Es gibt viele Dinge, die ich machen will, machen sollte und machen muss. Vieles davon ist in gewisser Weise nicht wert, es in den Kalender einzutragen – oder zu banal, um sich damit den Kalender vollzumüllen, so dass man die wichtigen Termine nicht mehr sieht. Oft sind es Aufgaben oder Aufgäbchen, die schon an sich eine Belohnung sind, wenn man sie aus dem Kopf hat – aber sie dann in den Kalender zu nehmen und zu streichen, das ist doch komisch. Einen Kasten mit ToDo-Kärtchen, die man dann zerreißt, will man auch nicht dauernd durch die Gegend transportieren …
Also stellt sich die Frage: Wie werte ich das Erledigen dieser Aufgaben und Aufgäbchen, die im geschäftlichen Kalender nichts zu suchen haben und den privaten nur zumüllen, für mich persönlich auf und welches Gerät benutze ich dafür?
Die Frage nach dem Gerät ist ganz einfach zu beantworten. Natürlich ist die Maschine der Wahl für so etwas ein mit dem Internet verbundener, stets mitgeführter Computer … das Smartphone. Auf die Frage, wie solche Erfüllungen von Aufgaben aufzuwerten sind, wo die Aufgaben ja an sich schon durch ihr Erledigen eine Belohnung darstellen, gibt es viele Antworten. Ich für meinen Teil nehme Befriedigung und auch einen Teil (zumindest mentale) Gesundheit daraus mit, jeden Tag einmal in einem Buch zu lesen. Meiner körperlichen Gesundheit kommt es entgegen, viel Wasser zu trinken, Süßgetränke einzuschränken und jeden Tag 8000, besser 10000 Schritte zu gehen, die ich ja über meinen Schrittzähler nachweise. Dazu möchte ich eigentlich am Vorabend eines Arbeitstages vor Mitternacht im Bett sein, Wege zu Fuß erledigen, sofern es irgend geht, das Auto sinnvoll stehen zu lassen. Mehr oder minder jeden Tag bloggen würde ich auch gerne, Dinge im Haushalt erledigen … im Moment letzteres sogar vestärkt, da zwar mein Mann generell Arbeitszeit reduziert hat und daher den Großteil des Haushalts erledigt, aber derzeit aufgund großen Workloads auf seiner Arbeit vorübergehend wieder wie in Vollzeit arbeitet. Da sammelt sich so manches, und oft sitzt man dann doch da, lenkt sich ab und macht’s nicht, weil die Erledigung der Aufgabe an sich nicht genug Belohnung ist, um den inneren Schweinehund zu überwinden.
Es gibt weitere Dinge – zum Beispiel, sich um die langen Läufe für meine Halbmarathon- und spätere Marathon-Vorbereitung zu kümmern. Aus Gründen, die ich hier schonmal erklärt habe – Laufen ist nur ein Hobby, ich habe sehr viel Regelmäßiges in meinem Wochenplan, da passt nicht auch noch ein starrer Trainingsplan rein – mache ich das eben genau nicht mit einem starren Trainingsplan. Dann sind da Rezepte, medizinische Vorsorge-Termine oder auch nur Telefonate, bei denen man nicht genau weiß, was einen erwartet – ob der andere einen akustisch versteht, ob man ihn versteht, was er alles voraussetzt … kurz: Zeug, das man gerne mal vergisst oder verschiebt und sich dann ärgert, weil es einem doch immer wieder auf die Füße fällt.
Sicher gibt es viele Wege, diese Probleme zu lösen. Disziplin und mal endlich geistig Erwachsenwerden, zum Beispiel. Das ist für mich keine Option … oder auch: Ich probier’s, aber es geht nicht ohne Hilfsmittel zusammen mit dem Erhalt vieler Dinge, die das Leben für mich bereichern. Zu Beginn des neuen Jahres allerdings schlug eine Freundin etwas vor, das sie selbst benutzt, um ihre Vorsätze zu erfüllen: Organisierter werden. Das Ganze nennt sich Gamification. Man definiert sich selbst seine Aufgaben, die man erledigen möchte oder sollte – und wird bei Erledigen derselben mit Erfahrungspunkten, Gold, Zufallsbeute und Fortschritt auf der Quest eines fiktiven Charakters belohnt. Konkret haben wir das mit der App und Web-Version von Habitica realisiert – und so kämpft nun eine Gruppe von fünf sehr unterschiedlichen Helden in Pixelgraphik mit Hilfe der Erledigung der Aufgaben des Alltags gegen Bossmonster, sammelt Questgegenstände und so weiter.
Niemand kann sehen, an welchen Zielen ich mich messe – ich definiere, verwalte und sehe sie nur selbst. Theoretisch kann ich mir definieren, dass auf die Toilette zu gehen, wenn ich muss, und nicht nervöser werdend im Büro sitzen als gute Gewohnheit definieren und jedes Mal Erfahrung und Belohnungen einstreichen, wenn ich es tu – und Schaden nehmen, wenn ich es nicht tu. Diese Gewohnheit habe ich mir allerdings nicht als abprüfbares Dings definiert. Mit dem Spiel habe ich mir aber viele Gewohnheiten – gute für Erfolge, schlechte mit Schadenswirkung auf meine Spielfigur verknüpft. Ich habe mir ein paar tägliche Aufgaben gesetzt, für deren Nicht-Erledigung am Ende des Tages meine Spielfigur Schaden nimmt – und wenn wir einen Bossgegner bekämpfen, macht dieser an der Gruppe Schaden, wenn einer seine Dailies nicht erledigt. Das Schöne daran ist: Man misst sich nur an den selbst gestellten Aufgaben – und wenn man der Gruppe und auch der eigenen Spielfigur nicht zu sehr schaden will, setzt man sich erreichbare Ziele, die dann noch motivierender sind. Alles, was ich weiter oben genannt habe, sind Gewohnheiten, tägliche Aufgaben oder ToDos, die ich mir in Habitica definiert habe. Und so kämpft mein Alter Ego Alianna vom Schmiedbach gegen Bossmonster und ich gegen das Vergessen oder Verdrängen der Dinge, die mir gut tun.
Wichtig ist mir – da das schon Debatten mit Freunden ausgelöst hat – dass hier nicht wirklich Gruppenzwang besteht. Niemand sagt mir, welche Aufgaben ich definieren sollte, niemand SIEHT meine Aufgaben. Einzig über den Schaden des Bossmonsters, das zuschlägt, wenn einer der Gruppe seine Dailies nicht erledigt hat, hat das Erreichen oder Nicht-Erreichen meiner selbstgesteckten Ziele Einfluss auf die anderen. Aber hier kommt zum Tragen, was ich ebenfalls bedeutend finde: erreichbare Ziele zu setzen, denn das kommt auch der eigenen Motivation entgegen, nicht nur dem Vorankommen der Gruppe. Um das Ganze in Begriffen zu formulieren, die vielleicht etwas „förmlicher“ sind: Ich definiere mir Vorgehensweisen, die gut für mich oder wichtig für mein Vorankommen in Leben und Alltag sind – ordne sie ein: sind sie schwer oder leicht zu erfüllen, muss ich sie generell irgendwann tun, haben sie eine Frist, muss ich sie täglich tun? Oder sind es nur gute Gewohnheiten, die auch mehrfach am Tag passieren sollten, aber nicht jeden Tag müssen? An diesem Plan, quasi an meinen selbstgesetzten Meilensteinen, messe ich meinen Erfolg – und werde für das Erreichen der Meilensteine mit Fortschritte meiner Spielfigur belohnt. Quasi ein Gewohnheits- und Aufgabenerfüllungs-Handbuch (analog zu einem Qualitätssicherungshandbuch) mit Dokumentation und Belohnung. Mir hat das sehr geholfen, um gute Gewohnheiten, gute Tätigkeiten zu forcieren – aber ich werd’s uneingeschränkt empfehlen, weil’s sicher die Sache jedes Einzelnen ist, wie er oder sie sich selbst dazu bringt, besser zu sich selbst zu sein.
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