Als Pendlerin auf verhältnismäßig langer Strecke – bis jetzt auf jeden Fall, ab kommendes Jahr immer noch, wenn auch etwas kürzer – bin ich ja der Tendenz nach nicht zu sehr an die Läden und Etablissements in meinem Ort gebunden. Ob mein Supermarkt nun in Rastatt, Malsch oder im heimischen Bietigheim läge, wäre mir eigentlich egal – so lange er nur auf dem Heimweg liegt. Schwere Getränkekästen will man ohnehin nicht zu Fuß schleppen, ob’s nur anderthalb oder acht Kilometer sind. Beim Drogeriemarkt kommt’s auf die Verkehrssituation an, ob mir der in Rastatt oder der in Durmersheim näher liegt. Zumindest im Prinzip.
In der Praxis schaffe ich es meistens nicht, alles auf einmal zu bedenken. Manchmal möchte ich spontan etwas Anderes essen als das, was da ist. Vielleicht brauche ich auch ganz plötzlich neue Creme oder eine neue Zahnbürste. Um mal ein Eis essen zu gehen, abends ein nettes Essen im Restaurant zu bestellen, statt selbst zu kochen oder gemütlich einen guten Kaffee zu trinken, möchte ich eh das Auto nicht herausholen – so sehr ich an’s Autofahren gewöhnt bin. Das ist nicht nur eine ökonomische und ökologische, sondern auch eine Bequemlichkeitsfrage. Richtig toll wäre natürlich, auch zum tanzen gehen nur zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, aber das ist mit meinem Musikgeschmack einfach nicht drin, weil die Clubs in der Stadt liegen und mit Umsteigen nach Hause zu fahren durchaus unentspannt ist, wenn man mitten in der Nacht nach Hause will.
Ich bin nicht sicher, warum ich das zur Zeit so bewusst wahrnehme, aber ich entdecke immer wieder tolle Locations in meinem Heimatort Bietigheim, vor allem, wenn ich ihn spazierengehend erkunde oder einfach irgendwas erledige. So spazierte ich neulich zu meiner Frauenärztin nach Durmersheim – sind ja nur 3,3km und das Wetter war zumindest trocken. Als ich mit dem Rezept in der Handtasche der Bernardus Apotheke sowie der Post für das Abschicken eines Briefs meine Aufwartung machen wollte, war es 14:00, Apotheke und Schreibwarenladen mit integrierter Post machen erst 14:30 wieder auf. Also erinnerte ich mich an den Tipp meiner Schwägerin, dass es ein Café mit eigener Kaffee-Rösterei im Bahnhof gäbe – und siehe da: bei Erbolino bekam ich einen hervorragenden Espresso, ein nettes Gespräch und einen Unterstand gegen den Regenguss, der mich sonst überrascht hätte. Künftig wird’s auch meinen Kaffee von dort geben, denn wenn ich zum Kaffee kaufen einen Spaziergang machen kann und nicht mit dem Auto los muss, ist das ein Stück Lebensqualität. Wenn’s Hunde und Katzen regnet, kann ich immer noch die deutlich kürzere Strecke innerhalb des Dorfes mit dem Auto fahren. Eis essen im Dorf geht ja mit dem Eiscafé Cimino, bald gibt’s neben dem Edeka im Ort wohl auch einen DM. Dann muss ich nicht für eine Dose Creme vom südlichen Ende Bietigheims an das nördliche Ende Durmersheims fahren (was zu Fuß ganz schön weit und damit lang wäre) oder nach Rastatt … All diese Entdeckungen, die ich über mehr Spazierengehen gemacht habe, versüßen mir das Spazierengehen noch weiter. Ja, vielleicht ist tatsächlich sogar der Schrittzähler „schuld“ daran, dass sich das alles gegenseitig verstärkt, kombiniert mit einer gewissen Autofahrmüdigkeit aufgrund des hohen Pendel-Fahrten-Kilometer-Aufkommens.
Ich erlebe hierin eine gewisse Tendenz: Machte das Internet gemeinsam mit Rechnern und Bringdiensten einen zunehmend unabhängig von Vor-Ort-Services, die aufgrund großer Märkte und Ketten ohnehin auf dem Rückzug waren, findet man dank mobilem Internet und das Rausgehen unterstützenden Apps und Gadgets in zunehmendem Maße wieder die lokalen Anbieter – die damit natürlich auch wieder mehr Publikum bekommen und sich somit auch eher wieder rechnen. Ob das nun Pokémon Go ist (das ich nicht spiele), oder ein Fitness-Tracker mit Schrittzähler, wie ich ihn besitze, oder eine intensive Unterstützung von Bewertung und finden lokaler Anbieter bei z.B. Google oder auch Bewertungsplattformen, das mobile Internet kehrt zumindest in mancher Hinsicht die Tendenz um, dass das (feste) Internet einen zuhause oder bei großen, zentralisierten Anbietern landen ließ. Und das, finde ich, ist eine gute Entwicklung. An mir persönlich wie auch generell.
Guten Abend Talianna,immer wieder ein Vergnügen deine Reportagen zu lesen,nichts als Realität nur ohne RTL2;) tolle Eindrücke die jeder von uns erlebt wenn er/sie offen ist für die kleinen aber nicht minder wichtigen Dinge im Alltag,am 24.10. habe ich ein Treffen mit den Vertretern von ALTRA,selbstverständlich werde ich von deinem Halbmarathonerlebnis berichten wenn ich darf;)!ganz liebe Grüsse an euch beide und vielleicht beim nächsten Lauf,Petar
Na klar darfst Du von meinen Erfahrungen mit den Escalante verweisen 🙂 Würde mich sehr freuen.
Ich versuche, für Eindrücke offen zu sein – oft klappt’s, oft auch wegen zu viel „Alltag“ und zu viel Stress auch wieder nicht.
Vermutlich tauchen wir die Tage mal wieder bei Euch auf – mein Mann hat die Escalante ausprobiert und fand sie klasse 🙂 Ich muss auch mal gucken, ob ich an der Kilometerfresser-Challenge teilnehme – Lust hätte ich, aber heute Abend war wegen des Pendel-Stresses von Stuttgart heim an nichts anderes als kurz Laufen und dann Sofa zu denken, obwohl eigentlich Teezeremonie auf dem Plan stand.