Heute war ein seltsamer Tag. Alles schien normal, und doch war es das nicht. Ich habe mich über Dinge gesorgt, über die ich mich nicht sorgen muss, Probleme gesehen, wo keine oder vielleicht nur klitzekleine existieren und mich von den Erwartungen hetzen lassen – weniger von echten, viel mehr von solchen, die ich in andere hineinprojiziere.
Ich möchte nicht lamentieren. Denn eigentlich geht es mir gut. Wie sagt Tommy Lee Jones so treffend in „Men In Black“? „Sie sind wunderschön. Die Sterne. Wir schauen nur nicht mehr hin.“
Ich habe heute zu den Sternen geschaut, im übertragenen Sinne. Nach einem Tag, der vor allem durch meine Erwartungen und das, was in mir vorgeht, verrückt wurde, habe ich mir ein paar Teelichte geholt, zwei davon in meinen Teelichthalter mit Buddha, drei auf das Fensterbrett und drei auf’s Waschbecken gestellt. Ein Glas von dem blauen Zweigelt, der eigentlich schon zu lange offen ist, kam an die Wanne. Dann habe ich das Licht ausgemacht, nur die Teelichte leuchten lassen, den leicht vanilligen Geruch des gut geatmeten Weins genossen und die Wärme der Badewanne. Zuerst brauchte ich etwas, um Ruhe zu finden. In meinem Kopf spielte Amy MacDonalds „This is the Life“, und die innere Stille wollte sich nicht einstellen. Dann lehnte ich mich zurück und begann über das Kapitel in meinem zweiten Buch „Aus Feuer und Stahl“ nachzudenken, an dem ich im Moment schreibe. Langsam wurde es in mir ruhiger, langsam konnte ich mich zurücklegen, meinen Nacken vom warmen Wasser umspielen lassen. Dann war es plötzlich dieser Übergang, diese plötzlich intensivere Ruhe, wenn all die Geräusche der Stille plötzlich intensiver werden und es scheint, als gehe das Rauschen, das sie überdeckt, urplötzlich aus. Gäbe es all diese Geräusche der Stille nicht, in diesem Moment würde man denken, die Ohren seien „zugeklappt“, der Druck auf das Trommelfell falsch, so dass alles wie gedämpft wäre. Aber die Geräusche der Stille sind plötzlich klarer, deutlicher, nicht mehr verschwommen, gedämpft, verrauscht.
Wie ich genau dazu gefunden habe, mit dem Finger über mein halbvolles Weinglas zu reiben, weiß ich nicht. Es fühlt sich an, als läge zwischen diesem Moment der Stille und dem herrlichen Klang des leicht vibrierenden Weinglases Stunden, aber es waren wohl nur Augenblicke. Und dann kamen die Tränen und die Liedfetzen, ein neues Lied, zuerst ein tieftrauriges Überlaufen der Augen, dann ein wohliges Wegwaschen all dessen, dem ich oft zu wenig Raum zum Abfließen gebe. Wie Reinhold Ziegler seinen Protagonisten Achim in „Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister“ über das Saxophon von Michael Brecker sagen lässt, dass er die verstreuten Melodien des Abends wieder zusammenflicke, so tat es bei mir ein in einer ruhigen Version in meinem Kopf spielender Richie Sambora, dessen Gitarre die Fetzen des Abends zu einem Stück zusammensetzte, eine Sehnsucht, in der das „You“ das Alleinsein war, das wohlig geborgene Alleinsein, das ich wegen der vielen großartigen Menschen um mich herum manchmal allzuleicht vernachlässige, es gar nicht vermisse, wo ich es doch brauche – verzweifelt brauche, wohlig brauche.
Und so habe ich nach einem verrückten Tag, an dem so viele Dinge anders gelaufen sind, als sie sollten und ich sie wollte, doch mit Rotweinglas, Badewanne, Teelichten und dem Gedanken an Bon Jovi den Abend wieder zusammengeflickt und vielleicht sogar ein Stück stilles Glück generiert, von dem ich zehren kann, wenn’s wieder durcheinander geht.
cheers 😉
Danke! 🙂