzwald oder später auf den Anstieg zum Kraichgau.“ Der Rückenwind ließ mich bei 150 Schlägen des Herzen in der Minute unter fünf Minuten pro Kilometer laufen, es war wie ein Rausch – fünf Kilometer über freies Feld, wie im Flug. Es wurde dunkler, dann kamen erste Tropfen von hinten. Egal! Ich laufe schnell, der Regen kommt von hinten, es ist noch immer warm von innen! Yay! Halt …

„War das ein Blitz?“, fragte ich mich. Dann kam der nächste Blitz und der Hagel klapperte in den Rücken. „Hagel? Echt jetzt? Was soll das denn?“, fragte ich mich. Aber es war nicht zu leugnen. Sturmböen, Hagel, Blitze. Der Donner war wegen des Pfeifens des Windes nicht zu hören – und ich war noch auf freiem Feld. Mir wurde mulmig. Ich drehte um, um anderthalb Kilometer weit zurück ins Dorf und nach Hause zu laufen – aber es kam anders. Die Sturmböen mit Hagelkörnern von vorne ließen mich nicht vorankommen, ich bog ab und stellte mich im Windschatten eines Bauernhauses hin, während der Sturm noch mehr aufdrehte, es erst richtig anfing zu hageln und die Welt unterzugehen schien. Als ich gerade mein Handy rauszog, um meinen Mann zu bitten, mich abzuholen, kam schon seine Mitteilung: „Soll ich Dich abholen?“ Dann bat mich die Dame des Bauernhauses aus dem Regen in ihre Küche, angemaunzt von einem schwarzen Kater unterhielt ich mich mit ihr und lotste dann meinen Mann zu dem Hof, wo er mich mit dem Auto abholte.

Wie zum Hohn fuhren wir beim Aufklaren in den Ort und die Sonne kam strahlend heraus, als wir im Ort in unsere Straße abbogen. Ich lief aber nicht wieder los – mir wurde langsam kalt. Ein Wintergewitter auf freiem Feld – das ist mal ein Gefühl von Gefahr!

3 Kommentare zu „Auf freiem Feld

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