Es sind nun fast schon 20 Stunden seit dem letzten Konzert des diesjährigen Amphi-Festivals, und in meinem Kopf spielt noch immer nur Musik. Ich bin völlig begeistert davon, wie das Festival für mich lief – klar, den einen oder anderen kleinen Dämpfer gab es, aber das war nicht so schlimm. Nein, nicht nur das, es fällt gar nicht ins Gewicht.
Als erstes habe Frozen Plasma auf der Theater Stage gesehen – die ersten drei Songs fiel es mir noch schwer, mich in das Festival fallen zu lassen, noch war alles ungewohnt und ein paar Dinge, die auf dem Weg nach Köln Verzögerungen bedingten, zehrten an mir. Dann kamen die ersten Töne von „Irony“ und alles war gut, alles war wie weggeblasen, ich kam schlagartig im „Hier und Jetzt“ an, in dem es kein Gestern, kein Morgen gab, keine Fahrt, keine Sucherei, keine Erinnerungen an Dinge, die vielleicht zu tun wären – es war so, wie es bei einem Konzert sein sollte. Mir fiel auf, dass die Band dieses Mal nicht ganz so ätherisch klang wie das erste Mal, damals vor unendlich langer Zeit auf einem Weihnachtsfestival in der Rockfabrik in Ludwigsburg, sondern … naja, rauer, mehr „live“ und mehr in einem „großes-Festival“-Klang. Das passte aber ganz gut, zumindest, als ich mal angekommen war. Sehr gefreut haben mich auch die Videos auf der Leinwand, vor allem die Spielevideos und die herrlichen Fahrten durch Welten aus Licht und Struktur.
Danach gab es für mich noch ein bisschen Umschauen, Freunde treffen und weiter verabreden, bevor ich mit Macht Richtung erster Reihe an der Main Stage drängte, um bei VNV Nation vorne zu sein. Diary of Dreams sah ich noch aus einiger Entfernung – nett finde ich die Musik, aber die Show sprach mich wirklich nicht an. Danach stürzte ich mich ins Gedränge, auch wenn mir klar war, dass es hart für mich werden würde, das Konzert von Fields of the Nephilim in guten Startlöchern für die erste Reihe bei VNV Nation zu verbringen. Im Nachhinein war das dann doch sehr lustig, denn ich befand mich zwischen den eher ruhigen Frauen und den in dem Moshpit drängenden Männern einer fanatischen griechischen Fangruppe von Fields of the Nephilim. Es machte Spaß, weit genug vom Moshpit entfernt in Kontakt mit der Gruppe zuzusehen, wie große Begeisterung für ihre Band diese Gruppe aufbrachte – das riss mich dann auch ein bisschen mit, so dass ich zu meiner Freude nicht als stumm leidende Person dort stand, sondern Spaß hatte – wenn schon nicht an der Band, so doch aus anderen Quellen genug Spaß, um eher mit anzuheizen als nur neutral herumzustehen oder gar Leuten den Spaß zu verderben.
VNV Nation war dann ein Konzert, das ich aus der ersten Reihe erleben durfte. Meine Begleitung stand direkt hinter mir, dazu schräg hinter mir zwei heftige VNV Fans aus Bristol. Dass sonst um mich herum die Leute … nun, für mich eher schwierig waren, tat meiner Begeisterung keinen Abbruch. Ronan interagierte wieder sehr viel mit den Fans recht weit vorne, kümmerte sich dort um jeden – dass das hinten nicht so gut kam, ist mir klar, aber vorne war es einfach geil. Wenn Ronan damit befasst war, etwas zu erzählen während eines Songs, übernahmen die Fans vorne die Lyrics, aus vollstem Halse, und ich war mitten darunter. Besonders ging es natürlich ab durch die Ankündigung, dass VNV im kommenden Jahr eine neue Tour machen werden … was bedeutet das? Neues Album, genau! Das befeuert natürlich alle Euphorie! Dazu kamen Lieder, die nicht so oft gespielt werden – oder zumindest auf den letzten VNV Konzerten, auf denen ich war, nicht so oft kamen: Sentinel, Off Screen und Epicentre, die ich extrem liebe, dazu aus „Automatic Empires“ heißgeliebt: Resolution, Gratitude und Standing. Es war eine Hammer-Show, auch weil Ronan: Einen Rollifahrer in die erste Reihe brachte, in dem er die Fans zum Bilden einer Gasse animierte, mit dem Einhorn Johannes und dessen Besitzer interagierte und einem Fan, der Standing noch nicht kannte, das Lied höflich ans Herz legte. Es gab lustige Momente und tolle, und bei Illusion vergoss ich viele Tränen. Dazu gab’s Sternenhimmel bei Nova, und ich erinnerte mich mit Begeisterung an das Amphi vor zwei Jahren, als in der Lanxess-Arena bei VNV der Nova-Sternenhimmel mit Handytaschenlampen das erste Mal so richtig zündete.
Am zweiten Festival-Tag lernte ich den Strand des Amphi kennen und lag auf einer Liege im Sand, sehr chillig – dazu kaufte ich ein neues VNV Shirt und einen Zipfel-Bolero. Aber dann ging’s auch schon vor allem um die Bands …
Stahlmann sah ich von ferne, aus nettem Kontakt mit Bekannten heraus, aber ich musste natürlich auch anmerken, dass mein Ehemann ebenfalls Stahlmann heißt. Die Musik dürfte ihm besser gefallen als mir, aber lustig war’s. Das Ich habe ich mir geschenkt, die mag ich nicht, und ich weiß auch immer besser, dass das nicht mehr besser wird. Dann jedoch ging es an Hocico … und da ging es richtig ordentlich zur Sache. Von direkt vor dem Mischpult genoss ich eine Show, die kraftvoll, beeindruckend und total heftig war, eine Show, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Ich kenne Hocico nur vom Tanzen in der Disco und war vom Zusammenspiel der Show, der Präsenz auf der Bühne und der Musik in ihrer Brachialität beeindruckt und begeistert. Zwischendrin gab es noch einen Regenguss, der das Konzert nur um so mehr unterstrich. Danach bei Combichrist war ich vor allem regelrecht trunken von der intensiven Stimmung, da Combichrist nicht so ganz mein Fall ist, die Stimmung aber definitiv gewaltigen Spaß lief. Und dann Apop …
… und dann Apop! Aber sowas von! Bei Apoptygma Berzerk wollte der Funke bei mir noch nicht so recht überspringen. In This Together mag ich zwar, aber irgendwie ist Apop für mich ältere, elektronischere Musik. Spätestens bei Eclipse in gitarrenlastig merkte ich, wie mich Apop einsaugte, und dann kam Non-Stop Violence in elektronisch! Bei mir brachen alle Dämme, ich brüllte den Text heraus, war nur noch Tanzen, Klatschen, Mitsingen. Das setzte sich fort – zu meiner Freude gab es eben nicht nur Starsign und Eclipse, sondern auch – und das dann in elektronisch – Kathy’s Song und Deep Red! Dann allerdings, egal, ob’s ein Cover oder nicht, völlig wurscht, bei Major Tom gab es kein Halten mehr. Völlig euphorisch bin ich wohl allen auf den Wecker gegangen, aber auch rückblickend brauchte dieses Mal VNV meinen Fan-Bonus, um mein Highlight zu sein – wenn ich den weggelassen hätte, mit Eclipse statt in Gitarre auch noch in elektronisch sogar ohne VNV-Fan-Bonus wäre Apop dieses Jahr mein Highlight gewesen. Was eine geile Show!
Kurz gesagt: Ein gelungenes Festival, das mich total in seinen Bann gezogen hat und nach dem ich in kosmologischen Einheiten eine Rotverschiebung von ungefähr z=3 von meinem Alltag entfernt bin!