…ist plötzlich Bewegung auf dem Bahnsteig. Das irritiert mich schon eine Weile, obwohl ich es selbst auch mache. Allerdings verstehe ich nicht, warum ich es tue, daher wird die Irritation eher größer.
Aber was meine ich eigentlich genau? Das ist soweit ganz einfach. Meist warten ja bereits einige Leute auf dem Bahnsteig, wenn die Bahn kommt. All diese Leute gehen dann los, wenn die Bahn einfährt – aber BEVOR sie gestoppt hat, also bevor klar ist, wo sie genau halten wird. Die Bewegung der Leute geht auch in der Regel nur minimal auf die Bahn zu, sondern meist deutlich mehr als einen Türenabstand längs des Bahnsteigs. Wohlgemerkt weiterhin, bevor genau klar ist, wo die Bahn hält, zumindest nicht klarer als ohnehin schon.
Bei Zügen aus mehreren, nicht begehbar verbundenen Garnituren verstehe ich gut, warum man in einem bestimmten davon sitzen möchte. Meine S7/S8 zum Beispiel fährt morgens mit drei Fahrzeugen nach Karlsruhe, der hinterste Wagen wird im Albtalbahnhof abgehängt. Wer, wie ich, tiefer in die Stadt will, muss am Albtalbahnhof umsteigen, und innerhalb des Zuges unter aussteigen Fahrzeug wechseln ist doof. Dass man nicht immer daran denkt, sich gleich richtig zu positionieren, oder noch gar nicht weiß, wie der Zug aussehen wird, verstehe ich. Aber wenn zuverlässig ein Fahrzeug kommt, da auch der Bahnsteig gar nicht lang genug für mehr wäre, man überall in denselben Fahrgastraum einsteigen könnte, aber plötzlich, wenn der Zug kommt, sich hektisch nochmal umpositioniert, ist das irgendwie unnötig. Erst recht, wenn in der Feinabstimmung die (nunmehr) nächste Tür doch wieder drei, vier Meter weg ist.
Heute lief eine Frau auf dem Bahnsteig von vier Meter „hinter“ mir in Zug-Koordinaten vor auf ungefähr acht Meter vor mir – musste nochmal zwei Meter weiter gehen zur Tür des stehenden Zuges und ging im Zug so weit hinter, dass sie zwei Sitze vor mir letztlich ankam …
… und sowas habe ich auch schon gemacht und mich gefragt, was zum Henker das soll.
Ein vom Unterbewusstsein gesteuertes Mitschwimmen im Kollektiv der Gruppe, das vereintlich Schutz bietet, aber mit der partiellen Aufgabe der eigenen Person einhergeht?! 🙂 ist natürlich schwachsinn Murks… 🙂
Aber zu der Thematik, warum du das Verhalten auch zeigst, obwohl du dir bewusst bist, dass es eigentlich nichts bringt, fällt mir gerade spontan ein Experiment ein – ich kann mich an eine Reportage erinnern, da hatte man einer Gruppe von Probanden irgendeinen simplen und eindeutigen Sachverhalt (bsp. ein rotes Auto fuhr durch das Bild) gezeigt und im Anschluss in einem Gruppengespräch jeden aus der Gruppe danach gefragt, welche Farbe das Auto im Film gehabt hatte. Unter den 10 Teilnehmern in diesem Gesprächskreis waren allerdings 9 in das Experiment eingeweiht und nur ein Teilnehmer wusste von all dem nichts. Jedenfalls haben die 9 Eingeweihten in dem Gespräch überzeugend gemeint, dass das Auto blau gewesen wäre, woraufhin die Testperson zwar zunächst sichtlich irritiert war, aber dann als sie befragt wurde, auch die falsche Antwort gegeben hat, nämlich dass das rote Auto blau gewesen ist – wohlmöglich so ein gruppendynamisches Evolutionsding und vlt. auch der Versuch nicht aus der Masse herauszustechen bzw. anzuecken bzw. Sich innerhalb der Gruppe zu isolieren?! Die genauen Erklärungsansätze sind mir nicht mehr bekannt – für näheres fragen sie den Sozialpsychologen ihres Vertrauens 😉
Wenn es Gruppendynamik war, dann basiert sie auf unbewusster Wahrnehmung. Mir war gar nicht bewusst, dass ich es mache, bevor es mir an anderen auffiel. Inzwischen mach‘ ich‘s auch fast nicht mehr.
Prinzipiell ist die Erklärung gut, warum so viele diesen Aktionismus entwickeln. Woher‘s ursprünglich kommt, würde mich dennoch separat davon interessieren.
Naja, eigentlich ist bei den Bahnen in Karlsruhe schon immer relativ klar, wo genau sie halten werden.
Denn an den Bahnsteigen gibt es „H“-Zeichen (schwarzes H auf weißem Rechteckschild oder manchmal auch eine weiße Bake mit schwarzem H im Gleis auf einer Schwelle) – und dort kommen die Bahnen recht genau zum Stehen.
Und in der Anzeige für die nächste ankommende Bahn ist auch vermerkt, ob es ein einteiliger oder zweiteiliger Zug ist.
Bei der S2 heißt zweiteiliger Zug eigentlich immer: zwei Sechsachser.
Beim einteiligen kann es nun entweder ein Achtachser oder ein NET2012 sein, in dem Fall verschieben sich die Türpositionen je nach Fahrzeug.
Also vielleicht gibt es neben den irrationalen Bewegungen auch Fahrgäste, die mit diesen Informationen versuchen, ihre Position zu optimieren.
Schon klar, deswegen staune ich ja so über diese Beobachtung.
Eine sehr gute Frage, das ist in Wien genauso 🙂
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