Abhängigkeit

Samstagabend, in einer kleinen Straße in einem kleinen Ort, irgendwo zwischen Karlsruhe und Rastatt. Ein Ehepaar liegt auf dem Sofa und schaut einen Disney-Film an, sie hat Taschentücher neben sich liegen – er auch, aber aus anderen Gründen: Sie weiß, sie wird während des Films heulen. Er ist verschnupft.

Er drückt den Pause-Knopf und will auf die Toilette gehen, schiebt seine auf’s Sofa geholte Bettdecke zur Seite und stellt fest: Im Bad geht das Licht nicht. Auch in der Küche nicht. Der Kühlschrank funktioniert nicht. Rasch werden Sicherungskästen gecheckt. Im Wohnzimmer und in einem weiteren Zimmer allerdings gehen Licht und Strom nicht – schließlich laufen auch Blueray-Spieler und Fernseher mit „Beauty and the Beast“ noch … ebenso Licht und ein Rechner, allerdings verliert dieser gerade Verbindung zum Netz. Als das Paar den Haussicherungskasten prüfen will, steht bereits mit Taschenlampe und Trittleiter der Nachbar von obendrüber davor und checkt Sicherungen, da es bei ihm genauso ist …

Was also ist geschehen? Genau. Zwei Phasen des Drehstroms sind weg. Eine dritte ist noch da.  Ein partieller Stromausfall – zunächst nur für das Haus verifiziert. Der gemeinsame Verwandte am Ende der Straße hat noch Strom – aber mit der Zeit stellt sich heraus, dass die direkten Nachbarn auch keinen Strom haben. Als erster Verdächtiger ist die Baustelle am Anfang der Straße ausgemacht. Nach einigem Hin und Her – zumal das mobile Netz in der Straße schwach ist und das Internet beider Parteien im Haus an einer der ausgefallenen Phasen hängt – wird die Störungsstelle erreicht, die jemanden schickt. Nachdem das Ehepaar „Beauty and the Beast“ unter Verbrauch etlicher Taschentücher zu Ende geschaut hat, geht eine der ausgefallenen Phasen wieder, die zweite lässt noch auf sich warten. Am Morgen um sieben bemerkt die Ehefrau, dass die dritte Phase noch immer nicht wieder da ist – im Kühlschrank und Gefrierfach wird’s langsam wärmer. Nochmals wird angerufen, und langsam entsteht Aktivität in der Straße: Ein Netztechniker ist da, holt den Messwagen und es wird auch an einer Stelle die Straße aufgehämmert.

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Im Endeffekt ging der Strom nach einem völligen Abschalten für zwei Stunden am frühen Sonntagnachmittag wieder. Am Montag muss nochmal abgeschaltet werden – obige Bilder entstanden auf einem Spaziergang durch die Umgebung: Die relevante Umspannstelle und die neue Baustelle zum Beheben des ersten großen Fehlers sind darauf abgebildet – in letzterer Baugrube wurde die defekte Muffe wohl gefixt.

Allerdings hat dieser Vorfall mir – der Ehefrau aus dem ersten Abschnitt – deutlich gezeigt, was ich schon wusste: Unsere Abhängigkeit von zuverlässiger Versorgung mit elektrischem Strom ist enorm. Wir brauchen Strom für so ziemlich alles – als Blogleser oder Blogschreiber fällt einem als erstes der Rechner ein, aber wenn es das nur wäre! Warmwasserbereitung (ich rede nicht nur vom Wasserkocher), Heizung, Kochen … die meisten Heizungen und damit Warmwasserbereitungen sind von Strom abhängig, selbst wenn sie Öl oder Gas verbrennen, und zwar in Zündung und Steuerung. Kühlung und längere Aufbewahrung von Lebensmitteln – die meisten Menschen haben einen Wochenvorrat Lebensmittel irgendwo rumliegen, für den Fall eines Falles, aber hält sich das Tiefgekühlte ohne Strom? Na? Telefon – und damit Kontakt zur Außenwelt, Mitteilung von Notständen? Klar, Handy, aber bei uns hier ist das Netz eher schwach – die meisten Smartphone-Akkus halten nicht mehr so richtig lange. Über’s Telefonnetz mit Strom versorgte Analogtelefone sterben auch aus – mal davon ab, dass bei Stromausfall über (mittel-)große Flächen auch Handynetz-Masten und der Telefon-Notstrom betroffen sind.

Dann kommt flächig die Verkehrssteuerung, die Verteilung von Nahrungsmitteln und vieles mehr hinzu …

Es war nun auch gar nicht meine Absicht, den Teufel an die Wand zu malen. Wer mal nachdenkt und ein bisschen sich informiert, sieht deutlich, dass unsere Abhängigkeit von elektrischem Strom in Grundfunktionen unseres Lebens enorm ist, selbst dort, wo wir eigentlich eine andere Energiequelle verwenden – während elektrische Dinge nur steuern.

Mir kam nur wieder zu Bewusstsein, in wie viele Details des Lebens diese Abhängigkeit hineingeht – angefangen damit, dass ich die Hotline der Netz-Ausfallstelle bei einem sehr lokalen, eigentlich nicht schwerwiegenden Ausfall von nur zwei Phasen im Netz gesucht habe – und damit vorausgesetzt habe, dass das Internet, sogar das mobile Internet funktioniert, mein Handy Strom bekommt und ich mit meinem Mobiltelefon anrufen kann, weil dank Ausfall unserer Telefonanlage (lag auf einer der ausgefallenen Phasen) auch nicht mit dem vermeintlich sicheren Festnetz telefonieren konnte. Das mache ich mir zwar klar, in der Praxis hat es mich aber auch ein wenig getroffen, dass es eben wirklich und tatsächlich so ist.

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