Der Stau

Der folgende Text ist rein fiktional. Da – nicht-explizit beschriebene, aber eben doch – Autoerotik drin vor kommt, warne ich hier davor, falls jemand damit Probleme haben sollte. Vielen Dank übrigens an Sebastian für den Einwurf, der zu dem Clou führte – welchen Clou, sieht man am Schluss.

Der Stau

Graue Wolken hängen schwer über der breiten Schneise zwischen den Bäumen, ein leichter Nieselregen in der Luft ist kaum zu sehen. Sanft treffen die winzigen Tropfen auf die Arme der Frau, keiner groß, aber ein beständiges Sprühen benetzt ihre Haut, macht ihre Haare feucht. Die Feuchtigkeit beschwert das schwarze Kleid, das sich von den Schultern bis knapp über die Knie um den Körper schmiegt. Ihre Absätze klacken auf dem Asphalt, ein wenig balanciert sie ein Schwanken aus, um den nassen, roten Lack des LKW nicht zu berühren, während sie gegen die Scheibe klopft. Mit Worten der Entschuldigung reicht sie ein kleines, beschriebenes Blatt hinein, einige wenige weitere hat sie unter dem ledernen Deckel ihrer Tasche geborgen. Sie lässt den Blick schweifen, nach rechts, nach links – wo sie auch hinschaut: Stillstand. Blech auf Asphalt, so weit das Auge reicht. Eine Unzahl von Fahrzeugen, aus dem Tal kommend, zum Berg gerichtet, von Leitplanke zu Leitplanke. Zwei der Spuren scheinen unter einer Brücke aufzutauchen, verschwinden dahinter im Tal in einer sanften Biegung, zwei andere kommen seitlich dazu, gemeinsam streben sie durch einen Wald bergan, verschwinden recht steil zwischen den Bäumen. Doch die Autos, die LKW, sie kommen nicht, sie streben nicht. Sie stehen. Stoßstange an Stoßstange, einige vibrieren bei laufendem Motor, zeigen weißes Licht, rotes Licht, manche Fahrer halten die Bremse und lassen ihre Bremsleuchten intensiver rot nach hinten scheinen, andere verlassen sich auf die Handbremse. Doch viele, sehr viele haben aufgegeben, den Motor ausgeschaltet. Ihre Wagen vibrieren nicht. Leichter Dampf steigt auf, wo der Niesel warme Motorhauben kühlt. Sie schüttelt den Kopf. Auf der Gegenfahrbahn, bergab, auch dort schleicht der Verkehr, zäh wie Honig. Siebzehn Kilometer, und dies hier ist erst der Anfang.

„Hey! Fräulein!“

Die Worte lassen sie auffahren. Der LKW-Fahrer reicht ihr einen flachen, schwarzen Gegenstand, ein Stück des gereichten Papiers klebt darauf, abgerissen und leicht angefeuchtet. Ein Kennzeichen steht darauf. Nur seine Hand sieht sie, wie sie vor der Tür steht, sein Gesicht bleibt in der Fensterhöhle verborgen. Ein Papiertaschentuch wickelt sie um das flache Stück Technik, birgt es in einen schwer gewordenen Baumwollbeutel, und geht weiter, noch während das Fenster des LKW wieder hinauffährt. Noch zwei, drei LKW, denkt sie sich, und der rote Sportwagen da. Dann … ein Lächeln umspielt ihre Lippen, ein wenig rebellisch,wissend, vorfreudig –

Das schwarze Kleid ist leicht hochgerutscht, die schmale Hand berührt den bestrumpften Schenkel. Sie liegt halb in ihrem Fahrersitz, hat die Lehne etwas zurückgeklappt, doch ihr Po berührt nicht das Gelenk zwischen Lehne und Sitzfläche, sondern vorne auf der Kante – ein Knie ist an das Lenkrad gestützt, das andere Bein liegt im Fußraum, gestreckt und den Fuß zwischen die Pedale geschoben. Sie hat die Augen geschlossen und die Gedanken an die Blicke aus den umgebenden Fahrzeugen verebben langsam, ebenso langsam, wie ihre Hand zwischen den aufgestellten und den abgestreckten Schenkel gleitet. Und dann richtet sich der Daumen auf, streicht über die Schenkelinnenseite, längst aus dem Sichtfeld der anderen Fahrer, und doch ist am Heben und Senken ihrer Brust unter dem Kleid zu erkennen, dass sie nicht untätig bleibt. Die seitlich in die Stirn fallende Strähne ist längst etwas feucht, zieht sich dunkel über die geröteten Wangen, und ein, zwei Schweißtropfen bahnen sich ihren Weg über das rechte Schlüsselbein, langsam, um dann rascher zu fließen, in ihr Dekolleté, zur Mitte, um dort zwischen den Brüsten im Ausschnitt zu verschwinden. Instinktiv pustet sie nach der Strähne, doch die feuchten Haare sind durch den Luftzug nicht mehr zu bewegen. Die linke Hand wischt über die Schulter, den Stoff am Rand des Ausschnitts entlang, dann über die vom Kleid verhüllte Wölbung hinab und bleibt auf dem Bauch liegen, während die andere Hand sich am Schenkel höher tastet, das Handgelenk schiebt den Saum des Kleides Richtung Hüfte. Ihr Kopf sinkt etwas weiter zurück, wieder pustet sie zwischen den geröteten Lippen Luft hervor, doch dieses Mal gilt es nicht der Strähne. Gegen den Widerstand des Lenkrads zieht sie die Schenkel zusammen, hängt schief im Fahrersitz, während die Schenkel die reibende Hand zu umklammern versuchen. Dann zuckt sie leicht zusammen, legt den Kopf etwas zur Seite. Der neben dem Beifahrerfenster stehende Starrer begegnet ihrem Blick, und er scheint Vorwurf in dem Seitenblick zu lesen. Rasch zieht er sich etwas zurück, in Richtung der geöffneten Fahrertür seines Sportwagens. Die Frau schließt wieder die Augen, kneift sie regelrecht zu, und flüstert in Richtung Wagendecke, unverständliche Dinge, und ihre Lider zucken, als sähe sie Bilder davor – die Bewegungen der Hand zwischen ihren Schenkeln werden nachdrücklicher und die andere streicht fester über den Bauch, dann den Schenkel, und da spannt sich der Körper, drückt die Hüfte aufwärts, am Lenkrad knarrt etwas unter dem Druck des Knies, und die Frau stößt lang Luft aus, um sie hastig einzusaugen, sie wieder auszustoßen …

Es hat sich eine Schlange gebildet. Die meisten, die vor dem offenen Fahrerfenster des kleinen Wagens stehen, sind Männer, aber auch Frauen sind drunter. Buchstaben und Zahlen werden genannt, und dann wechseln abermals flache, meist schwarze oder silberne Gegenstände den Besitzer. Vor dem Auto der Frau sind drei Wagen bereits weg gefahren, die LKW stehen größtenteils noch. Weiter hinten wird im Unverständnis gehupt, warum es nicht weiter geht. Zwei der übrigen Zettel mit Aufschrift liegen neben dem fast leeren Baummwollbeutel auf dem Beifahrersitz, auf ihnen steht:

„Ich möchte das, was ich nun tun werde, nicht bereuen, weil es auf Youtube hoch geladen wird. Schreiben Sie Ihr Kennzeichen auf das Post-It, kleben Sie es auf Ihr Smartphone – und genießen Sie das, was kommt. Das Smartphone gebe ich Ihnen danach zurück.“

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