Fair oder nicht?

Ich wollte diesen Beitrag erst „Caster Semenya und ich“ nennen, das fand ich dann aber doch zu reißerisch. Um was es geht?

Nun, ich fange mal am Anfang der Überlegung an. Am Sonntag auf der Badischen Meile habe ich mit dem 221. Platz insgesamt und dem 13. Platz der Frauen durchaus einen Bereich erreicht, den zu erreichen ich nie erwartet hatte. Als wäre das nicht genug, kam später noch eine Mail, die mich aufgrund meiner Leistung bei der Badischen Meile zu einem Wettkampf einlud, auf dessen Webseite ich bei kurzer Recherche unter anderem der Satz „Dein Weg zur EM und WM“ vorfand. Nicht, dass ich mir einbilden würde, damit etwas zu tun haben zu können, ich würde unter „ferner liefen“ stehen, aber schon der Punkt, dort aufgrund meiner 37:08 auf der Badischen Meile verbilligt hin eingeladen zu werden …

An dieser Stelle setzte die Frage ein: „Wäre das nicht unfair?“ Dafür muss ich etwas weiter ausholen. Ich trage das nicht übermäßig vor mir her, weil es nun nicht unbedingt meine Beziehungen zu Menschen definiert, aber ich mache auch kein Riesengeheimnis draus, dass ich „mal Probleme mit dem Hormongleichgewicht hatte“. Das ist ein bisschen ein Euphemismus dafür, um was es eigentlich geht. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass mein Körper nicht gemäß meiner Identität aufgebaut war und dementsprechend viel zu viele männliche Sexualhormone, vor allem Testosteron, in meinem Körper kreisten. Das letztere verbindet mich mit Caster Semenya, die zeitweise Hormontherapie zur Senkung des Androgen-Spiegels machen musste, um als Läuferin anzutreten. Wo Caster Semenya eine Therapie machen musste, von 2013 bis 2015 und inzwischen wohl wieder, um als Frau bei den Frauen auf Mittelstrecke anzutreten, gehören ein Eingriff, der der Testosteron-Produktion ein Ende machte, und eine Hormontherapie fest zu meinem Leben, um ein normaler, glücklicher Mensch zu sein. Seit über sieben Jahren ist somit der zu hohe Testosteron-Spiegel für mich kein Problem mehr, seine Effekte auf die Leistungsfähigkeit haben sich längst verwaschen, die auf den Körperbau leider nicht ganz. Dennoch frage ich mich: Habe ich aus der Zeit, in der mein Körper von Testosteron leistungsfähiger und mein Geist vom selben Hormon verrückt gemacht wurde, noch leistungstechnische Vorteile?

Deswegen habe ich mal gesucht und bin über mehrere Beschlüsse des Internationalen Olympischen Komitees gestolpert. In den entsprechenden Beschlüssen geht es oft sowohl um den Hormonspiegel als auch um Transsexuelle und Transgender im Sport. Der Konsens von 2015, den ich zuletzt gefunden habe, macht es am Testosteronspiegel mindestens ein Jahr vor dem ersten Wettkampf und an der eigenen Identifikation der Sportlerin fest, ob sie bei den Frauen starten darf.

Bei den Männern, die in Sachen „Erbringung sportlicher Leistung“ durch ihre Hormonausstattung eben doch im Vorteil sind, darf man immer starten, wenn man das will. Ob man nun aber eine bei den Frauen zum Starten berechtigte Frau ist, macht sich daran fest, einen gewissen Androgen-, sprich: Testosteron-Spiegel zu unterschreiten – nicht immer im Leben, sondern mindestens ein Jahr vorher und gegebenenfalls auch länger vor den Wettkämpfen.

Dass ich das erfülle, wird kontrolliert – nicht, um meine Leistungsfähigkeit einzuschätzen, sondern als Kontrolle der Therapie. Am Ende des Tages wird es sicher irgendwen geben, der schon eine gewisse Zeit, in der man in der Vergangenheit nicht dem weiblichen Hormonspiegel entsprochen hat, als unfairen sportlichen Vorteil sieht. Das IOC sieht das nicht so, sondern macht es an einer längerfristigen Einhaltung einer Androgen-Obergrenze fest. Das hat Nachteile, weil das Sexual-Hormon-Spektrum nicht nur zwei Pole (männlich und weiblich) hat, sondern vieles dazwischen, Frauen mit außergewöhnlich hohen Testosteron-Spiegeln nun aber entweder als Männer starten oder Hormontherapie machen müssen. Das ist nicht schön für Frauen, die zwischen dem durch die Androgen-Obergrenze definierten Pol „weiblich“ und dem anderen Pol „männlich“ liegen, wie zum Beispiel Caster Semenya. Ich dagegen darf mir sagen, dass zumindest gemäß der Regeln bei mir alles mit rechten Dingen zugeht – und würde somit auch regelgerecht auf einem Podium bei den Frauen stehen, wenn ich noch zehn Plätze besser gewesen wäre.

Das hat natürlich auch mit meinem früheren Beitrag zu Doping zu tun, war aber hier eine etwas konkretere Überlegung.

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