Nachdem ich gestern den Beitrag zur natürlichen und auch zivilisatorischen Strahlung veröffentlicht habe, sprach mich eine Freundin an. Sie wies mich darauf hin, dass ich über die zivilisatorische Strahlung weniger geschrieben hatte als über die natürliche. Das hatte einen Grund – der Beitrag enthielt ohnehin schon eine Menge Zeug, das mir zwar vertraut ist, aber vielleicht so manchem anderen nicht so geläufig ist.
Daher möchte ich heute noch ein bisschen auf die zivilisatorische Strahlenexposition in Deutschland eingehen. Dabei lasse ich mal Tschernobyl sowie Forschung, Technik und Haushalt weitgehend weg. Wie im oben verlinkten Beitrag zu sehen, ist dieser Anteil sehr gering. Zur Erinnerung noch einmal das entsprechende Diagramm:
Kommen wir also zu den Beiträgen, die hier in Blau, Schwarz, Lila und Grau markiert sind. Ich fange mal „historisch“ an: Mit dem schwarzen Kuchenstück.
Die Röntgendiagnostik gehört zu den wichtigsten Diagnose-Werkzeugen der Medizin. Bereits 1896, ein Jahr nach der Entdeckung der Röntgen- oder auch X-Strahlen durch Wilhelm Konrad Röntgen, wurden erste Röntgenaufnahmen gemacht. Zuerst konnte man vor allem Knochen darstellen, weil das meiste Fleisch für Röntgenstrahlung viel durchsichtiger ist als die Knochen. Mit der Zeit kamen die Mediziner aber darauf, dass man mit niederenergetischer Röntgenstrahlung auch Muskel von Fett, Blut in Adern von umgebendem Gewebe und so weiter unterscheiden kann. Allerdings: Je dicker die Stelle des Menschen, die der Arzt durchleuchten will, und je ähnlicher die Arten von Gewebe, die der Arzt unterscheiden möchte, um so mehr Strahlendosis bekommt der Patient. Am einen Ende der Skala steht der Zahnarzt: Zähne gegen Zahnfleisch ist ein exzellenter Kontrast, es müssen nur ein paar Zentimeter durchstrahlt werden. Auch wenn Röntgen beim Zahnarzt und Röntgen zur Darstellung der Knochen sehr häufige Untersuchungen sind, tragen sie sehr wenig zur Dosis des Menschen bei. Will ich dagegen – im anderen Extrem – mitten im Rumpf Adern gegenüber dem Herzmuskel darstellen, wenn im Falle eines Herzinfarkts operiert wird, ist viel Körper zu durchstrahlen und der Kontrast zwischen Muskel und Blut ist schwach. Diese Röntgenaufnahmen sind absolut überlebensnotwendig für den Patienten – wären sie es nicht, würden die Ärzte diese Aufnahmen sehr wahrscheinlich für nicht gerechtfertigt halten.
Um den Kontrast zwischen verschiedenen Geweben zu verbessern, wenn man auf der Suche nach einer Veränderung – zum Beispiel Krebs – Röntgendiagnostik anwendet, kann ein Kontrastmittel zum Einsatz kommen. Dieses absorbiert Röntgenstrahlung sehr gut – macht also zum Beispiel den Dickdarm-Inhalt undurchsichtig für Röntgenstrahlung, so dass man ihn von der umgebenden Darmschleimhaut unterscheiden kann. Kontrastmittel strahlen nicht selbst, aber sie streuen Röntgenstrahlung. Unter anderem deswegen wird das vom Kontrastmittel durchdrungene Material ja undurchsichtig für Röntgenstrahlung – aber die gestreute Röntgenstrahlung verstärkt die Dosis für den Menschen etwas. Ohne solche Kontrastmittel könnte man die entsprechenden diagnostischen Röntgenaufnahmen aber gar nicht machen – und damit eventuell damit aufzufindende Krankheiten nicht entdecken.
Klassisches Röntgen ist in seiner Bedeutung für die Strahlenexposition seit mindestens zehn Jahren beständig rückläufig. Auch das graue Kuchenstück beinhaltet Röntgen-Methodiken, hier ist allerdings in den Berichten nicht klar zugeordnet, ob es „klassisches“ Röntgen oder Computertomographie ist.
Der größte Brocken aus der Medizin ist die Computertomographie (CT). CT ist im Prinzip auch nur Röntgen, nur dass sehr schnell hintereinander aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen wird und so Schichtbilder des Menschen zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden können. Das ist ein sehr mächtiges Werkzeug für den Arzt, weil der eventuelle Krankheiten sehr genau eingrenzen und sehr gezielt therapieren kann. Im Prinzip ist das so ähnlich wie 3D-Kino, nur wesentlich genauer und ohne das Auge austricksen zu müssen. Der Nachteil am CT ist, dass man eben sehr viele digitale Röntgenaufnahmen machen muss, so dass einmal im CT etlichen konventionellen Röntgenaufnahmen desselben Teils des Körpers entspricht. Außer der Ader-Darstellung bei den oben genannten Herzinfarkt-OPs oder ähnlichem sind CTs eindeutig sie medizinischen Diagnose-Verfahren mit der meisten Dosis für den Patienten.
Die nuklearmedizinischen Diagnostik schließlich verwendet keine Röntgenstrahlung. Hier werden radioaktive Stoffe benutzt. Diese verfolgen nach, wo und wie bestimmte Stoffe im Körper verbraucht werden, erlauben also, eine Karte des Stoffwechsels anzufertigen. Nuklearmedizinische Diagnostik fasst in erster Linie drei Verfahren zusammen: Szintigraphie, Single-Photon-Emission-Computed-Tomographie (SPECT) und Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Allen drei gemeinsam ist, dass man einen radioaktiven Stoff an ein Enzym, einen Zucker, an irgendetwas, das der Körper braucht, dranhängt. Man benutzt die radioaktiven Stoffe quasi als Farbstoff – und so findet man heraus, wo der Körper diesen Stoff verbraucht. Da zum Beispiel Krebszellen sehr viel von bestimmten Stoffen verbrauchen, kann man mit dieser Methode Krebszellen sehr gut auffinden – gerade auch Metastasen und besonders auch dann, wenn zwischen Tumor und umgebendem Gewebe kein für Röntgenstrahlung sichtbarer Kontrast existiert. Die Szintigraphie liefert zweidimensionale Bilder wie der klassische Röntgen, SPECT und PET sind Tomographie-Verfahren, die aus Schichtbildern zusammengesetzte dreidimensionale Darstellungen liefern.
Wem jetzt auffällt, dass ich gar nicht über Strahlentherapie geredet habe, der hat recht. Strahlentherapie ist im Verhältnis zu den Diagnose-Methoden selten, dann sind die Dosen aber unter Umständen recht hoch. Das ist kaum seriös statistisch abbildbar, da die Strahlendosis sehr individuell von Art, Ort und Therapiemethode des Tumors abhängt. Deswegen fehlt dieser Anteil in dieser Erhebung.
Generell sind alle diese Verfahren, damit sie angewendet werden dürfen, einer Prüfung zu unterziehen. Man nennt das Rechtfertigung und das steht auch so in der Strahlenschutz-Gesetzgebung. Damit ein Verfahren verwendet werden kann, muss nachgewiesen werden, dass es – vereinfacht gesagt – mehr Menschen vor einem vorzeitigen Tod oder Leiden rettet, als es durch die Strahlendosis verursacht. Dieses Prinzip ist auch der Grund, warum medizinische Anwendungen nicht beim Patienten nicht vom Grenzwert betroffen sind. Wenn etwas hilft – und mehr hilft, als es schadet – soll es nicht an einem Grenzwert für die allgemeine Bevölkerung scheitern. Für wen der Grenzwert aber sehr wohl gilt, sind behandelnde Ärzte, Pfleger und weiteres Personal, die beim Röntgen, in der Nuklearmedizin und so weiter arbeiten. Diese arbeiten unter Strahlenschutz und müssen einen Grenzwert einhalten. Dieser ist aber höher (bis 20 Millisievert pro Jahr) als der für die allgemeine Bevölkerung, sonst könnten diese Personengruppen ihre Aufgaben gar nicht erfüllen. Allerdings werden beruflich strahlenexponierte Personen auch auf ihre Dosis (monatlich eingeschickter Dosimeter) und ihre Gesundheit (jährliche Strahlenschutzuntersuchung) überwacht, um bei einem Anzeichen von Auswirkungen ihrer beruflichen Strahlenexposition sofort gegensteuern zu können.
Ich kann mich dran erinnern, dass man früher immer gefragt wurde, wann das letzte Mal geröntgt wurde – wegen der zu verkraftenen Dosis.
Kommt drauf an, wo und wie man geröntgt wurde – kann schon etwas Dosis geben. Aber wenigstens gibt es so Unfug wie Röntgengeräte zum Messen der Passform von Schuhen nicht mehr …
Echt… so etwas gab es auch?? Ich brech zusammen…
Muss mal Bilder raussuchen 🙂
Mach mal 🙂
Ich habe einen Beitrag zum Thema gefunden – den verlinke ich mal hier:
http://www.technoseum-blog.de/?p=1232